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08/12/1997 00:00

Der kleinste Scheinwerfer der Welt

Dipl.-Ing. Mario Steinebach Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
Technische Universität Chemnitz

    Der kleinste Scheinwerfer der Welt

    Chemnitzer Wissenschaftler bringen einzelne Atome zum Leuchten

    Physiker der Technischen Universitaet Chemnitz haben eine neues Verfahren entwickelt, mit dem einzelne Atome in festen Koerpern sichtbar gemacht werden koennen. Mit dem Verfahren lassen sich Materialien fuer die Halbleiter-Industrie wesentlich genauer als bisher untersuchen. Darueber hinaus wird es nun moeglich, winzige Lichtquellen von der Groesse einzelner Atome herzustellen, die eine neue AEra der Lichtmikroskopie einleiten koennten. Die Ergebnisse der Chemnitzer Forscher wurden vor kurzem in der Zeitschrift "Science" veroeffentlicht, dem wohl angesehensten wissenschaftlichen Fachblatt der Welt.

    Halbleiter, also Stoffe, die in ihrer elektrischen Leitfaehigkeit zwischen Isolatoren und Metallen liegen, sind aus unserer Welt nicht mehr wegzudenken. Ohne sie waeren weder Computer noch die moderne Unterhaltungselektronik moeglich. Zu den Halbleitern gehoeren neben Silizium und Germanium auch Verbindungen des Metalls Gallium und sogar eine besondere Form des Kohlenstoffs - der Diamant. Die Atome in diesen Stoffen sind in einem regelmaessigen Kristallgitter angeordnet. Die Halbleitereigenschaft wird dadurch hervorgerufen, dass an bestimmten Stellen ein einzelnes Atom ganz fehlt oder durch ein Atom eines anderen Stoffes ersetzt ist. Teilweise werden diese sogenannten Stoerstellen oder Fehlstellen absichtlich erzeugt, um Halbleiter mit ganz bestimmten Eigenschaften zu erhalten. Der Fachmann bezeichnet dies als "Dotierung".

    Den Chemnitzer Wissenschaftlern um Prof. Dr. Christian von Borczyskowski ist es nun gelungen, eine solche einzelne Fehlstelle in einem Diamanten sichtbar zu machen. UEber hundert unterschiedlich aufgebaute Fehlstellen sind bei Diamanten bekannt, darunter eine, bei der ein Kohlenstoffatom durch ein Stickstoffatom ersetzt ist, ein sogenanntes Nitrogen-Vakanz-Zentrum. Derartige Fehlstellen - jeweils nur wenige Millionstel Millimeter gross - hatten die Forscher zuvor gezielt erzeugt, indem sie den Edelstein mit Elektronen beschossen und anschliessend auf 900 Grad Celsius erhitzten.

    Bestrahlt man eine solche Fehlstelle mit relativ energiereichem gruenem Laserlicht, geraten die Elektronen des Stickstoffs fuer kurze Zeit ausser Takt: Sie nehmen ein Lichtteilchen, ein sogenanntes Quant, auf und springen auf ein hoeheres Energieniveau. Anschliessend springen sie auf das niedrigere Niveau zurueck, wobei sie das Lichtteilchen wieder abgeben. Das abgegebene Lichtteilchen besitzt jedoch etwas weniger Energie als das eingestrahlte - es hat deshalb eine andere Farbe, in diesem Falle rot. Dieses Leuchten eines einzelnen Atoms, seine Fluoreszenz, laesst sich dann mit einem besonderen, "konfokal" genannten, Mikroskop bei Raumtemperatur beobachten. Bisherige Messverfahren benoetigten dagegen Temperaturen um minus 200 Grad. Zudem konnte man bisher nur Anhaeufungen von Fehlstellen beobachten. Die aber lassen keine Rueckschluesse darauf zu, welche Atome dafuer verantwortlich sind und wie man sie gezielt fuer einen bestimmten Zweck erzeugen kann.

    Freilich laesst sich das Leuchten nicht von jeder eingestrahlten Farbe hervorrufen: Nur solche Farben, die das Elektronensystem zum Mitschwingen bringen, weil ihre Energie gerade ausreicht, ein Elektron auf das hoehere Energieniveau zu heben, sind geeignet. Wissenschaftler nennen diesen Vorgang deshalb, in Anlehnung an das Mitschwingen bei Musikinstrumenten, "Resonanz". Die fluoreszierende Farbe entspricht ebenfalls genau dem Abstand der beiden Energieniveaus. Aus beiden laesst sich dann berechnen, welche Art von Fehlstelle vorliegt und wie man sie am besten erzeugt - eine massgeschneiderte Dotierung und die Herstellung von Halbleitern mit ganz bestimmten Eigenschaften wird moeglich. Darueber hinaus sind die untersuchten Fehlstellen im Diamanten magnetisch. Auch diese Magnete lassen sich zu Schwin-gungen anregen, der sogenannten Spinresonanz.

    Das Verfahren beschraenkt sich aber nicht allein auf neue Halbleiter, auch der Bau von ultrakleinen Lichtmikroskopen koennte frische Impulse bekommen. Zwar bruestet sich so manches Mikroskop mit seiner 1200fachen Vergroesserung - in Wirklichkeit ist knapp unter tausend Schluss, alles was darueber ist, nennt der Fachmann "leere Vergroesserung". Bei der werden keine weiteren Einzelheiten mehr abgebildet. Zwei getrennte Punkte etwa verschwimmen bei leeren Vergroesserungen zu einem einzigen, auch wenn der groesser ist: Sie werden nicht mehr "aufgeloest". Es ist dieses Aufloesungsvermoegen, das darueber entscheidet, wie gut ein Mikroskop ist. Vor einiger Zeit freilich haben findige Forscher die Tausender-Grenze durchbrochen - mit sogenannten Nahfeld-Mikroskopen, die unter anderem auch in der Chemnitzer Untersuchung benutzt werden.

    Das Prinzip aehnelt einem Suchscheinwerfer, der ein Gelaende Streifen fuer Streifen abtastet. Zu sehen ist dann zwar immer nur der Punkt, der gerade beleuchtet wird. Daher sind ein Rechner und ein Bildschirm noetig, damit man das gesamte Bild sehen kann. Bei einem solchen Nahfeld-Mikroskop haengt das Aufloesungsvermoegen und damit die Vergroesserung nur von der Groesse des "Scheinwerfers" ab: Je kleiner der ist, umso besser. Hier haben die Chemnitzer Physiker mit ihrem leuchtenden Atom gerade den kleinsten Scheinwerfer der Welt erfunden - die ideale Lichtquelle fuer die Nahfeld-Mikroskopie. Bisher nimmt man zur Beleuchtung noch einen den tausendsten Teil eines Millimeters breiten Laserstrahl - zu grob im Vergleich zur Welt der Atome. Das Rasterelektronenmikroskop beruht uebrigens auf dem gleichen Prinzip, nur benutzt man dort einen Elektronenstrahl, der lebende Proben zerstoeren wuerde. Ausserdem muss die Probe aufwendig vorbereitet werden. All diese Nachteile werden durch ein Nahfeld-Mikroskop umgangen.

    Diamanten benutzten die Physiker uebrigens, weil die eine zehnmal so hohe Waermeleitfaehigkeit wie Kupfer und eine sehr grosse Haerte aufweisen - wegen dieser Eigenschaften werden die funkelnden Steine in Zukunft eine grosse Rolle bei neuen optoelektronischen Schaltungen spielen. In besonders lei- stungsfaehigen, auf lange Lebensdauer ausgelegten Spezialchips, etwa fuer die Raumfahrt, werden sie schon heute verwandt. Freilich werden solche Industriediamanten kuenstlich unter einem Druck von 100.000 Atmosphaeren bei etwa 1.700 Grad Celsius unter Luftabschluss hergestellt. Auch in der Groesse koennen sie sich nicht mit Schmucksteinen messen - sie wiegen im Schnitt nur ein Hundertstel Gramm und sind etwa ein Zehntel Millimeter gross.

    (Autor: Hubert J. Giess)

    Weitere Informationen: Technische Universitaet Chemnitz, Institut fuer Physik, Reichenhainer Str. 70, 09107 Chemnitz, Prof. Dr. Christian von Borczyskowski, Tel. (03 71)5 31-30 35, Fax (03 71)5 31-30 60, e-mail: borczyskowski@physik.tu-chemnitz.de

    Foto: Zu diesem Beitrag existiert ein dpa-Foto! Die Darstellung ,leuchtender Atome" ist als cdr-File in der TU-Pressestelle vorhanden.

    Den Originalartikel finden Sie in Science, Vol. 276, S. 2012-2014, unter dem Titel "Scanning Confocal Optical Microscopy and Magnetic Resonance on Single Defect Centers". Autoren sind die Chemnitzer Physiker Achim Gruber, Alexander Draebenstedt, Carsten Tietz, Ludevic Fleury, Joerg Wrachtrup und Christian von Borczyskowski.


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    Criteria of this press release:
    Biology, Chemistry, Electrical engineering, Energy, Materials sciences, Mathematics, Mechanical engineering, Physics / astronomy
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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