"Öffentliche Verantwortung und soziale Gerechtigkeit - Verhandlungen um das Gemeinwohl": ein Titel, der - zugegeben - nicht gerade graziös daherkommt. Mit allen drei Begriffen dürften sich Laien wie Experten einigermaßen schwer tun - gegenwärtig wie zukünfig. Warum macht sie der DISKURS gleichwohl zum Thema? Weil es Anhaltspunkte für gravierende Veränderungen des Sozialstaats, "für den quantitativen Abbau sozialstaatlicher Leistungen und den qualitativen Umbau sozialstaatlicher Organisations- und Verfahrensformen" gibt. Dies hat zur Folge, "dass die Individuen, die Familien und die sozialen Gruppen in Zukunft eine größere Selbständigkeit und Eigenverantwortung für ihre Lebensbedingungen tragen werden, als dies im >Jahrhundert des Sozialstaats<, im 20. Jahrhundert, der Fall gewesen ist" (s. hierzu den Beitrag von Ingo Richter im Themenschwerpunkt). Mithin: Es geht um die Verteilung der Verantwortung auf verschiedene gesellschaftliche Schultern - jenseits der traditionellen Gegenüberstellung von Familie und Staat, von Familie und Wirtschaft. Nach Maßgabe von was? Nach Maßgabe "sozialer Gerechtigkeit" - eines weiteren Begriffs, unter dem jeder etwas anderes verstehen mag, der aber durchaus zur Qualifizierung von politischen Entscheidungen beitragen kann. Ob sich aus diesen Bemühungen konsensfähige Perspektiven für das "Gemeinwohl" entwickeln lassen, wird sich erweisen.
DISKURS 1/2002
Jutta Müller-Stackebrandt / Christian Lüders
Öffentliche Verantwortung und Gerechtigkeit - zwei Leitbegriffe des Elften Kinder- und Jugendberichts
Ingo Richter
Öffentliche Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen
Trotz allen Geredes von der "Entstaatlichung des Staates" ist daran festzuhalten, dass der Staat die öffentliche Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten hat. Im traditionellen Sozialstaat musste der Staat das sogenannte Existenzminimum der Menschen garantieren. Öffentliche Verantwortung heißt dagegen, dass der Staat eine Selbsthilfefähigkeit sicherstellen - und schlimmstenfalls zahlen - muss.
Annemarie Gerzer-Sass
Der Beitrag der Wirtschaft zum Aufwachsen in öffentlicher Verantwortung
In Deutschland wird eine familienfreundliche Arbeitswelt in weiten Kreisen der Bevölkerung und der Öffentlichkeit immer noch als Teil der Sozial- und Frauenpolitik begriffen. Die Frage der Verbindung von Familie und Beruf ist aber komplexer: So geht es vor allem auch darum, wie die Rolle des Mannes aus ihrer funktional einseitigen Definition als Haupternährer und "Berufsmensch" herausgelöst werden kann. Dazu bedarf es nicht nur eines individuellen "Umerziehungsprozesses", sondern vielmehr eines kulturellen Wandels, der vor allem auch von Unternehmen getragen werden muss.
Holger Lengfeld
Soziale Gerechtigkeit und politische Entscheidungen -
Perspektiven der interdisziplinären Gerechtigkeitsforschung
Soziale Gerechtigkeit ist ein Begriff, der im politischen Alltag zwar häufig bemüht wird, aber leicht in den Geruch politischer Rhetorik gerät. Soziale Gerechtigkeit - mithin nichts anderes als ein schmückendes Beiwerk politischer Entscheidungen, das der Politik deshalb keinen verlässlichen Maßstab bereitstellen kann, weil ein jeder darunter etwas anderes versteht? Befunde der empirischen Gerechtigkeitsforschung lassen erkennen, dass Gerechtigkeitserwägungen durchaus zur Qualifizierung politischer Entscheidungen beitragen könnten.
spektrum
Jürgen Zinnecker
Mediale Großereignisse als kulturelle Sozialisation - das Beispiel des 11. Septembers
Eine aktuelle Befragungsstudie des Siegener Zentrums für Kindheit-, Jugend- und Biografieforschung bietet Gelegenheit, die Verarbeitung medialer Großereignisse durch Heranwachsende mit Mitteln der empirischen Sozialforschung nachzuzeichnen. Die Befragung - repräsentativ für das Bundesland Nordrhein-Westfalen im Jahr 2001 - richtete sich an knapp 8.000 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 10 und 18 Jahren. Während die Kinder und Jugendlichen befragt wurden, ereigneten sich die Terroranschläge in den USA. Wie würde sich die Stimmungslage der Kinder und Jugendlichen durch dieses Großereignis verändern, das sie fast alle live am Fernseher zu Hause verfolgt hatten?
Sigrid Metz-Göckel
Die Karriere des Gender Mainstreaming in Politik und Wissenschaft - Etikettenschwindel oder neuer Schritt im Geschlechter- und Generationenverhältnis?
In den letzten Jahren hat sich in Politik und Wissenschaft eine neue Begrifflichkeit breit gemacht, die Frauen sprachlich wieder unsichtbar macht: Gender Mainstreaming. Was ist dran an der rasanten Karriere dieser Begriffsbildung - was ist Sache, was Problem, was nur Etikettenschwindel? Anhand von Befunden zweier empirischer Studien zur Umsetzung des Gender Mainstreaming werden Chancen und Gefahren dieses Konzepts abgewogen.
Sabine Hark
Junge Lesben und Schwule - zwischen Heteronormativität und posttraditionaler Vergesellschaftung
"Ich habe nichts gegen Lesben und Schwule - solange sie mir nicht zu nahe treten, solange sie nicht öffentlich auftreten." Unterliegen junge Lesben und Schwule dem "heimlichen" Gebot, heimlich zu bleiben? Oft genug wählen sie zunächst selbst den Weg in die Anonymität als eine Form der Heimlichkeit, brechen Herkunftsbindungen und Freundschaften ab, um dann neue soziale Netze aufzubauen. Es scheint, dass nicht so sehr die Differenz in der sexuellen Objektwahl oder vermeintlich andere sexuelle Praktiken die Ursache für die Diskriminierung von Schwulen und Lesben darstellen, sondern die unterstellte Abweichung von den akzeptierten Formen von Männlich- und Weiblichkeit.
trends
Thomas Rauschenbach
Die Bürgergesellschaft - auch ein Forschungsprogramm?
Anmerkungen zum Projekt der Bürgergesellschaft und zum Bedarf an Forschung
Warum bedarf eigentlich ein so dezidiert politisches Projekt wie das der Bürgergesellschaft vermehrter Forschung? Der Hauptgrund liegt darin, dass dieses Vorhaben so anspruchsvoll ist, das es entweder nur ständig gefordert, erwünscht, erdacht werden kann, oder aber in seinen Prämissen und seinen Effekten genauer geklärt und geprüft werden muss. Empirische Forschung kann eine Brücke sein, um auch theoretisch gehaltvoller über mögliche Chancen, Risiken und Nebenwirkungen der Bürgergesellschaft diskutieren zu können. Forschungsbedarf besteht vor allem an Zeitvergleichsstudien - neben Untersuchungen zum Motivationswandel der Bürger und Bürgerinnen auch an spezifischer Ursachenforschung zu Kontext- und Strukturvariablen bürgerschaftlichen Engagements.
Studien zu Kindheit, Jugend, Familie und Gesellschaft
München: DJI Verlag, ISSN 0937-9614
drei Hefte jährlich
Jahresabo: 28,50 Euro (zzgl. Versandkosten)
Einzelhefte DISKURS: 12,- Euro
Alleinvertrieb: Verlag leske + budrich, Postfach 300551, 51334 Leverkusen, Tel.: 02171-4907-0, Fax: 02171-4907-11; E-Mail: lesbudpubl@aol.com; www.leske-budrich.de
Redaktion: Hans Lösch, Deutsches Jugendinstitut, email: loesch@dji.de
http://www.dji.de/veroeffentlichungen/diskurs.htm
Criteria of this press release:
Law, Politics, Psychology, Social studies, Teaching / education
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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