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10/22/2002 11:51

Sonderforschungsbereich "Ritualdynamik" der Universität Heidelberg feierlich eröffnet

Dr. Michael Schwarz Kommunikation und Marketing
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

    Rektor Prof. Dr. Peter Hommelhoff beim Eröffnungsritual: "Wir müssen uns kräftig anstrengen, um den Steuerzahler davon zu überzeugen, dass sein Geld auch in der Ritualdynamik nicht bloß gut, sondern sogar hervorragend angelegt ist"

    Mit einem Eröffnungsritual besonderer Art fand gestern in der Aula der Alten Universität der Start eines interdisziplinären Großforschungsprojekts der Universität Heidelberg statt: des Sonderforschungsbereichs "Ritualdynamik", dessen Gegenstand die Ritualtraditionen und -prozesse in verschiedenen alten und neuen Kulturen bilden. An dem Projekt sind 60 Heidelberger Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus sechs kultur-, sozial- und medizinwissenschaftlichen Fakultäten beteiligt. Das eigens für diesen Zweck entworfene Eröffnungsritual ließ traditionelle Formen der Disputation lebendig werden. Der "Lectio" von Prof. Dr. Walter Burkert aus Zürich über das Thema "Ritual zwischen Ethologie und Postmoderne" folgte die "Quaestio disputata" zu der Streitfrage "Sind Rituale (sozio-)biologisch programmiert?"

    Rektor Prof. Dr. Peter Hommelhoff eröffnete die Disputation mit seiner "Salutatio". "Man stelle sich vor, ein Finanzanalyst, also jemand, der den Kapitalanlegern Rat erteilt, wo sie ihr Geld anlegen und wo sie es besser abziehen sollten, also ein solcher Finanzanalyst säße hier in der Alten Aula ganz hinten, würde unser Treiben beobachten und den Reden aufmerksam mit dem Ziel zuhören, den Geldgebern, also den Steuerzahlern, zu berichten, ob ihr Geld gut angelegt oder, wie es im Börsenjargon heißt, 'verbrannt' wird. Ist die Ruprecht-Karls-Universität mitsamt ihren am Sonderforschungsbereich 619 beteiligten 56 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein 'cash burner', weil die Geschäftsidee auf dem Markt keinen Ertrag verspricht, ja: weil es überhaupt keinen Nachfragemarkt nach den Erkenntnissen dieses Wissenschaftlerverbundes gibt? Kein 'return of investment': Sollten die Steuerzahler, so könnte unser Finanzanalyst Ihnen nahelegen, nicht besser darauf dringen, die bewilligten 3,5 Millionen Euro umzulenken - etwa in den Aufbau der 'European School for Economics and Technics' im ehemaligen DDR-Staatsratsgebäude gleich neben dem Gelände des Berliner Schlosses, des Lieblingskinds der deutschen Großunternehmen?"

    "In der Tat könnte unser Finanzanalyst nur allzu schnell zu einem solchen oder einem ähnlichen Schluss gelangen: Was wollen denn diese Ritualdynamiker? Gut, sie wollen das überkommene Verständnis überwinden, Rituale seien Stereotype und erstarrte Verhaltensformen; statt dessen wollen sie der Frage nachgehen, wie rituelle Praktiken entstehen und vergehen, wollen erforschen, warum und zu welchen Zwecken Rituale erfunden und aus welchen Motiven heraus Rituale kritisiert werden. Aber muss man, so wird unser Finanzanalyst aufstöhnen, für so etwas 3,5 Millionen Euro in die Hand nehmen? Warum Gerhard Schröder das Ritual eines Sonderparteitages initiiert, um sich die Koalitionsvereinbarungen absegnen zu lassen, weiß doch jeder Leser der 'Financial Times'."

    "Kurzum: vor den Augen eines Finanzanalysten wird die Ruperto Carola mit ihrer Ritualdynamik keine Gnade finden", so Hommelhoff weiter. "Aber kommt es darauf an? Finanzanalysten haben, so könnten wir fundamentalistisch erwidern, an der Universität nichts zu suchen. Aber so einfach sollten wir es uns nicht machen; vielmehr müssen wir uns kräftig anstrengen, um den Steuerzahler davon zu überzeugen, dass sein Geld auch in der Ritualdynamik nicht bloß gut, sondern sogar hervorragend angelegt ist. Zu diesem Zweck müssen wir uns nachdrücklich darum bemühen, selbst den 'return' der öffentlichen Investition zu definieren, diese Definition vor allem außerhalb der Universität zu kommunizieren und für den so definierten 'return' möglichst breite Kreise der Öffentlichkeit über ihre 'opinion builder and leader' zu gewinnen."

    "Was ist der zu erwartende 'return' des Sonderforschungsbereichs Ritualdynamik? Es ist der Vergleich verschiedener Ritualtypen in Asien, Europa, es sind die Kulturvarianzen und -invarianzen rituellen Verhaltens und - besonders spannend - die Übertragung von Ritualen aus einer Kultur, Religion oder Region in andere. Damit konkretisiert und bestätigt die Ritualdynamik die Zielsetzungen der so genannten Kleinen Fächer, ja ihre Existenzberechtigung beeindruckend; denn wie die Kleinen Fächer insgesamt, so bewahrt die Ritualdynamik das kulturelle Gedächtnis, gibt sie in kritischer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit unserer Gesellschaft Orientierung für die Zukunft, und dient die Ritualdynamik der Vielfalt des Denkens."

    Hommelhoff: "Der 'return' der Ritualdynamik ist ein durch und durch wissenschaftsspezifischer, kein wirtschafts- oder vordergründig finanzspezifischer; das müssen wir vermitteln und dafür müssen wir gegebenenfalls kämpfen. Der 'return' des Sonderforschungsbereichs Ritualdynamik ist aber zugleich ein universitätsspezifischer: In ihm wirken 14 kulturwissenschaftliche Fächer aus sechs Fakultäten der Ruperto Carola zusammen. Für eine zweite Phase wird gewiss zu erwägen sein, ob noch das eine oder andere Fach aufgenommen werden sollte, so etwa die Musikwissenschaften, deren Fehlen sogar mir als Juristen aufgefallen ist. Schon jetzt schafft dies in Heidelberg bisher einzigartige Netzwerk in den Geistes- und Sozialwissenschaften eine qualitativ völlig neue Plattform interdisziplinären Zusammenwirkens. Auch für den Erfolg dieses Experiments wünsche ich allen Beteiligten Erfolg - möge es ein Beispiel geben, das Andere zur Nachfolge anreizt."

    Im Anschluss an die Begrüßung durch den Rektor folgte die "Introductio" von Prof. Dr. Axel Michaels, Sprecher des SFB 619: "Wozu Ritualforschung?" Dem Hauptvortrag von Prof. Dr. Walter Burkert folgte sodann die Disputation "Sind Rituale (sozio-)biologisch programmiert?" Dr. Christiane Brosius (Opponens) und Prof. Dr. Dietrich Harth (Respondens) trafen hier stilgerecht aufeinander. Das Resümee zog zum Abschluss Prorektor Prof. Dr. Angelos Chaniotis (Determinatio).

    Weitere Informationen im Internet: www.ritualdynamik.uni-hd.de

    Rückfragen von Journalisten bitte an:
    Dr. Michael Schwarz
    Pressesprecher der Universität Heidelberg
    Tel. 06221 542310, Fax 542317
    michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
    http://www.uni-heidelberg.de/presse/index.html

    Rückfragen zum Sonderforschungsbereich bitte an:
    Prof. Dr. Axel Michaels
    Südasien-Institut der Universität Heidelberg
    Tel. 06221 548917, Fax 546338
    axel.michaels@urz.uni-heidelberg.de


    More information:

    http://www.ritualdynamik.uni-hd.de


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    Criteria of this press release:
    History / archaeology, Language / literature, Law, Philosophy / ethics, Politics, Religion, Social studies
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research projects
    German


     

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