Gestern nachmittag, 2. Juli 1998, ist in der Fakultät für Sozialwissenschaft der RUB der bekannte grüne Politiker Ludger Volmer promoviert worden. Seine politikwissenschaftliohe Dissertation behandelt "Die Grünen und die Außenpolitik".
Bochum. 03.07.1998
Nr. 143
"Ein schwieriges Verhältnis"
"Die Grünen und die Außenpolitik"
Ludger Volmer (MdB, Die Grünen) in der RUB promoviert
Gestern nachmittag, 2. Juli 1998, ist in der Fakultät für Sozialwissenschaft der RUB der bekannte grüne Politiker Ludger Volmer promoviert worden. Seine politikwissenschaftliohe Dissertation behandelt "Die Grünen und die Außenpolitik". Diese Beziehung hat Ludger Volmer, der als Mitglied des Deutschen Bundestages einer der prominentesten außenpolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen ist, im Untertitel seiner Arbeit als ein "schwieriges Verhältnis" gekennzeichnet.
Die Thesen von Ludger Volmer sind unten abgedruckt. Fotos bzw. scanns sind bei uns erhältlich.
Veröffentlichung der Untersuchung schon im August
In einem politikanalytisch-zeitgeschichtlichen Vorgehen hat Volmer den Wandel der außenpolitischen Programmatik der Grünen seit ihrer Entstehung Ende der 70er Jahre bis in den gegenwärtigen Vorwahlkampf im Detail untersucht. Der höchst aktuelle Ausblick der Arbeit setzt sich mit der Re-gierungsbereitschaft der langjährigen Oppositionspartei auseinander. Die Dissertation, die von Prof. Dr. Wilhelm Bleek (Politische Wissenschaft) betreut wurde, wird bereits im August dieses Jahres im Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster, erscheinen und sicherlich auf großes Interesse nicht nur in der Fachwissenschaft, sondern auch der politischen Öffentlichkeit stoßen. Der Prüfungskommision gehörten folgende RUB-Wissenschaftler an: Prof. Dr. Werner Voß (Vorsitzender der Promotionskommission), Prof. Dr. Wilhelm Bleek (Doktorvater) Prof. Günter Schmidt (Politische Wissenschaft, Außenpolitik, Zweitgutachter), Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Knut lpsen (Prüfer im Völkerrecht), Prof. Dr. Rolf G. Heinze (Prüfer in Soziologie).
In den 70ern in der RUB politisch aktiv studiert
Für Ludger Volmer war die Promotion an der RUB auch eine Rückkehr an die Heimatuniversität. Der geborene Gelsenkirchener und Sohn eines CDU-Bundestagsabgeordneten hat in den aufregenden 70er Jahren an der RUB Sozialwissenschaft und Pädagogik studiert und war auch als Asta-Mitglied in der Studentenpolitik aktiv. Er war außerdem Chefredakteur der Bochumer Studenten-Zeitung (BSZ) und hat in dieser Zeit die berühmt-berüchtigte anonyme Kolumne "Unsymp der Woche" initiiert. Ende Dezember 1979 gehörte er zu den Mitbegründern der Partei "Die Grünen" und rückte 1983 in den Bundestag nach. Dort war er zeitweise Fraktionsvorsitzender und hat nach dem Ausscheiden der Grünen aus dem Bundestag im Dezember 1990 als Parteivorsitzender wesentlich dazu beigetragen, daß die Partei sich programmatisch und politisch konsolidieren und 1994 wieder in das Parlament einziehen konnte.
Balanceakt zwischen politischer Praxis und Politikwissenschaft
Mit dieser Promotion hat Ludger Volmer unter Beweis gestellt, daß der Balanceakt zwischen politischer Praxis und Politikwissenschaft möglich ist. Als Berufspolitiker profitiert er von seinen analytischen Einsichten in die Politik, als Politikwissenschaftler ist ihm der leichte Zugang zu den Quellen und den politischen Hintergründen für seine als sehr gut bewertete Doktorarbeit von Vorteil gewesen.
Ludger Volmer: Thesen zur Disputation
"1. Die neue Partei der GRÜNEN entstand auf einer postmateriellen Wertebasis aus den neuen sozialen Bewegungen Sie beendete nicht nur das Dreiparteiensystem der BRD, sondern forderte auch den bis dahin geltenden Konsens in der staatlichen Außen- und Sicherheitspolitik heraus, den sie mit den gesellschaftsweltlichen Ansprüchen von internationalen Basisakteuren konfrontierte.
2. Die GRÜNEN grenzten sich in den 80er Jahren von der ,,realistischen Schule" der internationalen Politik ab. In bewußtem theoretischen Eklektizismus nahmen sie Elemente aus den Interdependenz- und Integrationstheorien wie aus der politischen Ökonomie und der transnationalen Politik auf, die sie im Sinne einer normativen Friedenspolitik und regimetheoretischer Regulierungsansätze zuspitzten. In den 90er Jahren öffneten sie sich dem Diskurs mit neo-realistischen Ansätzen.
3. Auch wenn bei der grünen Programmentwicklung die Sachorientierung auf der Basis konsensueller Grundwerte im Vordergrund stand (vgl. Nato-Nachrüstung, internationale Schuldenkrise), wurden außenpolitische Aussagen doch innenpolitisch funktionalisiert: zum einen für innerparteiliche Richtungsentscheidungen, zum anderen für zwischenparteiliche Profilierungen.
4. In heftigen Richtungskämpfen kristallisierten sich so drei konkurrierende Formen des Pazifismus heraus, die auch Aufschluß über die Handlungsfähigkeit der GRÜNEN im Spannungsfeld von programmatischem Anspruch und den einschränkenden Bedingungen einer Regierungsbetei-ligung geben: der "radikale Pazifismus" verharrt in der reinen Negation der traditionellen Außenpolitik; der ,,Nuklearpazifismus" sucht sich realpolitisch an die traditionelle Politik zu assimilieren; der ,,politische Pazifismus" will weitgehende Ansprüche reformpolitisch gradualisieren und operationalisieren.
5. Das pazifistische Postulat der "Zivilisierung" der internationalen Beziehungen trifft sich dort mit dem traditionellen Diskurs, wo dieser Zivilmachtkonzepte entwirft. Die Selbsthilfepolitik von Staaten und Bündnissen soll ersetzt werden durch die Verrechtlichung internationaler Beziehungen, die Stärkung internationaler Zivilorganisationen durch Systeme kollektiver Sicherheit, eine ökologisch-solidarische Weltwirtschaft und umfassenden Menschenrechtsschutz. Ziel ist die Substituierung gewaltförmiger Konfliktaustragung durch zivilgesellschaftliche Ordnungsmuster
6. Die grünen Ansätze bündeln sich im Entwurf einer ,,internationalen Strukturpolitik". Diese versucht - eher den Konzepten der 'global governance' als Weltstaatsmodellen ähnlich -, in einer integrierten Sicht staa-ten- und gesellschaftsweltlicher Handlungsoptionen globalökologische, entwicklungspolitische und sicherheitspolitische Ziele gleichermaßen zu erreichen. Ziel ist die umfassende Krisenprävention durch Demokratisierung und soziale Gerechtigkeit im globalen Maßstab.
7. Nachdem der postmateriell-internationalistische Pazifismus als Perspektive der Blocküberwindung in den 80er Jahren den Anspruch auf Geltendmachung eines Universalinteresses reklamieren konnte, sieht er sich in den 90er Jahre innen- und außenpolitisch mit neuen materiellen und nationalen Ansprüchen konfrontiert. Zudem muß er den Grundwertekonflikt zwischen Antimilitarismus und Menschenrechtsorientierung lösen. Es scheint lohnend, seine Handlungsbedingungen und Einflußmöglichkeiten genau zu erforschen und in eine theoretische Neubestimmung des politischen Pazifismus münden zu lassen."
Criteria of this press release:
History / archaeology, Law, Politics, Social studies
transregional, national
Personnel announcements, Research projects
German
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