Einen Überblick über die Geschichte der menschlichen Zeitrechnung bietet das neue Buch "Der Kalender. Aspekte einer Geschichte", das Prof. Wilhelm Geerlings herausgegeben hat. Experten unterschiedlicher Fachgebiete beleuchten den Kalender von seinen astronomischen Grundlagen über die Zeitordnung der alten Ägypter, Griechen und Römer, den jüdisch-christlichen Kalender, die Berechnung der Geburt Jesu bis hin zu Endzeitberechnungen in der syrischen Kirche.
Bochum, 08.07.2002
Nr. 192
Sonne, Mond, Atome und Würmer ordnen die Zeit
Die Geschichte des Kalenders von der Antike bis zur Atomuhr
RUB-Veröffentlichung zur interdisziplinären Ringvorlesung
Der Wunsch, Ordnung in die Zeit zu bringen, existiert seit Menschengedenken. Einen Überblick über die Geschichte der menschlichen Zeitrechnung bietet das neue Buch "Der Kalender. Aspekte einer Geschichte", das Prof. Wilhelm Geerlings (Katholisch-Theologische Fakultät) herausgegeben hat. Experten unterschiedlicher Fachgebiete beleuchten den Kalender von seinen astronomischen Grundlagen über die Zeitordnung der alten Ägypter, Griechen und Römer, den jüdisch-christlichen Kalender, die Berechnung der Geburt Jesu bis hin zu Endzeitberechnungen in der syrischen Kirche.
Würmer kalkulieren Schaltjahre ein
Was ist Zeit überhaupt, und wie lässt sie sich messen?, lautet eine der ersten Fragen des Bandes. Bei der Ordnung der Zeit haben sich die Menschen zunächst auf ihre Naturbeobachtungen gestützt. Die kleinste sichtbare Einheit der Zeit war demnach der Wechsel zwischen Tag und Nacht, gefolgt von der Einheit der Mondphasen. Der größte Zeitabschnitt war das Jahr, gekennzeichnet durch den Wechsel der Jahreszeiten. Um die Zeit in noch kleinere Stücken zu zerteilen und genauer zu messen, ließ man sich z. B. eine Wassertropfenuhr einfallen, später dann Pendeluhren. Ihren Lauf glich man mit der Erdrotation ab. Die stellte sich aber im 19. Jahrhundert als gar nicht so genau heraus wie man angenommen hatte. Erst 1976 einigte man sich auf die Atomuhr als verbindlichen Zeitgeber. Eine Herausforderung stellte schon in der Antike die Abstimmung von rein sonnen- und rein mondgestützten Kalendern dar, denn dabei gibt es die Schaltjahre zu bedenken. Was für die Menschen so kompliziert war, hat ein Wurm übrigens geschafft: Ohne Berechnungen und trotzdem taggenau richtet der Palolowurm sein Schwärmen nach Sonne und Mond.
Der Schönheitsfehler des christlichen Kalenders
Einen kleinen Schönheitsfehler hat der christliche Kalender: Ihm zufolge beginnt die Zeitrechnung mit der Geburt Christi. Dieser Zeitpunkt lässt sich aber unmöglich genau bestimmen, weil sich die Quellen widersprechen. Die einen behaupten, Jesus sei zu Lebzeiten des Herodes geboren. Die anderen sagen, er sei unter der Regentschaft des Quirinus geboren. Herodes aber ist schon 4 v. Chr. gestorben, die Amtszeit des Quirinus begann erst 6 n. Chr. Es ergibt sich eine Lücke von zehn Jahren. Andere Berechnungen stützen sich auf die Erscheinung des Sterns von Bethlehem. Dabei könnte es sich um eine Konstellation von Saturn und Jupiter handeln, die aber über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren sichtbar war. Um 6 v. Chr. könnte sich Mars dazugesellt haben. Chinesische Astronomen haben ermittelt, dass auch ein Komet als Stern von Bethlehem in Frage kommen könnte. Er muss zweimal, nämlich 5 v. Chr. und 4 nach Chr. zu sehen gewesen sein. Wann genau Jesus geboren ist, ist also nicht mehr auszumachen. Sehr wahrscheinlich aber ist, dass er spätestens 4 v. Chr. nach unserer Zeitrechnung das Licht der Welt erblickt hat.
Titelaufnahme
Geerlings, Wilhelm (Hg.): Der Kalender. Aspekte einer Geschichte. Paderborn, Schöningh 2002, ISBN 3-506-73112-2
Weitere Informationen
Prof. Dr. Wilhelm Geerlings, Katholisch-Theologische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-24703, E-Mail: wilhelm.geerlings@ruhr-uni-bochum.de
Criteria of this press release:
History / archaeology, Philosophy / ethics, Religion, Social studies
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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