Expertentagung der Bertelsmann Stiftung: Informationsaustausch der deutschen Sicherheitsdienste unzureichend - "Sicherheitsberater für die Bundesregierung" gefordert
Berlin/Gütersloh, 8. Juli 2002. Die deutschen Sicherheitsbehörden sind auf die Herausforderungen und Gefahren, die vom neuen internationalen Terrorismus ausgehen, nicht genügend vorbereitet. Wegen der föderalen Struktur und Kommunikationsdefiziten zwischen Polizei- und Geheimdiensten sei ein ausreichender Schutz der Bevölkerung gegen den islamistischen Terror nicht erreichbar. Dies ist das Fazit eines Gutachtens, das der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Eckart Werthebach, im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erarbeitet hat.
Bei einer Sicherheitsexpertentagung der Bertelsmann Stiftung in Berlin erläuterte Werthebach, dass es sowohl zwischen den einzelnen Nachrichtendiensten und polizeilichen Staatsschutzeinrichtungen, aber auch innerhalb dieser Institutionen erhebliche vertikale und horizontale Übermittlungsdefizite gebe. Das Ergebnis seien Auswertungsfehler und unvollständige Lagebilder, die polizeiliche Ermittlungsansätze verhinderten. Als Beispiel nannte Werthebach die föderale Struktur der Verfassungsschutzbehörden, die ebenso wie das Bundeskriminalamt auf jeweils 17 Bundes- und Landesbehörden aufgeteilt sind. Einzelne Erkenntnisse dieser Dienststellen würden häufig lediglich als schlichte Verdachtsfälle behandelt, die Erkenntnisse nicht ausgetauscht oder zentral ausgewertet und somit die Gefahren nicht erkannt. Die Defizite in der Informationssammlung und Auswertung würden verschärft durch fehlenden Datenabgleich mit dem Bundeskriminalamt, dem Bundesgrenzschutz (BGS), dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) oder Zollkriminalamt (ZKA).
Als Konsequenz forderte Werthebach die Schaffung eines Sicherheitsberaters der Bundesregierung und der Einrichtung einer zentralen Datenbank für "Islamistischen Terrorismus". Dieser Sicherheitsberater sollte direkt dem Chef des Bundeskanzleramtes oder Bundesinnenminister unterstellt sein und die Aufklärungsarbeit von Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und BKA koordinieren. In die gemeinsame Datenbank sollten MAD, BGS und ZKA "anlassunabhängig" ihre Erkenntnisse einspeisen. Die Anzahl der Landesverfassungsschutzbehörden und Landeskriminalämter sollte darüber hinaus auf höchstens sieben zurückgeführt werden. Die Schaffung einer deutschen "Heimatschutzbehörde" nach amerikanischem Vorbild (Departement of Homeland Security), wie sie US-Präsident Bush kürzlich angeordnet hatte, lehnte Werthebach dagegen ab. Der Forderung Werthebachs schlossen sich bei der Expertentagung der Bertelsmann Stiftung unter anderem auch Generalbundesanwalt Kay Nehm sowie der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, an.
Der Expertenkreis der Bertelsmann Stiftung ist Bestandteil einer Task Force "Zukunft der Sicherheit", die kurz nach dem 11. September ins Leben gerufen wurde. Unter Leitung von Prof. Werner Weidenfeld soll sie eine Schwachstellenanalyse der gegenwärtigen Sicherheitsstrukturen vornehmen und einen Katalog von Empfehlungen für die Abwehr weiterer Terroranschläge erarbeiten.
Rückfragen an: Stefani Weiss, Telefon: 0 52 41 / 81-81 317
http://www.bertelsmann-stiftung.de
Criteria of this press release:
Law, Politics
transregional, national
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