Die jüngsten Tarifabschlüsse befinden sich nach Ansicht des DIW Berlin insgesamt auf einem stabilitätsgerechten Pfad und sind somit angemessen. In seinem aktuellen Wochenbericht 30/2002 stellt das Berliner Institut einen "stabilitätsgerechten Richtwert" vor, der von Gewerkschaften und Arbeitgebern als Orientierungsgröße bei der Beurteilung der Lohnentwicklung genutzt werden kann. Dieser Richtwert, der als langfristig gültige Größe berechnet wurde, beträgt in Deutschland 3,8 % auf Jahresbasis. Ihm kann der Anstieg der gesamten Lohnkosten (auf Stundenbasis) - einschließlich der Lohnnebenkosten - gegenübergestellt werden. Dieser wird in diesem Jahr voraussichtlich 3,0 bis 3,2 % betragen.
Der stabilitätsorientierte Richtwert wird vom DIW Berlin als Summe aus Zielinflation und Veränderung der Trendarbeitsproduktivität definiert. Bei der Preissteigerung legt das Institut nicht die tatsächlichen Veränderungsraten zugrunde, sondern eine Rate, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) als Ausdruck von Preisstabilität gewertet wird. Für die Berechnung des Richtwerts hat das DIW Berlin ein Inflationsziel von 1,5 % gewählt, das sich aus dem Referenzwert der EZB für das Geldmengenwachstum ergibt. Die Produktivität (reale Bruttowertschöpfung dividiert durch das geleistete Arbeitsvolumen der Erwerbstätigen) wird an der Zahl der geleisteten Erwerbstätigenstunden gemessen, um Teilzeiteffekte zu berücksichtigen.
Eine sektorale Differenzierung ist hierbei durchaus möglich. Jede Branche sollte einen sektoralen Richtwert ermitteln. Branchen, die überdurchschnittlich produktiv sind, können überdurchschnittliche Löhne zahlen. Allerdings muss der öffentliche Dienst gesondert beurteilt werden. Rechnerisch gilt er dann als besonders produktiv, wenn die Angestellten und Beamten hoch entlohnt werden. Die tarifliche Diskussion in diesem Bereich muss sich somit behelfsweise am gesamtwirtschaftlichen Ergebnis orientieren.
Der stabilitätsorientierte Richtwert wurde Anfang der 90er Jahre im Gefolge der Vereinigung stark überzogen. In den folgenden Jahren wurde diese Entwicklung im Zuge der Rezession korrigiert, und die Lohnerhöhungen blieben deutlich unter dem Richtwert. Seit 1997 besteht eine Tendenz, sich dem Richtwert mehr und mehr anzunähern. Mit den aktuellen Tarifabschlüssen und den Erhöhungen der Lohnnebenkosten in diesem Jahr nähern sich die Arbeitsentgelte nun dem Richtwert. Insgesamt können die aktuellen Lohnabschlüsse als stabilitätsgerecht bezeichnet werden.
Criteria of this press release:
Economics / business administration
transregional, national
Research results
German
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