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06/12/2002 00:00

Rektor: Universität Heidelberg empfindet jüngste Beunruhigungen als ausnehmend gefährlich

Dr. Michael Schwarz Kommunikation und Marketing
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

    Rektor Prof. Dr. Peter Hommelhoff begrüßte eine große Zahl von Gästen zur Eröffnung der Ausstellung "Juden an der Universität Heidelberg" - Besondere Verantwortung der Ruprecht-Karls-Universität im Umgang zwischen Juden und Deutschen, zwischen Deutschland und Israel

    Im Rahmen der seit 1983 bestehenden Partnerschaft zwischen der Hebräischen Universität Jerusalem und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg wurde am 12. Juni 2002 die Ausstellung "Juden an der Universität Heidelberg - Dokumente aus sieben Jahrhunderten" eröffnet. Sie dokumentiert die Bedeutung der jüdischen Professoren und Studenten für die Heidelberger Hochschule in ihrer mehr als 600-jährigen Geschichte und ist bis 30. August in der Universitätsbibliothek zu sehen. Zur Ausstellungseröffnung in der Aula der Alten Universität ging Rektor Prof. Dr. Peter Hommelhoff auf die besondere Verantwortung der Ruprecht-Karls-Universität im Umgang zwischen Juden und Deutschen ein.

    "Arg außergewöhnlich erscheint es auf den ersten Blick nicht, anhand von Dokumenten aus sieben Jahrhunderten das Lehren und Lernen von Juden an der Universität Heidelberg zu betrachten und zu reflektieren", begann Rektor Hommelhoff seine Begrüßung. Doch schon das Begleitheft zur Ausstellung, ganz vorzüglich gestaltet, ziehe seine Leser augenblicklich in seinen Bann und lasse ihn erahnen, warum jüdische Mitbürger in Deutschland erschrocken, voll Unruhe und Unbehagen auf Ereignisse hier mit hoher Sensibilität reagieren: "Auch und insbesondere in diesem Gebiet sind Juden immer schon in ihrer wirtschaftlichen und mentalen Existenz, ja sogar in ihrer leiblichen gefährdet gewesen." Das lasse sich am Mikrokosmos der Universität Heidelberg ablesen - bezog sie doch bald nach ihrer Gründung 1390 die Häuser der ausgewiesenen Juden samt ihrer Synagoge, die damals unter anderem als Hörsaal genutzt wurde.

    Hommelhoff: "Mehr als ein halbes Jahrtausend später sind jüdische Professoren und Studenten entrechtet aus der Ruperto Carola herausgedrängt, aus Deutschland vertrieben und viele von ihnen sogar ermordet worden. Daran waren Universitätsangehörige, wie die Ausstellung erschreckend dokumentiert, nicht unbeteiligt. Und es ist kein wirklicher Trost, dass die Professoren damals nicht als Akteure auftraten, entscheidend ist, dass sie zumeist indolent schwiegen und nichts taten. Das darf sich nicht wiederholen und es wiederholt sich Gottlob auch heute nicht.

    Was ist geblieben von jener Zeit, in der der liberale Geist der Weimarer Republik jüdische Professoren und Studenten in großer Zahl nach Heidelberg führte und diese mit dazu beitrugen, die Ruperto Carola erblühen zu lassen? Gewiss ist mehr geblieben als die Gedenktafel für die unter dem Nationalsozialismus entrechteten und vertriebenen Hochschullehrer im Foyer der Alten Universität, obwohl wir für eine vergleichbare Erinnerung an die entrechteten, vertriebenen und ermordeten Studenten der Universität Heidelberg sorgen sollten.

    Geblieben ist die von Generation zu Generation der Universitätsangehörigen vermittelte Erkenntnis, dass es im Umgang zwischen Juden und Deutschen, zwischen Deutschland und Israel keine wirkliche Normalität geben kann, sondern nur Zusammenarbeit vor dem düsteren Hintergrund der deutschen Geschichte, nur ein miteinander Umgehen und Handeln aus spezifischer Verantwortung heraus. Diese Verantwortung müssen wir Professoren immer wieder unseren Studierenden vor Augen führen und in Erinnerung halten.

    Aus ihr ist der Partnerschaftsvertrag mit der Hebräischen Universität in Jerusalem geschlossen; aus dieser Verantwortung heraus tauschen beide Universitäten Stipendiaten aus und werden wissenschaftliche Kontakte gepflegt - sei es in persönlichen Begegnungen von Wissenschaftlern, sei es in Workshops in Jerusalem oder hier in Heidelberg. Besonders zukunftsträchtig scheint der jüngst in dieser Partnerschaft geborene Gedanke, die jeweiligen Stärken der Universitäten fruchtbar zu machen, um auch den wissenschaftlichen Nachwuchs der anderen Universität zu ertüchtigen.

    Als Handeln aus spezifischer Verantwortung heraus ist überdies die Begleitung zu begreifen, die die Zusammenarbeit zwischen der Ruperto Carola und der Hochschule für Jüdische Studien facettenreich prägt. Für den Wissenschaftsstandort Heidelberg ist diese Hochschule unverzichtbar, wie nicht zuletzt die große Zahl von Universitätsstudenten zeigt, die einen Teil ihres Studiums an der HJS absolvieren. Es war ein großes Glück auch für die Universität Heidelberg, als sich der Zentralrat der Juden in Deutschland entschloss, die HJS für die Grundausbildung der Rabbiner zu öffnen.

    Wir sahen und sehen hierin noch immer den Ausdruck eines besonderen Vertrauens in das verantwortliche Verhalten der Ruperto Carola, der Stadt Heidelberg und ganz Deutschlands. Und wir hoffen sehr, dass auf dem Fundament dieses Vertrauens die Ausbildung der Rabbiner und anderer jüdischer Funktionsträger am Standort Heidelberg - getragen vom Engagement des Zentralrats - künftig noch ausgebaut werden kann. Deshalb empfindet es die Ruprecht-Karls-Universität als ausnehmend gefährlich, dass jüngste Beunruhigungen und Verunsicherungen dies Vertrauen beeinträchtigen oder gar zerstören könnten.

    Der lebendige Geist der Universität Heidelberg muss jetzt und in aller Zukunft ein zutiefst freiheitlicher sein und bleiben. In dieser Überzeugung stimmen wir mit dem ehemaligen Botschafter Israels in Bonn überein, der mit der Ruperto Carola als Universitätsratsmitglied verbunden ist. Hoffentlich wird er Vertrauens-stützend und -stiftend auch weiterhin in Israel berichten können. Daran haben wir alle engagiert zu arbeiten.

    Hochverehrte Frau Klüger, gerne begrüße ich Sie in der Universität Heidelberg und danke Ihnen von Herzen für die Übernahme des Festvortrages. Wie dankbar wir Ihnen dafür sein müssen, zeigen wesentliche Stationen Ihres Lebensweges:

    Aus einem jüdischen Elternhaus in Wien stammend, wurde Ruth Klüger im Alter von zwölf Jahren mit ihrer Mutter nach Theresienstadt, später nach Auschwitz-Birkenau und schließlich in das Arbeitslager Christianstadt deportiert. Der Gaskammer entging sie nur durch den Rat einer Leidensgenossin: die bereits Ausgesonderte stellte sich noch einmal in der Schlange zur Selektion an, machte sich zwei Jahre älter und wurde so ins Arbeitslager abgestellt. Als sie am Ende des Krieges auf einen der "Todesmärsche" geschickt wurde, gelang ihr und ihrer Mutter die Flucht. Ihr Vater jedoch wurde in Auschwitz ermordet.

    Die Flucht verschlug sie nach Straubing, wo sie das Abitur ablegte, anschließend studierte sie zunächst an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Regensburg und wanderte 1947 nach Amerika aus. Nach dem Ph.D. in Berkeley schlug sie die Hochschullaufbahn ein, die sie 1980 an die Princeton University und 1986 an die University of California, Irvine führte. Sieben Jahre lang war sie hauptverantwortlicher Editor des "German Quarterly". Unter ihrer Leitung avancierte das "GQ" zur führenden Fachzeitschrift in den USA.

    Wenn wir heute Ihrem Vortrag "Deutsch-jüdische Symbiose oder Zwickmühle: Heinrich Heine ein Geisteswissenschaftler?", sehr verehrte, liebe Frau Klüger lauschen, werden wir diese Stationen immer vor Augen haben" (Rektor Prof. Hommelhoff).

    Rückfragen bitte an:
    Dr. Michael Schwarz
    Pressesprecher der Universität Heidelberg
    Tel. 06221 542310, Fax 542317
    michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de


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    Criteria of this press release:
    interdisciplinary
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications
    German


     

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