Mikrosystemtechnik
"Superscharfer" Schumi auf dem Monitor
Chemnitzer Uni, Heinrich-Hertz-Institut und Fujitsu verändern die Fernsehlandschaft
Bei großen Fernsehgeräten bemerkt man sie am ehesten, die einzelnen Bildpunkte. Das Bild wirkt einfach nicht scharf genug - und daran kann auch die Technik wenig ändern. Noch nämlich funktionieren alle Fernsehempfänger und auch alle Sender nach dem Analogprinzip, und das läßt eine bessere Bildqualität bei vertretbarem Aufwand einfach nicht zu und ist auch sonst technisch hoffnungslos veraltet.
Doch die Tage des Analog-Fernsehens sind gezählt: In Zukunft werden sämtliche Fernsehsendungen digital ausgestrahlt. Die Folge: Es lassen sich wesentlich mehr Bildpunkte übertragen, das Bild wird scharf und klar, größere Bildschirme als bisher sind möglich. Weil sich die digital übertragenen Fernsehdaten zudem stark verdichten lassen, wird sich außerdem die Zahl der Programme noch weiter erhöhen. Kein Zweifel, das hochauflösende digitale Fernsehen (HDTV, High Definition TeleVision) wird die Wohnzimmer der Welt erobern. Noch in diesem Herbst gehen in den USA die ersten 26 Digital-Fernsehsender ans Netz, ab 2006 werden dort überhaupt keine analogen Sendungen mehr ausgestrahlt. Japan wird die neue Technik ebenfalls ab dem Jahr 2000 einführen.
Die neue Technik verlangt jedoch neue Video-Decoder, also Bauteile, die die Fernsehsignale entschlüsseln können. Solche Decoder gibt es bereits seit längerem, etwa vom Berliner Heinrich-Hertz-Institut (HHI). Die Berliner Forscher haben mit ihrem Decoder weltweit die Nase so weit vorn, daß sie damit sogar die Aufmerksamkeit der deutschen Tochter des japanischen Elektronik-Riesen Fujutsi (Weltumsatz: 50 Milliarden Mark) auf sich zogen. Doch bisher war der digitale HDTV-Decoder noch zu groß - er füllte eine ganze Leiterplatte - und für den Massenmarkt zu teuer. Die naheliegende Idee: den Decoder so zu verkleinern, daß er auf einen einzigen Silizium-Chip paßt.
Um dies zu erreichen, verbündete sich Fujitsu mit dem HHI und den Informationstechnikern der Chemnitzer Uni. Während die Berliner ihr umfangreiches Systemwissen einbrachten, steuerten die Chemnitzer ihr Entwurfs-Know-How bei. Weniger als zwei Jahre benötigten die Berliner HHI-Forscher und die Chemnitzer Wissenschaftler um den Elektrotechnik-Professor Dietmar Müller vom Lehrstuhl für Schaltungs- und Systementwurf, um den Video-Decoder auf einem einzigen Chip unterzubringen. Dabei entwarfen die Chemnitzer unter anderem die Bewegungskompensationseinheit, die Speicherschnittselle und die Bildausgabeeinheit komplett neu. Neben den Diplom-Ingenieuren Kay Hesse und Lars Melzer arbeiteten daran auch die Studenten Mathias Sedner und Uwe Moslehner mit, damals beide im 8. Semester. Denn an der
Chemnitzer Uni legt man Wert darauf, Nachwuchswissenschaftler so früh wie möglich in die Praxis einzuführen.
Der neue Ein-Chip-Decoder, der auf den Namen HiPEG (High Definition Pictures Expert Group, etwa: Expertengruppe für hochauflösende Bilder) getauft wurde, ist nur noch so groß wie ein Pfennig, enthält aber dennoch rund zwei Millionen Transistoren. Eine amerikanische Konkurrenzentwicklung dagegen benötigt immer noch sieben Chips für die gleichen Aufgabe. Die Chemnitz-Berliner Gemeinschaftsentwicklung ist inzwischen marktreif, und Fujitsu hat mittlerweile die ersten Exemplare in Silizium gegossen. Jetzt wird der Chip - eingebaut in ein kleines Zusatzgerät, eine sogenannte Settop-Box - erstmals einem größeren Publikum vorgestellt: Vom 26. bis 28. Mai '98 im Berliner Congress Center auf der ECMAST '98, der 3. Europäischen Konferenz für Multimedia-Anwendungen, -Dienste und -Techniken. Der HiPEG-Decoder kann nicht nur mehr als 2,2 Millionen Bildpunkte (zum Vergleich: unser "normales" Fernsehen schafft gerade mal 415.000) verarbeiten - und das völlig flimmerfrei. Mit ihm läßt sich auch ein Bildausschnitt vergrößern oder etwa Michael Schumacher beim Überfahren der Ziellinie "superscharf" als Standbild einfrieren. Und natürlich arbeitet der Chip auch mit sämtlichen europäischen, amerikanischen und japanischen Fernsehnormen zusammen. Genutzt werden soll der Chip aber auch für elektronische Kinos. Dort wird dann ein Film nicht mehr traditionell von einer Spule aus vorgeführt, er gelangt vielmehr über Satellit direkt auf eine elektronische Leinwand. Daran ist vor allem die Filmindustrie interessiert, braucht sie doch so nicht mehr teure Zelluloid-Kopien herzustellen und von Kino zu Kino zu versenden.
Weitere Informationen: Technische Universität Chemnitz, Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik, Reichenhainer Str. 70, 09107 Chemnitz, Prof. Dr. Dietmar Müller, Tel. 0371/531-3195, Fax 0371/531-3193, e-mail: dietmar.mueller@infotech.tu-chemnitz.de
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