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08/29/2002 14:38

"Datenreport 2002" erschienen

Burckhard Wiebe Abteilung Kommunikation
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH

    Datenreport 2002
    Teil II: "Objektive Lebensbedingungen und subjektives Wohlbefinden im vereinten Deutschland"

    Statement zur Buchvorstellung am 29. August 2002

    Dr. Roland Habich (WZB), Dr. Heinz-Herbert Noll (ZUMA), Herausgeber des Teil II des Datenreport 2002

    Wie nehmen die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ihre Lebensqualität wahr und wie bewerten sie z. B. ihren Lebensstandard, ihre Freizeit, ihren Arbeitsplatz, ihre Gesundheit, die Umwelt, das Funktionieren der Demokratie oder die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme? Wie wirken sich die Arbeitsmarktprobleme auf das persönliche Erwerbsverhalten und die Beurteilung der individuellen Arbeitsmarktchancen aus? Hat das Wohlstandsgefälle in der Wahrnehmung der Bürger in Ost und West in den letzten Jahren weiter ab- oder sogar wieder zugenommen? Nimmt mit dem Wohlstand auch das subjektive Wohlbefinden zu? Stimmt es, dass die Armut ansteigt? Welche Bevölkerungsgruppen sind besonders gefährdet, unter die Armutsgrenze zu fallen? Welche Einstellungen hat die hiesige Bevölkerung zur Zuwanderung von Immigranten, und wie steht es mit der Ausländerfeindlichkeit?

    Dies sind einige Fragen aus dem Bereich der Gesellschaftspolitik, für deren Beantwortung eine leistungsfähige sozialwissenschaftliche Umfrageforschung benötigt wird. Der Teil II dieses Datenreports erweitert das Informationsangebot der amtlichen Statistik um die Perspektive der nichtamtlichen, wissenschaftlichen Sozialberichterstattung und stützt sich dabei auf spezielle, für die gesellschaftliche Dauerbeobachtung konzipierte Surveyprogramme. Sozialwissenschaftliche Repräsentativbefragungen - darunter auch Panelerhebungen -, wie sie diesem Teil des Datenreports zugrunde liegen, beleuchten die gesellschaftlichen Verhältnisse aus anderen Perspektiven als die amtliche Statistik. Ihre Informationen unterscheiden sich daher in Art und Inhalt von denen der amtlichen Statistik, ohne aber weniger solide und zuverlässig zu sein. Neben der Beobachtung der Entwicklung der sozialen Strukturen und objektiven Lebensbedingungen gehört es zu den Aufgaben der wissenschaftlichen Sozialberichterstattung, zu registrieren und zu beschreiben, wie die Bürger ihre jeweilige Situation definieren, wie sie die sich verändernden Lebensumstände wahrnehmen und bewerten und wie sich dabei das subjektive Wohlbefinden und die Stimmungslage der Bevölkerung verändern.

    Wie beurteilen die Bürgerinnen und Bürger die anhaltenden Arbeitsmarktprobleme, vertrauen die Deutschen noch ihrem sozialen Sicherungssystem, und wie bewerten sie ihre heutigen und zukünftigen Lebensverhältnisse? Der Teil II des vorliegenden Datenreports 2002 gibt auf diese und andere Fragen der Entwicklung der objektiven Lebensbedingungen und des subjektiven Wohlbefindens Antworten auf der Basis zuverlässiger und repräsentativer Daten.

    Arbeitsmarkt: Die Erwerbsarbeit hat nach wie vor einen zentralen Stellenwert im Leben der Deutschen: Zwei Drittel aller Ostdeutschen bewerten z. B. die Arbeit als "sehr wichtig" für ihr Wohlbefinden. Die zukünftige Entwicklung des Arbeitsmarktes wird aber eher pessimistisch gesehen, besonders in Ostdeutschland: Nur 3 % der nichterwerbstätigen ostdeutschen Frauen (Männer 10 %) waren im Jahr 2000 der Ansicht, es sei leicht, eine geeignete Stelle zu finden, aber 28 % (Männer 15 %) hielten das für praktisch unmöglich. Mehr als die Hälfte der Westdeutschen und sogar drei Viertel der Ostdeutschen befürchten zudem Einbußen bei der Absicherung im Falle von Arbeitslosigkeit. Nichterwerbstätige sind trotz der schwierigen Lage auf dem Arbeitsmarkt zunehmend an Vollzeit- und weniger an Teilzeitbeschäftigung interessiert: In Ostdeutschland wollen beispielsweise 46 % der nichtbeschäftigten Frauen ein Vollzeitarbeitsverhältnis eingehen, aber auch in Westdeutschland ist der Anteil der Frauen, die eine Teilzeitbeschäftigung suchen, seit Beginn der neunziger Jahre gesunken.

    Einkommen, Armut, Unterversorgung: Es gibt Armut und Niedrigeinkommensgruppen in Deutschland, aber der Anteil der davon Betroffenen ist im Westen Deutschlands seit etwa 15 Jahren praktisch nicht gestiegen; im Osten hat die Armutsquote seit 1990 zugenommen, aber langsamer als erwartet, und sie liegt im Jahre 2000 immer noch unter dem westdeutschen Niveau. Armutslagen sind allerdings - wie Längsschnittdaten belegen - nicht immer von Dauer; lediglich etwa die Hälfte der Betroffenen befindet sich längerfristig unter der Armutsgrenze. Neben dem vor allem für Arbeitslose, Ausländer, Ein-Eltern-Haushalte und kinderreiche Familien vergleichsweise hohen Risiko, arm zu werden, gibt es daher auch gute Chancen, sich aus dieser prekären Lebenslage wieder zu befreien. Eine niedrige Einkommensposition wirkt sich auf verschiedene Lebensbereiche aus, vor allem aber auf den Lebensstandard. Neben einem niedrigen Einkommen erweisen sich auch Arbeitslosigkeit und Alleinelternschaft als Risikofaktoren für Defizite im Lebensstandard.

    Umwelt: Verbesserungen der Umweltqualität haben in den neunziger Jahren nicht nur, aber vor allem in Ostdeutschland auch zu einem Rückgang der persönlichen Beeinträchtigungen - z. B. durch Luftverschmutzung und Lärm - und zu einem Anstieg der Zufriedenheit mit dem Umweltschutz geführt. Auch der Anteil der Personen, die sich "große Sorgen" um den Umweltschutz machen, ist in diesem Zeitraum drastisch gesunken. Der erneute Rückgang der Zufriedenheit mit der Umwelt und ein Wiederanstieg der Besorgnisse zwischen 1999 und 2000 deuten allerdings auf eine Trendwende hin. Der "weltweite Temperaturanstieg", den 76 % der Westdeutschen und 82 % der Ostdeutschen als "äußerst gefährlich" bzw. "sehr gefährlich" für die Umwelt ansehen, rangiert an zweiter Stelle in der Rangliste der Umweltgefährdungen. Die Bereitschaft, einen persönlichen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, hört bei den meisten Bürgern allerdings dort auf, wo er mit finanziellen Belastungen und Einschränkungen des Lebensstandards verbunden ist: In Westdeutschland fänden es 43 %, in Ostdeutschland sogar nur 27 % akzeptabel, zugunsten der Umwelt Abstriche von ihrem Lebensstandard zu machen.

    Soziale Sicherheit: Die Wirtschaftskrise und die Finanzierungsprobleme sozialstaatlicher Sicherungssysteme bleiben nicht ohne Wirkung auf die entsprechenden Wahrnehmungen der Bürger. Dabei betrachtet eine große Mehrheit der Bevölkerung den Staat nach wie vor als zuständig für die Absicherung der Bürger bei Krankheit, Arbeitslosigkeit, im Alter und in Notsituationen. Eine grundsätzliche Zustimmung der Bevölkerung zum Sozialstaat steht damit außer Zweifel. Eine generelle Kürzung von Sozialleistungen findet nicht die Zustimmung der Bürger, obwohl sich in Westdeutschland immerhin 24 % für Kürzungen aussprechen. Angesichts der breiten öffentlichen Debatte um die Finanzierung des Sozialstaates verwundert es daher nicht, dass das Vertrauen in das Netz der sozialen Sicherung insgesamt tendenziell abnimmt.

    Subjektives Wohlbefinden: Indikatoren des subjektiven Wohlbefindens (Zufriedenheit mit dem Leben und einzelnen Lebensbereichen, Glück, Besorgnis) verweisen insgesamt darauf, dass mit Verbesserungen in den objektiven Lebensbedingungen auch ein Anstieg im subjektiven Wohlbefinden einhergeht. Das subjektive Wohlbefinden hat sich in den letzten Jahrzehnten in Deutschland insgesamt verbessert - wenn auch nicht für alle und in jeder Hinsicht. Für Ostdeutschland sind deutliche Fortschritte zu konstatieren und der Rückstand gegenüber Westdeutschland hat sich erheblich verringert. Allerdings scheint diese Entwicklung seit dem Ende der neunziger Jahre zu stagnieren. Nach wie vor weist die ostdeutsche Bevölkerung im Vergleich zu den Westdeutschen in nahezu allen betrachteten Lebensbereichen mehr oder weniger deutliche Zufriedenheitsdefizite auf.

    Einstellungen gegenüber Zuwanderern: Vor allem auch im Zusammenhang mit der aktuellen Zuwanderungsdebatte gewinnen die Einstellungen der Bevölkerung zum Zuzug von Immigranten und die Frage nach dem Verhältnis zwischen Deutschen und Ausländern eine besondere Bedeutung. Eine Mehrheit der Deutschen in Ost und West spricht sich für eine Begrenzung des Zuzugs von Immigranten aus. Die Möglichkeit des uneingeschränkten Zuzugs wie auch eine völlige Unterbindung werden lediglich von Minderheiten vertreten. Die Einstellungen der Ostdeutschen gegenüber der Zuwanderung sind dabei nach wie vor weniger liberal als die der Westdeutschen. Auch diskriminierende Einstellungen gegenüber den in Deutschland lebenden Ausländern werden in der Regel nur von Minderheiten vertreten. Rund zwei Drittel aller Deutschen meinen allerdings, "dass die in Deutschland lebenden Ausländer ihren Lebensstil ein bisschen besser an den der Deutschen anpassen sollten".

    Politische Beteiligung und Einstellungen zur Demokratie: Gemessen an dem Ausmaß der Beteiligung der Bürger an der politischen Willensbildung und ihrem politischen Interesse ist der Grad der politischen Integration in den vergangenen zehn Jahren deutlich gesunken. Das trifft vor allem für die Jüngeren sowie die Bürger im Osten Deutschlands zu. Hier ist auch die Haltung gegenüber der Demokratie nach wie vor von größerer Skepsis geprägt und die Zufriedenheit mit dem Funktionieren dieser Staatsform niedriger als in Westdeutschland.

    Der "Datenreport 2002" enthält in seinem Teil II empirische Informationen der wissenschaftlichen Sozialberichterstattung über "Objektive Lebensbedingungen und subjektives Wohlbefinden im vereinten Deutschland". Es werden Daten und Befunde über Situation und Wandel in einzelnen Lebensbereichen - wie zum Beispiel Einkommen und Armut, Gesundheit, Wohnen, Arbeitsmarkt, Familie und Umwelt - sowie Informationen darüber präsentiert, wie die Lebensqualität subjektiv wahrgenommen und erlebt wird. Die aus spezifischen Erhebungsprogrammen der gesellschaftlichen Dauerbeobachtung gewonnenen Informationen beleuchten den Wandel der Sozialstruktur ebenso wie aktuelle gesellschaftliche Problemfelder der politischen Integration und Einstellungen der Bürger gegenüber Sozialstaat und Demokratie. Der Datenreport informiert über die Wohlfahrtsentwicklung und den gesellschaftlichen Wandel in der Bundesrepublik Deutschland und dokumentiert die Prozesse der Angleichung, aber auch die noch verbliebenen Differenzen zwischen Ost- und Westdeutschland. Erstmals enthält dieser Teil des Datenreports 2002 auch zwei Beiträge, die die Situation in Deutschland mit anderen europäischen Gesellschaften vergleichen.


    More information:

    http://www.wz-berlin.de
    http://www.wz-berlin.de/siv/sb/publikationen/datenreport.de.htm


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    Criteria of this press release:
    Economics / business administration, Law, Politics, Psychology, Social studies
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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