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01/18/2013 09:36

Kleine Veränderung, große Wirkung – Halogenbindungen in der Medikamentenforschung

Dr. Peter Saueressig Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Heidelberger Institut für Theoretische Studien gGmbH

    Halogenbindungen werden seit einiger Zeit in der Kristall-Synthese, in der Werkstoffforschung und in der Nanotechnologie eingesetzt. Forscher am Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) und an der tschechischen Akademie der Wissenschaften in Prag haben nun ein neues Verfahren zur Anwendung von Halogenbindungen in der Medikamentenforschung entwickelt.

    Halogenchemie wird seit fast 70 Jahren von Medizinchemikern verwendet. Bisher wurden Halogene zur Optimierung sogenannter ADMET-Eigenschaften herangezogen. Die englische Abkürzung steht für Absorption (Aufnahme in die Blutbahn), Distribution (Verteilung im Organismus), Metabolism (Verstoffwechselung), Excretion (Ausscheidung) und Toxicity (Toxizität). Halogene verbessern die orale Aufnahme und erleichtern es potenziellen Medikamenten, biologische Barrieren zu passieren. Sie helfen, kleine hydrophobe Hohlräume in vielen Zielproteinen zu füllen, und verlängern die Wirkungsdauer des Arzneimittels. Kurz: Sie machen vielversprechende chemische Verbindungen zu potenziellen Medikamenten. Jedoch wurden Interaktionen, an denen Halogenatome beteiligt sind, in der vorklinischen Medikamentenentwicklung bisher weitgehend vernachlässigt.

    Forscher aus den Bereichen Quantenchemie und strukturbasierte Medikamentenentwicklung in Heidelberg und Prag haben nun ein neues Verfahren entwickelt, um Halogenverbindungen in der computergestützten medizinischen Chemie und für Anwendungen in der Medikamentenforschung zu nutzen. An der Studie unter der Leitung von Dr. Agnieszka Bronowska vom Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) waren Forscher der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik beteiligt. Die Ergebnisse wurden jetzt in Chemical Communication veröffentlicht.

    Die meisten Halogene (außer Fluor) haben einzigartige Eigenschaften, mit denen sie Interaktionen zwischen potenziellen Medikamenten und ihren Zielproteinen stabilisieren können. Diese Eigenschaften sind quantenchemischen Ursprungs: Sie beruhen auf der Anisotropie, also der Richtungsabhängigkeit der Ladungsverteilung um das Halogenatom, wenn es an ein Substrat bindet, das dem Atom Elektronen entzieht. Überraschenderweise haben Halogene trotz negativer Ladung Regionen, die weiterhin eine positive Ladung aufweisen (Abbildung 1, linke Seite). Diese Regionen werden als Sigma-Löcher bezeichnet und sind für den gerichteten und stabilisierenden Charakter von Halogenbindungen mit anderen elektronegativen Atomen wie Sauerstoff oder Stickstoff verantwortlich.
    Wenn Sigma-Löcher bei der Vorhersage der Struktur und der Energetik von Medikament-Proteinkomplexen nicht berücksichtigt werden, kann das zu Fehlern führen, die die Entwicklung eines Medikaments scheitern lassen.

    Beim neuen Verfahren werden die positiv geladenen Sigma-Löcher mit einem masselosen, geladenen Pseudo-Atom angenähert. Dieses wird als „explizites Sigma-Loch“ bezeichnet. Dadurch konnten Agnieszka Bronowska und ihre Kollegen einen quantenchemischen Effekt in schnellere (und viel ungenauere) computergestützte Analyseverfahren in der strukturbasierten Medikamentenentwicklung integrieren. „Wir haben fast einhundert Komplexe aus medizinisch relevanten Proteinen und halogenierten Molekülen getestet“, sagt die Forscherin. „Die Ergebnisse zeigten eine signifikante Verbesserung der Beschreibung solcher Komplexe nach der Einführung des expliziten Sigma-Lochs.“

    Das neue Verfahren wird bereits von Forschungsgruppen in Tschechien, Großbritannien und den USA eingesetzt, um neuartige Verbindungen zur Behandlung von chemotherapieresistenten Krebsarten, ansteckenden Krankheiten und Alzheimer zu entwickeln.

    Wissenschaftliche Publikation:
    Plugging the explicit sigma-holes in molecular docking. Michal Kolár, Pavel Hobza and Agnieszka K. Bronowska. Chemical Communications, 2013, 49 (10), 981 - 983.
    DOI: 10.1039/C2CC37584B
    http://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2013/cc/c2cc37584b

    Pressekontakt:
    Dr. Peter Saueressig
    Public Relations
    Heidelberg Institute for Theoretical Studies (HITS)
    Phone: +49-6221-533245
    Peter.saueressig@h-its.org
    www.h-its.org

    Wissenschaftlicher Kontakt:
    Dr. Agnieszka Bronowska
    Molecular Biomechanics Group (MBM)
    Heidelberg Institute for Theoretical Studies (HITS)
    Agnieszka.bronowska@h-its.org


    More information:

    http://www.h-its.org/deutsch/presse/pressemitteilungen.php?we_objectID=943 HITS Pressemitteilung
    http://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2013/cc/c2cc37584b Link zur wissenschaftlichen Publikation


    Images

    Linke Seite: Ladungsverteilung rund um das Brombenzolmolekül. Regionen mit negativem elektrostatischem Potenzial sind blau markiert, positiv geladene Regionen grau. Die graue Scheibe im Vordergrund markiert das Sigma-Loch. Rechte Seite: Überlagerung der vorhergesagten Bindungsstellen des K17-Inhibitors der Kaseinkinase 2 (PDB-Code 2OXY) mit expliziten Sigma-Löchern (rot) und ohne (blau) und Vergleich mit der Kristallstruktur (grau).
    Linke Seite: Ladungsverteilung rund um das Brombenzolmolekül. Regionen mit negativem elektrostatisch ...
    Bild: Agnieszka Bronowska / HITS
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    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Biology, Chemistry, Medicine
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Linke Seite: Ladungsverteilung rund um das Brombenzolmolekül. Regionen mit negativem elektrostatischem Potenzial sind blau markiert, positiv geladene Regionen grau. Die graue Scheibe im Vordergrund markiert das Sigma-Loch. Rechte Seite: Überlagerung der vorhergesagten Bindungsstellen des K17-Inhibitors der Kaseinkinase 2 (PDB-Code 2OXY) mit expliziten Sigma-Löchern (rot) und ohne (blau) und Vergleich mit der Kristallstruktur (grau).


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