idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
09/02/2002 00:00

Schweißnähte für noch mehr Power

Thomas Götz Unternehmenskommunikation und Institutsstrategie
Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM

    In Kraftwerken setzt das Material dem Wirkungsgrad und dem Umweltschutz noch Grenzen - Fraunhofer IWM prüft und optimiert Rohrverbindungen

    Allein in die Erneuerung ostdeutscher Braunkohlekraftwerke sind in den 90er Jahren laut Bundesverband Braunkohle knapp 10 Milliarden Euro investiert worden. Ziel ist eine höhere Effizienz bei der Verwertung des Energieträgers Braunkohle, der derzeit ein Viertel des deutschen Strombedarfs abdeckt. Möglich werden diese neue Kraftwerksgenerationen durch neue Werkstoffe. Das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg trägt entscheidend dazu bei, hochbelastbare Bauteile für Großkraftwerke, aber auch Chemie- und Müllverbrennungsanlagen zu entwickeln.

    Es ist extrem heiß, es herrscht ein Riesendruck, und Wasserdampf schießt durch die Rohre: Im Inneren eines Kohlekraftwerkes bei 600 Grad Celsius ist eine stählerne Schleife rund um den Heizkessel schnell nicht mehr das, was sie war: Die Rohre strecken und verfestigen, dehnen und krümmen sich. Dabei würden noch höhere Temperaturen nicht nur den Wirkungsgrad der Kraftwerke steigern, sondern auch die Umweltbelastung mit Schadstoffen verringern. Das aber ist nur möglich, wenn die Rohre halten. Dies zu erreichen, ist Ziel gleich mehrerer Forschungsprojekte am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg.

    Knackpunkt sind die Schweißnähte: Sie verbinden Rohre aus besonders robustem, aber auch sehr teurem Stahl im heißen Kraftwerkskern mit anderen Stahlrohren, die zwar viel, aber eben nicht genug aushalten, im äußeren Kraftwerksbereich. Kein Leck, keine Verformung dieser Schweißnähte darf die Energiegewinnung beeinträchtigen und den Betrieb gefährden. Das Fraunhofer IWM analysiert und bewertet deshalb, wie Stähle unterschiedlicher Zusammensetzung - der Fachjargon unterscheidet zwischen austenitischen und ferritischen Stählen - am besten zusammenhalten.

    Mit einer Schweißverbindung? Mit gewalzter Verbindung? Mit einer Reibschweißung oder einer heißgepressten Naht? Die Antwort geben die Fraunhofer-Mitarbeiter einmal mit dem Rechner. Der simuliert aufgrund der zuvor gemessenen Materialeigenschaften die Belastung und sagt für jedes Stückchen Stahlmischung vorher, wie es sich verhält, wenn's spannt, zieht und zu reißen droht. Für diese Berechnungen hat das Fraunhofer IWM eine Vielzahl verschiedener mathematischer Modelle zur Auswahl.

    Nach dem Griff in die passende Software-Schublade ergänzen die Fraunhofer-Mitarbeiter die Eigenschaften des Werkstoffs - in diesem Fall des Stahls und besonders seiner Mischformen dort, wo die Rohre aus unterschiedlichem Material miteinander verbunden werden. Heraus kommt aufgrund der sogenannten Finite-Elemente-Berechnungen ein auch für Laien anschauliches dreidimensionales Bild. Es zeigt ein Rohr, als sei es zusammengesetzt aus tausenden von Mosaiksteinchen (den finiten Elementen), die sich - zu erkennen an der Einfärbung nach der Silmulation - unter den Kraftwerksbedingungen unterschiedlich verhalten. Sprich: Ob sie den Temperaturen und dem Druck standhalten, ob sie aufgrund des Wasserdampfes korrodieren oder Risse aufweisen.

    Zum Anderen aber füttern die Fraunhofer-Forscher zwei Prüfanlagen mit den Rohren. Im Inneren der Anlagen werden die Rohre und besonders die Schweißnähte Bedingungen ausgesetzt, die zum Teil noch härter sind als im wahren Kraftwerksleben. Schließlich sollen die Rohre genauso lang halten wie das gesamte Kraftwerk, also gute 40 Jahre. "Nur wenn die Nähte der Belastung standhalten, lassen sich neue Kraftwerke noch wirtschaftlicher und umweltschonender betreiben", erläutert der Leiter des Freiburger Institutsteils, Thomas Hollstein.

    Doch Prüfanlagen für bestimmte Werkstoffe gibt es nicht von der Stange zu kaufen. "Im Grunde entwickeln wir für jedes Projekt eine eigene Prüfanlage", erläutert Thomas Hollstein. So wählen sich die Freiburger Ingenieurinnen und Ingenieure ein geeignetes Standard-modell aus, das dann "nachgerüstet" wird. Es wird geschraubt und gelötet, es werden Messfühler eingebaut. Am Ende wartet ein unscheinbarer, brusthoher Kasten von zwei Metern Breite auf die geschweißten Rohrverbindungen. Sind sie erstmal eingespannt, macht die Prüfanlage den Rohren die Hölle heiß: Bei gleichzeitiger Zug- und Druck-belastung müssen sie in fein abgestimmten Zyklen 500 bar Druck aushalten und dazu noch Temperaturen bis 700 Grad Celsius. Die Rohre altern auf diese Weise im Zeitraffer. Schließlich wollen weder die Forscher noch die beteiligten Unternehmen vier Jahrzehnte auf die Ergebnisse warten.

    Denn erst der Transfer der Resultate in die raue industrielle Wirklichkeit bringt die hochgesteckten Ziele der Anwender in Sachen Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz näher. Im neuen deutschen Kohlekraftwerk in Niederaußem (Nordrhein-Westfalen), das in diesem Jahr den Betrieb aufnehmen soll, wurden die bisherigen Forschungsergebnisse der IWM-Mitarbeiter bereits umgesetzt. Die nächste Generation soll noch besser werden.
    Daran haben die Auftraggeber des Fraunhofer IWM wie Babcock Borsig Power, Preussen Elektra, ALSTOM Power, E.on oder RWE, die Technische Vereinigung der Großkraftwerksbetreiber VGB, der Fachverband Dampfkessel-, Behälter- und Rohrleitungsbau FDBR und das nicht nur dieses Projekt im Fraunhofer IWM fördernde Bundeswirtschaftsministerium BMWi größtes Interesse.
    Von den Erkenntnissen für die neue Kraftwerksgeneration würden, so Fraunhofer-Mitarbeiter Ralf Mohrmann, neben den Braunkohle-Verwertern aber auch Betreiber von Chemie- und Müllverbrennungsanlagen profitieren.


    Images

    Criteria of this press release:
    Information technology, Materials sciences, Mechanical engineering
    transregional, national
    Research projects, Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).