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06/27/2012 11:14

Wo kein Motiv ist, da ist auch kein Plan: Ausgezeichnete RUB-Dissertation über „Aufsteiger“

Dr. Josef König Pressestelle
Ruhr-Universität Bochum

    Vom Tellerwäscher zum Millionär oder moderner ausgedrückt „vom Ghetto-Kid zum Gangsta-Rapper oder Fußballprofi“ – das sind medial häufig dargestellte Erfolgsgeschichten. Seltener geht es um den sozialen Aufstieg durch Bildung. Der Bochumer Sozialwissenschaftler Dr. Aladin El-Mafaalani hat genau diese Bildungsaufstiege analysiert. Er interviewte beruflich erfolgreiche deutsche und türkische Akademikerinnen und Akademiker und fand heraus: Ihr Aufstieg war nicht geplant, sondern erfolgte Schritt für Schritt.

    Wo kein Motiv ist, da ist auch kein Plan
    Bildungsaufstieg erfolgt „Schritt für Schritt“
    Ausgezeichnete RUB-Dissertation über „Aufsteiger“

    Vom Tellerwäscher zum Millionär oder moderner ausgedrückt „vom Ghetto-Kid zum Gangsta-Rapper oder Fußballprofi“ – das sind die medial häufig dargestellten Erfolgsgeschichten. Seltener wird der soziale Aufstieg durch Bildung thematisiert. Der Bochumer Sozialwissenschaftler Dr. Aladin El-Mafaalani hat genau diese Bildungsaufstiege analysiert. Er interviewte beruflich erfolgreiche deutsche und türkische Akademikerinnen und Akademiker und fand heraus: Ihr Aufstieg war nicht geplant, sondern erfolgte Schritt für Schritt. Auf dem Weg die soziale Treppe hinauf zählte jeweils nur die einzelne, die nächste Stufe, nicht aber die Treppe als Ganzes. Dabei spielte auch der Zufall eine nicht zu unterschätzende Rolle.

    Wie durchlässig die Barrieren sind

    Für seine herausragende Arbeit erhielt El-Mafaalani vor kurzem den Dissertationspreis Kulturwissenschaften 2012, verliehen vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI). Der Forscher führte insgesamt 19 mehrstündige, narrativ-biografische Interviews. Die Interviewten, deren Eltern bestenfalls einfache Schulabschlüsse besitzen und aus der Arbeiter- bzw. Unterschicht stammen, sind deutscher und türkischer Herkunft und machten Karriere in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Kunst und Kultur. El-Mafaalani beleuchtet insbesondere den Prozessverlauf des Bildungs- und Berufsaufstiegs und vollzieht damit einen Perspektivwechsel in der Ungleichheitsforschung. Nicht die sozialen Barrieren stehen im Blickpunkt, sondern die Bedingungen ihrer Durchlässigkeit beziehungsweise die Möglichkeiten, sie zu überwinden.

    Geld spielt nicht die entscheidende Rolle

    Was sich ergibt, ist ein „typisches Ablaufmuster“, so El-Mafaalani. Ob ausländischer Herkunft oder nicht, die Bildungsaufsteiger distanzieren sich sowohl innerlich als auch äußerlich von ihrem ursprünglichen Milieu. Die innere Distanzierung vollzieht sich durch Habitusveränderung bzw. Habitustransformation, die äußere durch sozialen bzw. institutionellen Aufstieg über Bildung. Habitusveränderung bedeutet, dass die Aufsteiger mehr oder weniger offen ihre eigene Herkunft und damit auch ihre Vergangenheit ablehnen. Insbesondere die Ablehnung ästhetischer, kognitiver, körperlicher und moralischer Aspekte des Herkunftsmilieus zeigt, dass Bildung immer auch mit einer Veränderung der Persönlichkeit einhergeht. Genau darin sieht El-Mafaalani den Unterschied zu weniger erfolgreichen Kindern und Jugendlichen aus der Unterschicht. „Reich und berühmt werden wollen im Prinzip viele benachteiligte Menschen, was aufgrund der finanziellen Knappheit auch nicht überrascht. Aber für diejenigen, die tatsächlich aufsteigen, spielt weniger das Geld die entscheidende Rolle: Sie wollen sich selbst verändern, sich weiterentwickeln, ihren Handlungsspielraum erweitern.“

    Fragliche Vorbilder: Bushido, Bohlen, Özil

    Wer an sich selbst arbeiten wolle, der sei auch zugänglich für Bildung, wohingegen Bildung und Geld weniger gut zusammenpassten. „Bushido, Dieter Bohlen oder Mesut Özil bieten für monetäre und andere extrinsische Motive viel attraktivere Angebote, denn diese Vorbilder suggerieren, dass man so bleiben kann, wie man ist, und dennoch reich und angesehen werden kann“, so El-Mafaalani. In der detaillierten Analyse der Aufstiegsbiografien zeigt sich: „Bei keinem der Aufsteiger lag ein solches Aufstiegsmotiv vor. Und wo kein Motiv ist, da kann auch kein Plan sein.“

    Herkunftseffekt an den Schwellen

    El-Mafaalani arbeitet besonders gründlich heraus, dass langfristige Herausforderungen den gesamten Aufstiegsprozess begleiten – trotz der mitentscheidenden Rolle des Zufalls. Soziale Filter wirken über alle biografischen Passagen: Grundschule, Übergang zur Weiterführenden Schule, Erlangung der Hochschulzugangsberechtigung, Aufnahme und Abschluss eines Studiums, berufliche Etablierung. „An jeder dieser Schwellen ist ein Herkunftseffekt messbar“, so der Forscher. Das gilt für Deutsche wie Türken gleichermaßen, dennoch gibt es Unterschiede, denn die Erwartungshaltungen der Eltern sind anders. „Während die einheimischen Eltern geringe Loyalitätserwartungen und geringe Bildungsaspirationen aufweisen, sind beide Erwartungshaltungen bei den türkeistämmigen Eltern stark ausgeprägt. Daraus ergeben sich durchaus unterschiedliche Problemstellungen für den Bildungsaufstieg.“ Hingegen lassen sich aus den biografischen Interviews keinerlei Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Aufsteigern ableiten.

    Titelaufnahme

    El-Mafaalani, Aladin: BildungsaufsteigerInnen aus benachteiligten Milieus. Habitustransformation und soziale Mobilität bei Einheimischen und Türkeistämmigen. Wiesbaden 2012: Springer VS. 345 S., 39,95 Euro, ISBN 978-3-531-19319-9

    Weitere Informationen

    Dr. rer. soc. Aladin El-Mafaalani, Fakultät für Sozialwissenschaft der RUB, Tel. 0234/32-28706, E-Mail: Aladin.El-Mafaalani@ruhr-uni-bochum.de
    Homepage: http://homepage.ruhr-uni-bochum.de/Aladin.El-Mafaalani/

    Redaktion: Jens Wylkop


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Cultural sciences, Social studies
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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