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07/01/2002 16:59

Im Bann Asiens?

Kay Gropp Kommunikation und Marketing
Private Universität Witten/Herdecke gGmbH

    Sven Helmis und Prof. Dr. Dirk Schiereck vom Institute for Mergers & Acquisitions (IMA) der privaten Universität Witten/Herdecke haben eine brandaktuelle Studie über Börsenumsätze und die Fußball-WM vorgelegt.

    Seit sogar Bundeskanzler Gerhard Schröder am vergangenen Wochenende angesichts des überraschend erfolgreichen Abschneidens der deutschen Mannschaft bei der Fußball-WM in Japan und Korea an die deutschen Unternehmen appelliert hat, ihren Mitarbeiter für die Spiele der deutschen Elf "fußballfrei" zu geben, wird heiß diskutiert, welche Priorität der "schönsten Nebensache der Welt" innerhalb der deutschen Wirtschaft eingeräumt werden soll. Betrachtet man die Zuschauerzahlen der jeweiligen Spiele, von denen allein vier wochentags inmitten der Arbeitszeit um 13.30 Uhr MESZ angepfiffen wurden, scheint diese Frage bereits geklärt: Das Halbfinalspiel Deutschland-Südkorea sahen bis zu 20 Mio. Zuschauer, von denen der kleinere Teil Schüler, Studenten, Hausfrauen und Rentner gewesen sein dürften. So versammelten sich in der Kantine der SAP AG in Walldorf viele hundert Menschen, um gemeinsam der deutschen Mannschaft die Daumen zu drücken. In vielen anderen deutschen Unternehmen sah es nicht anders aus.
    Angesichts dieser Beobachtungen beschäftigt Ökonomen die interessante Frage, welche Auswirkungen die resultierenden vorübergehenden Produktionsausfälle auf die deutsche Volkswirtschaft haben. Grobe Schätzungen gehen davon aus, dass hier BIP-Rückgänge in Höhe von mittlerweile mehreren Mrd. Euro zu verzeichnen sind. Bislang liegen diesbezüglich für Deutschland noch keine eingehenden Untersuchungen vor. Schwedische Wissenschaftler allerdings haben ermittelt, dass in ihrem Land die Arbeitsausfälle während der Spiele der schwedischen Nationalmannschaft volkswirtschaftliche Kosten von 330 Mio. Euro, das entspricht etwa 0,15% des schwedischen BIP des Jahres 2001, verursacht haben.
    Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die spannende Frage, welche Auswirkungen die Fußballbegeisterung der werktätigen Deutschen auf die Handelsaktivitäten an den deutschen Wertpapierbörsen hat, sind doch die Kapitalmärkte stets ein wichtiger - und äußerst sensibler - Gradmesser für die gesamte Wirtschaft. Die nachfolgende Analyse blickt zurück auf die vergangenen Wochen und untersucht insbesondere, wie sich die Spiele der deutschen Nationalmannschaft auf das Handelsvolumen in den 30 wichtigsten börsennotierten Aktiengesellschaften, zusammengefasst im Deutschen Aktienindex DAX, an der Frankfurter Wertpapierbörse ausgewirkt haben.
    Um die Folgen der verminderten Arbeitsbereitschaft deutscher Wertpapierhändler und des vermutlich reduzierten Interesses privater und institutioneller Anleger während der Spielübertragungen auf die Handelsaktivität in den DAX-Werten zu messen, wurden zwei unterschiedliche Kennzahlen betrachtet. Zum einen wurde ermittelt, welcher Anteil am gesamten Handelsvolumen der entsprechenden Tage in der Zeit von 13.30-15.30 Uhr erzielt wurde, um diesen anschließend mit dem durchschnittlichen Anteil an den übrigen Börsentagen im Juni zu vergleichen. Zum anderen wurde gemessen, wie sich der Umsatz in der Zeit von 13.30 -14.00 Uhr im Vergleich zu der vorhergehenden halben Stunde veränderte, um etwaige unmittelbare Effekte des Spielbeginns zu bestimmen. Für die Analyse wurden jeweils die Xetra-Tagesumsätze in den DAX-Werten herangezogen. Bei den Handelstagen, an denen ein Spiel der deutschen Elf stattfand, handelte es sich um den 5., den 11., den 21. und den 25. Juni, wobei der 21. Juni für die Analyse unbrauchbar ist, da dieser Tag der Verfallstermin der an der Eurex gehandelten Futures und Optionen auf den DAX und dessen Einzelwerte - der so genannte "Hexensabbath" - war und an einem solchen Tag die Intraday-Umsätze sich wegen der Mittags- und der Schlussauktion völlig atypisch verteilen. Als Vergleichstage dienten die Handelstage im Zeitraum vom 3. bis zum 27. Juni.
    Um die beruhigende Erkenntnis der Analyse vorweg zu nehmen: Es waren keine drastischen Umsatzeinbußen an der Frankfurter Börse in Folge der WM-Übertragungen zu verzeichnen. Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes war also offensichtlich durch die in Deutschland weithin zu verzeichnenden Arbeits- und Produktionsausfälle nicht eingeschränkt. An den Spieltagen wurde in der Zeit von 13.30-15.30 Uhr ein Anteil von jeweils 12,1 bis 13,7% des gesamten Tagesumsatzes erzielt. Der Durchschnitt aller betrachteten Handelstage im Juni lag nur leicht darüber bei 14,6%, wobei an mehreren Tage noch deutlich niedrigere prozentuale Anteile des betrachteten Mittagszeitraum zu verzeichnen waren als an den drei Spieltagen. Es war also offensichtlich in den besagten zwei Stunden jeweils keine außergewöhnlich geringe Handelsaktivität zu beobachten. Auch die Veränderung des Umsatzvolumens ab dem Beginn der Spiele um jeweils 13.30 Uhr im Vergleich zu der vorhergehenden halben Handelsstunde deutet nicht auf einen systematischen Rückgang der Aktivität hin. So betrug die beobachtete Veränderung durchschnittlich an allen betrachteten Handelstagen -12,5%, an den Tagen mit deutschem WM-Spiel jeweils +23,5% (5. Juni), -40,7% (11. Juni) und +14,7% (25. Juni). Hier steht dem am 11. Juni, an dem das letzte Vorrundenspiel der deutschen Mannschaft gegen Kamerun stattfand, zu verzeichnenden starken Umsatzrückgang ein Umsatzanstieg an den beiden anderen Spieltagen gegenüber. Unter den zahlreichen Faktoren, die die Handelsaktivität in unterschiedlicher Weise beeinflussen, spielt also ein WM-Spiel der deutschen Elf offensichtlich keine dominante Rolle.
    Nun könnte man argumentieren, dass es sich bei den betrachteten Zahlen um die im elektronischen Handelssystem Xetra verzeichneten Umsätze handelt, die vermutlich weit weniger von menschlicher Arbeitsleistung abhängig sind als die auf dem Börsenparkett von den Händlern unmittelbar erzielten Umsätze. Dem kann zu einen entgegengehalten werden, dass die Parkettumsätze in den DAX-Werten vergleichsweise unbedeutend sind: sie betragen im Durchschnitt weniger als ein Zehntel der Xetra-Umsätze. Zum anderen haben von uns in Einzelaktien durchgeführte Stichproben ergeben, dass auch die Parkettumsätze nicht signifikant im besagten Zeitraum zurückgegangen sind, so dass das Ergebnis offensichtlich als für den gesamten Frankfurter Börsenhandel gültig betrachtet werden kann. Dieses Ergebnis sollte uns angesichts der von manchem pessimistischen Volkswirt geäußerten Prognose, der Enthusiasmus der werkstätigen Bevölkerung füge der deutschen Wirtschaft erheblichen Schaden zu, beruhigen. In diesem Sinne können die Deutschen der in vier Jahren in Deutschland stattfindenden Fußball-WM wohl ohne schlechtes Gewissen entgegen fiebern.

    Kontakt: Sven Helmis, Tel: 02302/926-530


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    Criteria of this press release:
    Economics / business administration
    transregional, national
    Research results
    German


     

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