Berlin – Die Krebsgeschwulst abtöten und gestreute, „unsichtbare“ Krebszellen vernichten: Kombinierte Strahlen- und Chemotherapie gegen Krebs erweist sich zunehmend als erfolgreich. Immer häufiger wenden Ärzte deshalb beide Behandlungen gleichzeitig beziehungsweise in engem zeitlichen Zusammenhang an. Diese simultane Radiochemotherapie verbessert nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) nicht nur die Therapieergebnisse, sie verkürzt auch die Behandlungsdauer für die Patienten.
Lange Zeit wurden Bestrahlungen meist im Anschluss an die Chemotherapie durchgeführt. „Die Krebsbehandlung zieht sich dann häufig über sechs Monate oder länger hin“, sagt Professor Dr. med. Rainer Fietkau, Direktor der Strahlenklinik am Universitätsklinikum Erlangen. Eine simultane Radiochemotherapie sei dagegen häufig schon nach sechs bis acht Wochen abgeschlossen. Da beide Therapien die Lebensqualität der Patienten beeinflussen, sei diese verkürzte Dauer ein großer Vorteil. Für Patienten mit längerem Anreiseweg zur Klinik bedeutet es beispielsweise weniger Aufwand und Belastung durch weniger Termine. Auch aus medizinischer Sicht sei die Kombination sinnvoll. Professor Fietkau nennt mehrere Vor¬teile: Dazu gehöre die „räumliche Kooperation“, bei der die Strahlentherapie den Tumor direkt bekämpft, während die Chemotherapie an den entfernten Orten im Körper die Metas¬tasen abtöte. Hinzu komme eine gegenseitige „Verstärkung der Tumorantwort“: Die Zytos¬tatika, also die Substanzen, die die Zellteilung der Krebszellen stoppen, unterstützten die Radiotherapie. Umgekehrt verbessere auch die Bestrahlung die Wirkung der Zytostatika. Darüber hinaus gibt es laut Professor Fietkau eine „biologische Kooperation“. „Beide Thera¬pien greifen unterschiedliche Zellen des Tumors an. So erreichen viele Zytostatika den Tumor bevorzugt in Abschnitten mit schlechter Sauerstoffversorgung, wo die Strahlentherapie we¬niger gut wirke“. Ein weiterer Vorteil ist die „temporale Modifikation“: Die Chemotherapie verhindere, dass die Krebszellen die durch die Bestrahlung ausgelösten „Schäden“ am Tumor reparieren. Mit neuen Medikamenten können die Ärzte zudem gesunde Zellen vor der Radio¬chemotherapie schützen.
Die Wirkung der simultanen Radiochemotherapie konnte in den letzten Jahren gleich bei mehreren Krebsarten durch Studien belegt werden. Als Einsatzgebiete nennt DEGRO-Präsident Professor Dr. med. Jürgen Dunst, Direktor der Klinik für Strahlentherapie am Uni¬versitätsklinikum in Lübeck, bösartige Hirntumore, Kopf-Hals-Tumore sowie Krebserkran¬kungen in Speiseröhre, Magen, Dickdarm, Mastdarm, Lunge und am Gebärmutterhals. Bei allen Krebserkrankungen verlängere die simultane Radiochemotherapie die Überlebenszeiten der Patienten gegenüber einer alleinigen Radio- oder Chemotherapie. „Die simultane Kombi¬nation beider Verfahren ist auch besser als aufeinander folgende, sogenannte sequentielle Therapieverfahren. Dabei ist aber die Koordinierung zwischen Radio- und Chemotherapie außerordentlich wichtig, vor allem wenn die Therapie nicht in einer Hand liegt“, betont Professor Dunst.
Um die Wirkung der Bestrahlung zu optimieren, greifen die Ärzte gezielt auf bestimmte Zytostatika mit strahlensensibilisierender Wirkung zurück. Darunter sind ältere Zellgifte wie 5-Fluoruracil oder Cisplatin oder neue Wirkstoffe wie Temozolomid. Experten forschen au¬ßerdem an zielgerichteten Krebsmedikamenten. Ob sie die Radiochemotherapie weiter ver¬bessern können, wird derzeit in Studien untersucht. „Der Nutzen einer neuen Therapie lässt sich in der Krebstherapie selten vorhersagen“, erläutert Professor Dunst: „Häufig dauert es zwei, fünf oder auch zehn Jahre, bis wir eine Verbesserung der Überlebenszeiten erkennen können.“ Das gelte nicht nur für die Chemotherapie, sondern auch für die Radiotherapie.
Zur Strahlentherapie:
Die Strahlentherapie ist eine lokale, nicht-invasive, hochpräzise Behandlungsmethode mit hohen Sicherheitsstandards und regelmäßigen Qualitätskontrollen. Bildgebende Verfahren wie die Computer- oder Magnetresonanztomografie ermöglichen eine exakte Ortung des Krankheitsherdes, sodass die Radioonkologen die Strahlen dann zielgenau auf das zu bestrahlende Gewebe lenken können. Umliegendes Gewebe bleibt weitestgehend verschont.
Literatur:
R. Fietkau R.; Simultane Radiochemotherapie zur Behandlung solider Tumoren. Strahlentherapie und Onkologie 2012/S3: 263–271
Kontakt für Journalisten:
Dagmar Arnold
Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V.
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