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05/15/2002 09:50

Dresdner Mathematik-Historiker entdeckt ältestes in Dresden gedrucktes Rechenbuch

Birgit Berg Pressestelle
Technische Universität Dresden

    Professor Stefan Deschauer, Inhaber der Professur für Didaktik der Mathematik der TU Dresden und ausgewiesener Mathematik-Historiker, hat kürzlich in der Ratsschulbibliothek Zwickau das älteste Dresdner gedruckte Rechenbuch entdeckt. Dieses kleine Rechenbüchlein (Oktav-Format) von nur 29 Seiten, das offenbar bislang keine weitere Beachtung gefunden hat, befindet sich in einem umfangreichen Sammelband. Der Katalog weist es als anonymes Werk aus, da ein Verfasser auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist. In Wirklichkeit handelt es sich bei den ersten 25 Seiten um einen Nachdruck des Rechenbuchs von Conrad Feme, das bei Mathes Maler in Erfurt 1521 und 1523 erschienen ist. Nicht nur der Titel, sondern auch der gesamte Text einschließlich der Zahlendruckfehler ist mit der Vorlage so gut wie identisch. Erhalten sind insbesondere auch die immer wieder eingestreuten holprigen Reime, mit denen der Autor seine Ausführungen aufzulockern trachtete, für ein arithmetisches Werk eine Kuriosität ersten Ranges. Einen Vorgeschmack liefert schon der Titel, der auch verrät, dass nur die "schlechten" (= schlichten), also römischen Zahlen behandelt werden. Hier unterscheidet Feme mittels unterschiedlicher Symbolik zwischen "zehnhundert" und "tausend"!
    Femes Werk gilt als das inhaltlich schwächste seiner Art in dieser Zeit: Nicht einmal zum Dreisatz, dem Herzstück aller kaufmännischen Rechenbücher des 16. Jahrhunderts, und zur Bruchrechnung dringt es vor.
    Der "Herausgeber" des Zwickauer Rechenbuchs hat noch weitere 4 Seiten hinzugefügt, offenbar, weil er selbst die Unzulänglichkeit des Feme-Büchleins erkannt hatte. Es handelt sich um sechs Aufgaben aus dem 1. Rechenbuch von Adam Ries (1518 ebenfalls bei Mathes Maler in Erfurt gedruckt) zur Anwendung der Multiplikation und Division. Die arabischen Zahlen aus der ungenannten Quelle sind hier durch römische ersetzt. Und schließlich folgt noch eine der Zeit um das Abfassungsjahr dringend geschuldete Innovation: eine Tafel der "latinischen" (d. h. italienischen) Ziffern, allerdings ohne jede Erläuterung. ? Gedrugkt zu Dreßden durch Wolffgang Stöckel 1532 ? dieser Kolophon ist das wohl Interessanteste an dem Büchlein. Wolffgang Stöckel (* um 1473, ? 1541) erwarb 1490 in Erfurt den Grad eines Baccalaureus. Um 1495 wirkte er als Drucker in Leipzig, u. a. von Luther-Schriften. 1526 verlegte er seine Druckerei nach Dresden ? dort war er der erste namentlich bekannte Drucker. Seine "Spezialität" waren hier, in der Residenz des albertinischen Sachsens, antireformatorische Streitschriften (z. B. Paul Bachmann: Wyder das wild Geyffernd Eberschwein Luthern. So ynn dem wyngartten des Herren der krefften wület, grabet unn sich understehet mit seynem besodeltenn Rüssel umbzustossen die Canonizacion Divi Bennonis ... 1524).
    Stöckels Rechenbüchlein ist derzeit in keiner anderen Bibliothek nachweisbar. Ein älteres mathematisches Werk aus Dresden, wo der Buchdruck erst 1524 begann, dürfte es kaum gegeben haben. Dafür spricht auch, dass in Rara arithmetica und Ars mercatoria, den großen arithmetischen Bibliografien, Dresden während des gesamten 16. Jahrhunderts als Druckort überhaupt nicht auftaucht.

    Weitere Informationen: Prof. Stefan Deschauer, Telefon (03 51) 4 63 3 75 52


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    Criteria of this press release:
    Mathematics, Physics / astronomy
    transregional, national
    Organisational matters, Scientific Publications
    German


     

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