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09/30/2002 11:48

Hormonersatz ist kein Jungbrunnen

Dr. Annette Tuffs Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Heidelberg

    Individuelle Hormontherapie kann jedoch Krankheits- und Altersprozesse günstig beeinflussen / Tagung der Medizinischen Klinik zum "Anti-Aging"

    Sind Hormone der Jungbrunnen der Medizin? Können sie das Altern verhindern und Interesse an sexueller Aktivität wieder aufleben lassen? Wenn ja, welche medizinischen Risiken gehen mit der Hormontherapie einher? Diese Fragen diskutierten Experten bei der Tagung "Sexualität und Hormone im Alter", die vor kurzem von der Abteilung Endokrinologie und Stoffwechsel in der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg veranstaltet wurde.

    Sexualhormone sind nicht die einzigen Faktoren, die beim Altern eine Rolle spielen, wie wissenschaftliche Studien gezeigt haben, auch genetische und psychische Faktoren sind von großer Bedeutung. Wer einen betagten Vater hat, intelligent, sportlich aktiv und am Arbeitsplatz zufrieden ist, hat größere Chancen, ein hohes Lebensalter zu erreichen, erklärte Dr. Michael Morcos von der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg. Auch Erkenntnisse aus dem Tierreich sprechen gegen die Dominanz der Hormone: Bei Tieren lassen sich Altersprozesse kaum mit Hormonveränderungen in Verbindung bringen, berichtete Prof. Klaus-Dieter Spindler, Zoologe an der Universität Ulm. Selbst die Lebenserwartung des einfachen Fadenwurm Caenorhabditis elegans hängt von mindestens fünf verschiedene Faktoren ab.

    Wirksamkeit des "Jugendhormons" DHEA ist nicht bewiesen

    Hormonersatz allein stoppt das Altern nicht. Dies haben auch Studien mit dem Hormonausgangsstoff DHEA (Dehydroepiandorosteron), einer Vorstufe männlicher und weiblicher Geschlechtshormone, gezeigt, das lange Zeit als "Hormon der Jugend" gehandelt wurde: Die Wirksamkeit einer DHEA-Ersatztherapie bei gesunden älteren Patienten wurde nie belegt. Ernüchternd auch die jüngsten alarmierenden Studien zur bereits weit verbreiteten Hormonsubstitution in den Wechseljahren. Nicht nur ihre Wirksamkeit ist umstritten, auch bereiten Östrogene mitunter gesundheitliche Probleme und erhöhen das Risiko, an bestimmten Krebsarten, an einem Schlaganfall oder an einem Herzinfarkt zu erkranken. "Es ist der falsche Zeitpunkt, das Hohelied der Hormone zu singen", räumte Prof. Dr. Johannes Huber von der Universitätsfrauenklinik Wien ein. Dennoch propagierte er die Behandlung von Begleiterscheinungen der Menopause wie Arthrose, Gelenk-Rheumatismus oder Hautalterung mit sogenannten C21-Steroidhormonen. Sie sollen nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen die Stammzellen im Gehirn sowie Haut- und Darmzellen zur Regeneration anregen.

    Trotz aller Unsicherheiten und Vorbehalte ist der Nutzen einer Hormonersatztherapie, da waren sich die Wissenschaftler in Heidelberg einig, nicht völlig von der Hand zu weisen. Allerdings sind umfangreiche Untersuchungen notwendig, die Wirksamkeit und Risiken der Hormonpräparate abschätzen lassen. Die Substitutionstherapie, bei der allen Patienten Hormone in der gleichen Dosis verabreicht werden, ist nicht zu empfehlen. Vielmehr sollten die Hormonpräparate von Fall zu Fall dosiert werden.

    Bei nachlassender Libido spielen auch psychosoziale Faktoren eine Rolle

    Auch ihr Einsatz bei nachlassendem Interesse an sexueller Aktivität sollte kritisch beurteilt werden. Nicht jeder alternde Mensch, dessen Sexualität sich verändert, wird automatisch zum Patienten. Unumstritten ist zwar der Testosteronabfall im weiblichen Körper in den Wechseljahren; auch bei einem Teil der alternden Männer geht die DHEA-Produktion und damit der Spiegel an männlichen Geschlechtshormonen zurück. Doch spielen auch psychosoziale Faktoren, zum Beispiel das "Empty-Nest-Syndrom", die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich geprägten Rollenbildern sowie Probleme in der Partnerschaft eine wichtige Rolle, sagte Dr. Hartmut Bosinski von der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Körperliche Nähe könne eine wichtige psychische Stütze für den letzten Lebensabschnitt sein und die zudem die Fitness verbessern. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Menschen, die auch im hohen Alter noch sexuell aktiv sind, weniger unter körperlichem Kraft- und Funktionsverlust leiden als inaktive Menschen und sich besser fühlen.

    Die Gratwanderung zwischen sinnvoller Akzeptanz des Älterwerdens und gerechtfertigten Gegenmaßnahmen ist schwierig. "Altern ist kein Unfall der Natur, sondern eng mit den natürlichen Prozessen das Lebens verknüpft" kommentierte Prof. Dr. Peter Nawroth, Direktor der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg. Die Aufgabe der Ärzte dürfe nicht darin bestehen, dem Jugendwahn unsinnig zu frönen: "Anti-Aging sollte vielmehr bedeuten, kompetent und mit hoher Lebensqualität alt zu werden," wie Privatdozent Dr. Dr. Christian Kasperk, Leitender Oberarzt der Abteilung Endokrinologie und Stoffwechsel betonte.

    Ansprechpartner:
    Priv. Doz. Dr. Dr. Christian Kasperk
    Ltd. OA der Abteilung Endokrinologie und Stoffwechsel
    Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik
    Bergheimer Str. 58, 69115 Heidelberg
    E-Mail: Christian_Kasperk@med.uni-heidelberg.de
    Tel. 06221 / 56-8605 (Endokrinologische Ambulanz)


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research projects, Scientific conferences
    German


     

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