Studie zeigt gravierende Versorgungsmängel – Gießener Ernährungswissenschaftler plädiert für routinemäßige Bestimmung des Vitamin D-Status bei Schwangeren
Schwangere sind nur unzureichend mit Vitamin D versorgt – und das nicht nur im Winter. Dies ist das Ergebnis einer Studie mit 261 Schwangeren und 328 Neugeborenen von Prof. Dr. Clemens Kunz und seiner Arbeitsgruppe am Institut für Ernährungswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) zusammen mit Dr. Peter Gilbert und seinem Team vom Gießener St. Josefs-Krankenhaus, die nun im „British Journal of Nutrition“ veröffentlicht wurde. 98 Prozent der untersuchten Schwangeren hatten in den Wintermonaten einen Vitamin D-Status, der unterhalb der von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlenen Versorgung lag. Doch auch im Sommer, wenn Vitamin D durch die Sonneneinstrahlung in der Haut gebildet werden kann, waren die Werte häufig zu niedrig.
Die DGE und andere Fachgesellschaften, wie die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, empfehlen für eine ausreichende Vitamin D-Versorgung einen täglichen Aufenthalt im Freien von fünf bis 30 Minuten, um die körpereigene Vitamin D-Produktion in der Haut anzuregen. Die DGE hatte zudem aufgrund der generell schlechten Vitamin D-Versorgung der Bevölkerung in Deutschland vor kurzem die Vitamin D-Zufuhrempfehlungen auch für schwangere Frauen von 5 µg (200 Internationale Einheiten, IE) auf 20 µg (800 IE) pro Tag erhöht, wenn keine körpereigene Vitamin D-Synthese in der Haut erfolgt.
Für Deutschland gab es bisher keine zuverlässigen Daten, um die Versorgung mit Vitamin D in der Schwangerschaft zu beurteilen, da hierzu die Untersuchung des Vitamin D-Status im Blut erforderlich ist. Diese Untersuchung ist jedoch relativ teuer und wird nicht routinemäßig durchgeführt.
Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D ist wichtig für Mutter und Kind: Viele Studien deuten auf einen Zusammenhang zwischen einer schlechten Vitamin D-Versorgung in der Schwangerschaft und dem Auftreten von Schwangerschaftskomplikationen hin. Hierzu gehören bei der schwangeren Frau Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Infektionen und Frühgeburten; Risiken für das Neugeborene betreffen einen ungenügenden Knochenaufbau, Lungenerkrankungen und ebenfalls Diabetes mellitus.
Aufgrund der besorgniserregenden Daten der Gießener Studie plädiert Prof. Kunz für eine routinemäßige Bestimmung des Vitamin D-Status im Rahmen der Schwangeren-Vorsorgeuntersuchungen. Diese sollte durch die Messung von 25-Hydroxy-Vitamin D im Blut erfolgen – das ist die Speicherform von Vitamin D, die sich für die Bestimmung des Vitamin D-Status am besten eignet. Bei einer so diagnostizierten unzureichenden Vitamin D-Versorgung müssen Schwangere nach Ansicht von Prof. Kunz Vitamin D-haltige Präparate einnehmen. Aufgrund der Studienergebnisse empfiehlt er Schwangeren generell in den Wintermonaten die Einnahme solcher Präparate.
Die Internationale Osteoporose Gesellschaft sowie die Nordamerikanische Fachgesellschaft für Endokrinologie beurteilen 25-Hydroxy-Vitamin D-Werte von weniger als 50 Nanomol pro Liter (nmol/L) bzw. weniger als 20 Nanogramm pro Milliliter (ng/mL) als einen Vitamin D-Mangel. Die Gießener Studie zeigt, dass selbst im Sommer noch etwa 50 Prozent der Frauen eine Vitamin D-Versorgung aufwiesen, die nach diesen Kriterien als mangelhaft einzustufen ist.
Der wichtigste Einflussfaktor auf den Vitamin D-Status war erwartungsgemäß die Jahreszeit, denn die Versorgung mit Vitamin D über die Nahrung ist sehr niedrig. Der weitaus größere Teil wird durch die UV-B Strahlen der Sonne in der Haut produziert, also vom Körper selbst. Von Oktober bis März ist die Intensität der Sonneneinstrahlung in Deutschland jedoch zu gering, um ausreichend Vitamin D bilden zu können. Daher ist die zusätzliche Aufnahme von Vitamin D über ein entsprechendes Präparat erforderlich. Die Umsetzung im Alltag ist jedoch nicht einfach, da in den Beipackzetteln der Vitamin D-Tabletten häufig vor einer zu hohen Zufuhr in der Schwangerschaft gewarnt wird. Hier sind nach Ansicht von Prof. Kunz die zuständigen Zulassungsbehörden gefordert: „Ohne Änderung der Vorschriften ist ein besserer Vitamin D-Status und damit ein geringeres Risiko für Schwangere und deren Kinder kaum zu erreichen.“ Eine Überdosierung sei nicht zu befürchten: „Vitamin D, entweder als Tablette zugeführt oder in der Haut produziert, ist nicht als solches wirksam. Die aktive Form wird vom Körper selbst in der Niere hergestellt – aber nur dann, wenn tatsächlich ein Bedarf besteht. Ist das nicht der Fall, dann bleibt Vitamin D inaktiv, wird im Körper abgebaut und wieder ausgeschieden“, so Prof. Kunz.
In Gießen soll nun im Rahmen einer Beobachtungsstudie bei schwangeren Frauen überprüft werden, ob nach einem ärztlich diagnostiziertem Vitamin D-Mangel die tägliche Aufnahme von 1.000 IE Vitamin D während der gesamten Schwangerschaft ausreichen, um die gewünschte Versorgung zu gewährleisten. An dieser Studie beteiligt sind die gynäkologischen Praxen Dr. Sabine Fink, Dr. Kerstin Schröder, Klaus-Dieter Fleck, Dr. Peter Gilbert (St. Josefs-Krankenhaus, Gießen) sowie Prof. Dr. Dr. hc. Hans-Rudolf Tinneberg (Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Gießen und Marburg).
Publikation:
Wuertz C, Gilbert P, Baier W, Kunz C (2013): Cross-sectional study of factors that influence the 25-hydroxyvitamin D status in pregnant women and in cord blood in Germany. British Journal of Nutrition, online veröffentlicht am 23. Mai 2013.
DOI: 10.1017/S0007114513001438
Kontakt:
Prof. Dr. Clemens Kunz
Institut für Ernährungswissenschaft
Wilhelmstraße 20, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-39041
http://journals.cambridge.org/bjn/giessen
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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