Meeresfische werden in einen lebensbedrohlichen Cocktail aus Bakterien geboren, ohne dass ihr Immunsystem voll ausgebildet ist. Antikörper, die von der Mutter über die Eier weitergegeben werden, helfen den Jungtieren, die kritischen ersten Lebenswochen zu überstehen. Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel haben nun gezeigt, dass bei bestimmten Arten nicht nur die Mütter, sondern auch die Väter das Immunsystem ihrer Nachkommen stärken können. Ihre Studie „Male pregnancy and bi-parental immune priming“ erscheint in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachmagazins „The American Naturalist“.
„Bisher wurden bei Wirbeltieren nur Effekte mütterlicherseits auf das Immunsystem der Nachkommen gefunden“, erklärt Erst-Autorin Dr. Olivia Roth, Evolutionsbiologin am GEOMAR. „Bei der Grasnadel, einer mit den Seepferdchen verwandten Fischart, brüten die Männchen die Embryonen in einer Bruttasche aus. Das scheint ihnen die Möglichkeit zu geben, Immunantworten an ihre Nachkommen weiterzugeben. Bestimmte Teile dieses Systems werden sogar allein durch die Väter gestärkt wenn diese zuvor Krankheitserregern ausgesetzt waren.“ Prof. Dr. Thorsten Reusch, Leiter der GEOMAR-Forschungseinheit Evolutionsbiologie Mariner Fische ergänzt: „Bei Wirbeltieren scheint dies bisher ein einzigartiges Phänomen zu sein. Es könnte interessante Auswirkungen auf die Evolution von Immunsystemen haben.“
Aus Sicht der Kieler Wissenschaftler deuten die Ergebnisse außerdem darauf hin, dass eine der Plazenta ähnliche Struktur in der Bruttasche der männlichen Grasnadeln für den Transfer der Immunantwort verantwortlich sein könnte. „Die Embryonen sind in der Bruttasche ähnlich mit dem Vater verbunden wie Babys über den Mutterkuchen mit der Mutter. Es ist spannend, dass die Evolution bei Menschen und bei Fischen völlig unabhängig voneinander sich ähnelnde Lösungen hervorgebracht hat, mit denen die Eltern zum Immunsystem der Nachkommen beitragen“, erläutert Dr. Roth.
Für Ihre Studie beobachteten die Wissenschaftler in Aquarien 18 Familien der Grasnadel Syngnathus typhle. Die Elterntiere wurden zuvor unter unterschiedlichen Bedingungen gehältert: Bei einigen Paaren waren beide Partner vor der Brutphase geimpft, um die Immunantwort anzuregen, bei anderen nur die Väter oder nur die Mütter. Einige Paare wurden nicht behandelt. Nach fünf Wochen und nach vier Monaten wurde untersucht, wie die Nachkommen der unterschiedlichen Paare auf Bakterien reagierten. Analysen zeigten: Alle Nachkommen der Paare, bei denen Väter, Mütter oder beide Partner Bakterien ausgesetzt waren, zeigten phänotypische Veränderungen. „Für spezielle Reaktionen des Immunsystems war der Vater allein ausschlaggebend, andere Funktionen wurden durch die Stimulation durch das Zusammenwirken von Vater und Mutter gesteigert“, fasst Dr. Roth ihre Beobachtungen zusammen.
„Durch die Untersuchung einer isolierten Art unter kontrollierten Laborbedingungen konnten wir demonstrieren, dass auch Männchen in der Lage sind, bei ihren Nachkommen eine Immunantwort zu erzeugen und sogar zu steigern“, unterstreicht Prof. Reusch. Weitere Experimente sollen nun zeigen, inwieweit dieses Ergebnis übertragbar ist. Dr. Roth: „Denkbar ist zum Beispiel, dass die Väter auch bei anderen Arten eine Rolle spielen können, bei denen die Männchen für die Brutpflege zuständig sind. Bei einigen Buntbarschen brüten sie die Eier sogar im Maul aus.“
Originalarbeit
Roth O., V. Klein, A. Beemelmanns, J.P. Scharsack, T.B.H. Reusch (2012): Male pregnancy and bi-parental immune priming. The American Naturalist, doi: 10.1086/668081
Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Environment / ecology, Oceanology / climate
transregional, national
Research results
German
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