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09/12/2002 13:48

Historiker-Verband ehrt RUB-Studien zu Freimaurerlogen und Arbeitsrecht

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Zwei RUB-Geschichtswissenschaftler werden am 12. September 2002 beim Historikertag in Halle/Saale vom Historiker-Verband für ihre herausragenden Forschungsarbeiten geehrt: PD Dr. Willibald Steinmetz erhält einen der beiden Habilitationspreise, Dr. Stefan-Ludwig Hoffmann erhält den Hedwig-Hintze-Preis für die beste Dissertation, der dieses Jahr erstmals vergeben wird.

    Bochum, 12.09.2002
    Nr. 254

    Historiker-Verband ehrt zwei RUB-Forscher
    Studien zu Freimaurerlogen und englischem Arbeitsrecht
    Beste Habilitationsarbeit und beste Dissertation ausgezeichnet

    Zwei RUB-Geschichtswissenschaftler werden am heutigen 12. September 2002 beim Historikertag in Halle/Saale vom Historiker-Verband für ihre herausragenden Forschungsarbeiten geehrt: PD Dr. Willibald Steinmetz erhält einen der beiden Habilitationspreise, dotiert mit 6000 Euro, für seine Arbeit zu "Begegnungen vor Gericht. Eine Sozial- und Kulturgeschichte des englischen Arbeitsrechts (1850-1925)". Dr. Stefan-Ludwig Hoffmann erhält den mit 5000 Euro dotierten Hedwig-Hintze-Preis für die beste Dissertation, der dieses Jahr erstmals vergeben wird. Der Titel seiner Arbeit: "Die Politik der Geselligkeit. Freimaurerlogen in der deutschen Bürgergesellschaft 1840-1918". Beide arbeiten am Lehrstuhl für Neuere Geschichte von Prof. Dr. Lucian Hölscher.

    Arbeitsrecht: Umstritten seit über 100 Jahren

    Angesichts der globalen "New Economy" erscheint das Arbeitsrecht heute vielen als Relikt des Industriezeitalters: je schneller man es von überflüssigen Regelungen entschlacke, desto besser. Unter den Beschäftigten aber möchte kaum jemand auf rechtliche Mittel gegen Entlassung, Lohnkürzung oder aufgenötigte Scheinselbständigkeit verzichten. Willibald Steinmetz zeigt am englischen Beispiel, dass ähnliche Konflikte bereits die Phase der Hochindustrialisierung beherrschten. Anders als in Deutschland kam es in England seit dem späten 19. Jahrhundert zur weitgehenden Entrechtlichung der Arbeitsbeziehungen.

    Entrechtlichung der Arbeitsbeziehungen in England

    Steinmetz untersucht die Praxis der niederen Gerichte und lässt nicht nur Gesetzgeber und Juristen, sondern auch Laien zu Wort kommen: klagende Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie Gewerkschaftssekretäre, Versicherungsagenten, Journalisten und andere Beobachter. Er trägt Berichte und Aktennotizen über Auseinandersetzungen um Löhne, Kündigungen, Arbeitsunfälle und Vertragsbrüche zu einer Geschichte des englischen Arbeitsrechts im Industriezeitalter zusammen. Klassenjustiz der Richter, hohe Kosten, undurchschaubare Prozeduren und peinliche Kreuzverhöre waren nur einige der Gründe, die englischen Arbeitnehmern wenig Chancen auf Erfolg vor Gericht gaben. Die Entrechtlichung der Arbeitsbeziehungen in England zeigt, dass Industrialisierung und Verrechtlichung nicht notwendig zusammen gehören. Ein ausdifferenziertes Arbeitsrecht und Arbeitsgerichte, wie sie sich in Deutschland seit dem späten 19. Jahrhundert entwickelt haben, sind nicht selbstverständlich. So regt die Studie auch dazu an, der gegenwärtigen Diskussion um die Zukunft des Arbeitsrechts eine tiefere historische Dimension zu geben.

    Freimaurer: Die Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit

    Bei den Freimaurern denkt man zunächst an die Zeit der Aufklärung, an die "Zauberflöte" und geheimnisvolle Rituale. Stefan-Ludwig Hoffmann rekonstruiert erstmals die Innenwelt der Logen im 19. Jahrhundert und ihre Bedeutung für die deutsche Zivilgesellschaft. Seit dem Vormärz wurden die Logen vorwiegend zu Räumen für das gebildete und besitzende Bürgertum. Die Ideale der Freimaurer waren Bildung, Tugend und Weltbürgertum. Alle Menschen sollten Brüder werden - das war die Botschaft ihrer Geselligkeit und Rituale. Dieser moralische Universalismus vertrug sich aber nur schwer mit der Ausgrenzung von Juden, Sozialdemokraten, Katholiken und Frauen.

    Zuflucht im Nationalgedanken

    Je mehr sich die Kluft zwischen hochfliegendem Ideal und gesellschaftlicher Wirklichkeit vertiefte, desto mehr sahen die Freimaurer im Nationalismus einen Ausweg. Deutsche und französische Freimaurer nahmen sich im Krieg von 1870/71, vor allem aber im Ersten Weltkrieg wechselseitig als Feinde der Menschheit war und verabschiedeten sich damit von ihren weltbürgerlichen Zielen. Als der Weltkrieg freimaurerische Begriffe wie "Humanität" und "Tugend" diskreditiert hatte, wirkten die Logen wie Relikte einer untergegangenen Welt. Umso interessanter ist ein Blick auf die Logen des 19. Jahrhunderts, auf den Wunsch, die Menschheit zu verbessern, und auf die gegenteiligen Ergebnisse, die dieser Wunsch zeitigen konnte.

    Titelaufnahmen

    Beide Arbeiten sind im Buchhandel erhältlich:
    Willibald Steinmetz: Begegnungen vor Gericht. Eine Sozial- und Kulturgeschichte des englischen Arbeitsrechts (1850-1925). Oldenbourg Verlag, München 2002, ISBN 3486565893
    Stefan-Ludwig Hoffmann: Die Politik der Geselligkeit. Freimaurerlogen in der deutschen Bürgergesellschaft 1840-1918. Verlag Vandenhoek und Ruprecht, Göttingen 2000, ISBN 352535911X

    Weitere Informationen

    PD Dr. Willibald Steinmetz, Dr. Stefan-Ludwig Hoffmann, Fakultät für Geschichte der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-23992, Fax: 0234/32-14540, E-Mail: willibald.steinmetz@ruhr-uni-bochum.de, stefan-ludwig.hoffmann@ruhr-uni-bochum.de


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    Criteria of this press release:
    History / archaeology, Law, Politics
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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