idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
06/27/2002 12:45

NATURE: RUB-Wissenschaftler lösen das Rätsel basischer Lösungen

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Die Übertragung von elektrischer Ladung in wässrigen Basen läuft anders ab, als Generationen von Wissenschaftlern bisher angenommen haben. RUB-Forscher fanden heraus, dass die einfachste Reaktion in Basen durch quantenmechanische Effekte beeinflusst wird. Zudem läuft sie nicht spiegelbildlich zu der in Säuren ab, so wie es seit fast 100 Jahren allgemein angenommen wurde. Über die Ergebnisse berichtet das Magazin NATURE in seiner heutigen Ausgabe.

    Bochum, 27.06.2002
    Nr. 184

    RUB-Wissenschaftler lösen das Rätsel basischer Lösungen
    Elementare Annahmen als irreführend entlarvt
    NATURE berichtet: Wie Reaktionen in Basen ablaufen

    Die Übertragung von elektrischer Ladung in wässrigen Basen läuft anders ab, als Generationen von Wissenschaftlern bisher angenommen haben. Das konnten nach mehrjähriger Zusammenarbeit Mark Tuckerman (New York University), Dominik Marx (Fakultät für Chemie der RUB) und Michele Parrinello (Swiss Center for Scientific Computing, ETH Zürich) mit einem selbstgeschriebenen Computerprogramm und einem Großrechner zeigen. Sie fanden heraus, dass die einfachste Reaktion in Basen durch quantenmechanische Effekte beeinflusst wird. Zudem läuft sie nicht spiegelbildlich zu der in Säuren ab, so wie es seit fast 100 Jahren allgemein angenommen wurde. Über die Ergebnisse berichtet das Magazin NATURE in seiner heutigen Ausgabe.

    Bisher unklar: Wie Basen genau funktionieren

    Zunutze machen sich die Menschen die Reaktionsbedingungen in basischen Lösungen schon lange, etwa für einen der ältesten großchemischen Prozesse: die Seifenherstellung. Auch für die Biochemie und die organische Synthese sind basische Bedingungen wesentlich. Wie genau basische Lösungen auf atomistischer Ebene beschaffen sind, war jedoch bisher unklar. Basen (pH-Wert >7) zeichnen sich gegenüber neutralen Lösungen durch einen Überschuss von OH- Ionen aus. Sie sind die natürlichen Gegenspieler des H+ Ions, von dem Säuren (pH-Wert <7) einen Überschuss enthalten. In neutralen Lösungen wie Wasser herrscht ein Gleichgewicht zwischen beiden Ionen (pH-Wert = 7).

    Ionen verschieben ihre Ladung über H-Brücken

    Chemische Reaktionen laufen i.d.R. in saurem und basischem Milieu ganz unterschiedlich ab. Seit langer Zeit ist bekannt, dass wässrige basische Lösungen elektrischen Strom extrem gut leiten, d.h. die überzähligen Ladungsträger OH- müssen eine sehr große Mobilität in Wasser besitzen. Die Wissenschaft weiß, dass nicht die OH- Ionen selbst wandern, sondern dass nur ihre Ladungen entlang von Wasserstoffbrückenbindungen verschoben werden. Dabei gingen die Forscher bisher davon aus, dass sich das OH- Ion spiegelbildlich analog zu dem besser untersuchten H+ Ion verhält.

    Nach den Berechnungen: Umdenken

    In Säuren befindet sich das H+ Ion oft zwischen zwei Wassermolekülen, schematisch [H2O...H...OH2 ]+. Es kann jedoch fast ohne Energieaufwand verschoben werden, wodurch ein H3O+ Molekül entsteht, das seinerseits über Wasserstoffbrücken von drei Wassermolekülen umgegeben ist, schematisch H3O+(H2O)3. Die Ladung wandert dabei gleich über mehrere Bindungslängen. Noch im Jahr 2000 erschien eine Arbeit, der die Annahme zugrunde lag, OH- und damit Basen verhielten sich genauso. Die analogen zwei Komplexe seien also [HO...H...OH]- und OH-(H2O)3. Die Forschergruppe um Prof. Marx entwickelte ein Computerprogramm, das sowohl die Elektronen als auch die Atomkerne quantenmechanisch beschreibt. Sein Einsatz auf einem Großrechner machte die althergebrachte Vorstellung anderer Forscher zunichte.

    Das Tunneln beschleunigt die Reaktion

    Es zeigte sich, dass das OH- Ion in Wasser nicht wie bisher angenommen von drei, sondern von vier Wassermolekülen umgeben ist (siehe Teilabbildung a). Dieses Phänomen bezeichnen die Wissenschaftler als "Hyperkoordination". Damit ein H leicht verschoben werden kann, muss dieser Komplex zuerst ein Wassermolekül verlieren (siehe b und c), was ein relativ langsamer Schritt ist. Nach dieser "Aktivierung" kann ein [HO...H...OH]- Komplex entstehen (siehe d), welcher sich nun wieder in ein von vier Wassermolekülen umgebenes OH- Ion umwandelt (siehe e und f). Nach diesen Umlagerungen ist der OH- Defekt um eine Wasserstoffbrückenlänge gewandert (vgl. f mit a). Dieser Komplex existiert in Basen allerdings nur als sog. "Übergangskomplex" und ist damit nicht stabil wie im sauren Milieu. Die Forscher konnten schließlich zeigen, dass quantenmechanische Effekte, insbesondere das Tunneln eines Protons, die Umwandlung von OH-(H2O)3 merklich beschleunigen; dieser Effekt ist bei Säuren völlig vernachlässigbar. Ihr Fazit: das OH- Ion in Wasser verhält sich nicht wie das Spiegelbild von H+, womit die bisherigen Lehrbuch-Vorstellungen von wässrigen Basen über Bord zu werfen sind.

    Titelaufnahme

    M.E. Tuckerman; D. Marx; M. Parrinello: "The nature and transport mechanism of hydrated hydroxide ions in aqueous solution" In: Nature (London), 27. Juni 2002.

    Weitere Informationen

    Prof. Dr. Dominik Marx, Lehrstuhl für Theoretische Chemie, Fakultät für Chemie der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-28083, Fax: 0234/32-14045, Email: dominik.marx@theochem.ruhr-uni-bochum.de, URL: http://www.theochem.ruhr-uni-bochum.de/ (s.u.)


    More information:

    http://www.theochem.ruhr-uni-bochum.de/


    Images

    Die im Text besprochene Sequenz zeigt die Wanderung eines OH- Defekts in Wasser, wobei nur die nächsten Wassermoleküle gezeigt werden. Die blauen Wolken charakterisieren die wichtigsten chemischen Bindungen.
    Die im Text besprochene Sequenz zeigt die Wanderung eines OH- Defekts in Wasser, wobei nur die nächs ...

    None


    Criteria of this press release:
    Biology, Chemistry
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Die im Text besprochene Sequenz zeigt die Wanderung eines OH- Defekts in Wasser, wobei nur die nächsten Wassermoleküle gezeigt werden. Die blauen Wolken charakterisieren die wichtigsten chemischen Bindungen.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).