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07/05/2002 12:26

Wählermodell sieht Rot-Grün vorne - Neues Prognoseverfahren für Bundestagswahlen

Achim Fischer Abteilung Kommunikation
Universität Mannheim

    Deutsch-Amerikanisches Forscherteam errechnet 47,9 Prozent für Rot-Grün / Meinungsforschungsinstitute sehen Regierungskoalition bislang nur bei maximal 43 Prozent / Popularität des Bundeskanzlers entscheidend

    Entgegen aller vorherrschenden Aussagen der Meinungsforschungsinstitute prognostiziert ein Forscherteam von Politikwissenschaftlern der State University New York in Stony Brook und der Universität Mannheim, dass die rot-grüne Koalition bei der kommenden Bundestagswahl erneut stärkste Kraft im Bundestag wird. Das neu entwickelte Prognosemodell, das ausschließlich das Abschneiden von Regierungsparteien bestimmt, ist in bisherigen Tests im Durchschnitt nur um 1,5 Prozentpunkte von den amtlichen Endergebnissen abgewichen. Das Verfahren berücksichtigt systematisch auch mittel- und langfristige Faktoren der Wahlentscheidung. Als einziger kurzfristiger Faktor, der sich bis Ende Juli noch ändern kann, geht die Popularität des amtierenden Bundeskanzlers in die Berechnung ein.

    Die Regierungskoalition wird nach der Modellprognose der Wissenschaftler am 22. September auf 47,9 Prozent der Zweitstimmen kommen. Das würde für einen Sieg über CDU/CSU und FDP reichen, solange PDS und alle sonstigen Parteien zusammen mehr als 5 Prozent erhalten, was ihnen in den vergangenen drei Bundestagswahlen mit einem Schnitt von 9 Prozent klar gelungen ist. Bei einem solchen Anteil könnten CDU/CSU und FDP nur mit maximal 43,1 Prozent der Zweitstimmen rechnen. Ungewiss bleibt jedoch, ob ein Stimmenanteil von 47,9 Prozent der rot-grünen Regierungskoalition eine absolute Mehrheit im nächsten Bundestag sichert. Dies wird vom Abschneiden der PDS und dem Zweitstimmenanteil der sonstigen Parteien abhängen, die nicht in den Bundestag kommen.

    Die Meinungsforschungsinstitute dagegen sehen auf Grundlage ihrer umfragegestützten Prognosen die rot-grüne Koalition derzeit abgeschlagen mit 40,3 Prozent (Allensbach) bis maximal 43 Prozent (Forschungsgruppe Wahlen). Diese Institute sagen stattdessen einer CDU/CSU-FDP Koalition mit einem Zweitstimmenanteil zwischen 48 Prozent (Forschungsgruppe Wahlen) und 51,4 Prozent (Allensbach) eine klare Mehrheit voraus.

    Die Prognose des Forscherteams aus Stony Brook (Prof. Dr. Helmut Norpoth) und Mannheim (Dr. Thomas Gschwend) beruht auf einem Modell, das sich Erkenntnisse der Wahlforschung zunutzen macht. Dementsprechend berücksichtigt die Modellprognose neben kurzfristigen auch lang- und mittelfristige Bestimmungsfaktoren der Wahlentscheidung, die nicht nur durch Umfragen erfasst werden. Das wahlstatistische Modell, das diese Prognose liefert, beruht demnach auf drei Faktoren. Das sind erstens der langfristige, d.h. von Wahl zu Wahl relativ stabile, Wählerrückhalt der Regierungsparteien, zweitens, die Popularität des amtierenden Bundeskanzlers - gemessen jeweils zwei Monate vor einer Bundestagswahl -, und drittens, der mittelfristig wirksame Prozess der Abnutzung von Regierungskoalitionen im Amt - gemessen durch die Zahl der Amtsperioden der Regierung. Mit diesen drei Elementen des Modells bestimmen die Wissenschaftler den Stimmenanteil der amtierenden Regierungsparteien am 22. September mit folgender Gewichtung, die mit Hilfe statistischer Analysen der Bundestagswahlen von 1953 bis 1998 ermittelt worden ist:

    STIM = - 6,55 + 0,76 x (PAR) + 0,39 x (KAN) - 1,50 x (AMT)
    STIM: Stimmenanteil der amtierenden Regierungsparteien
    PAR: Langfristiger Wählerrückhalt der Regierungsparteien (Mittel der Stimmenanteile in den letzten drei Bundestagswahlen)
    KAN: Kanzlerunterstützung (unter Ausschluß von Unentschlossenen)
    AMT: Amtsperiode der Regierung (Anzahl)

    Mit dieser Modellgleichung lassen sich die Ergebnisse von Bundestagswahlen äußerst genau bestimmen: So wichen die tatsächlichen Stimmenanteile der Regierungsparteien (1953-1998) bislang im Schnitt nur um 1,5 Prozentpunkte von den Modellschätzungen ab, und auch in Bezug auf Sieg oder Niederlage irrte sich die Modellstatistik kein einziges Mal.

    Die Berechnung der Prognose für 2002 stützt sich hinsichtlich des längerfristigen Wählerrückhalts, den SPD und Grüne bei den Wählern langfristig genießen, auf den Wert von 43,3%. Dies entspricht dem Durchschnitt der Stimmenanteile, die Rot-Grün in den letzten drei Bundestagswahlen gewinnen konnte. Hinzu kommt zur Berechnung ein Sympathiewert von 59% für Bundeskanzler Schröder auf Basis der jüngsten Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen (Anteil der Befragten, die sich Schröder als Bundeskanzler wünschen, unter Ausschluss der Unentschlossenen; zweite Juni-Umfrage). Nach bislang nur einer Amtsperiode der rot-grünen Regierung, hat die Amtsvariable folglich den Wert eins. Von den drei Berechnungsfaktoren kann sich bis zur Bundestagswahl im September nur noch die Kanzlerunterstützung verändern. Steigt (bwz. sinkt) sie, dann steigt (bzw. sinkt) auch die Modellprognose für Rot-Grün. Die endgültige Prognose des Modells beruht auf dem Stand der Kanzlerunterstützung im Juli 2002 - zwei Monate vor der Bundestagswahl.

    Das Modellverfahren wurde von Prof. Dr. Helmut Norpoth, State University of New York in Stony Brook, und Dr. Thomas Gschwend, Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES), entwickelt. Die State University of New York in Stony Brook gehört zu den führenden politikwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen in den USA, insbesondere im Bereich der Wahl- und Einstellungsforschung. Das MZES gehört international zu den Top Einrichtungen im Bereich sozial- und politikwissenschaftlicher Europa-Forschung. Alle Projekte des 1989 gegründeten Instituts zeichnen sich ebenso wie das wahlstatistische Modell durch ihren Anwendungsbezug und ihre gesellschaftspolitische Relevanz aus. Das MZES ist das größte Forschungsinstitut der Universität Mannheim, die bundesweit zu den führenden Hochschulen im Bereich der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zählt.

    Weitere Informationen:
    Dr. Thomas Gschwend
    Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) Universität Mannheim
    68131 Mannheim
    0621.181.2809 (voice)
    0621.181.2845 (fax)
    Thomas.Gschwend@mzes.uni-mannheim.de
    http://www.sowi.uni-mannheim.de/lehrstuehle/lspol1/gschwend.htm

    Prof. Dr. Helmut Norpoth
    Department of Political Science
    State University of New York at Stony Brook
    Stony Brook, NY 11790
    001.631.632.7640 (voice)
    001.631.632.4116 (fax)
    Helmut.Norpoth@sunysb.edu
    http://www.sunysb.edu/polsci/

    Thomas Gschwend und Helmut Norpoth, "Wenn am nächsten Sonntag ...: Ein Prognosemodell für Bundestagswahlen," in Wahlen und Wähler: Analysen aus Anlass der Bundestagswahl 1998, Max Kaase und Hans-Dieter Klingemann [Hg.], Opladen: Westdeutscher Verlag, 2001, 471-500.

    Aktuelle Wahlprognosen der Meinungsforschungsinstitute: www.wahlrecht.de/umfragen/index.htm


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    Criteria of this press release:
    Law, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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