idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
10/23/2013 12:11

Schmerzforschung: „Treuehormon“ als Therapieverstärker

Frank A. Miltner Pressestelle der DGN
Deutsche Gesellschaft für Neurologie

    Heinrich Pette-Preisträgerin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie will Placebo-Effekt für wirksamere Therapien nutzen

    Der Placebo-Effekt lässt sich durch das „Treuehormon“ Oxytocin steigern. Der Botenstoff wirkt wie ein Therapieverstärker und könnte in Zukunft bewusst dafür eingesetzt werden eine Behandlung zu verbessern. Deutliche Hinweise darauf hat erstmals eine Gruppe Wissenschaftler um Professor Ulrike Bingel aus Essen gefunden, wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) berichtet. Die Wissenschaftler verstärkten mit Oxytocin die Wirkung eines Scheinmedikaments (Placebo), von dem die Versuchsteilnehmer Schmerzlinderung erwarteten.

    Wie Bingel und ihre Kollegen in der Ausgabe vom 23. Oktober der Fachzeitschrift JAMA erläutern, fördert Oxytocin die Bindung zwischen Paaren sowie das Mitgefühl und das Vertrauen in andere Menschen, wahrscheinlich auch in den behandelnden Arzt. „Unsere Untersuchungen sind möglicherweise der erste Schritt zu einer gezielten, auch pharmakologischen Verstärkung von nützlichen Placebo-Effekten zum Wohle des Patienten im klinischen Alltag“, so das Resümee der Neurologin.

    Ulrike Bingel, seit Juli 2013 Professorin für Funktionelle Bildgebung an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen, forscht bereits seit Jahren am klinischen Einsatz des Placebo-Effekts. Erst im September hat sie für ihre herausragenden wissenschaftlichen Erfolge in der Schmerzforschung von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) den mit 10.000 Euro dotierten Heinrich Pette-Preis erhalten.

    Größeres Vertrauen mit Nasenspray
    Für ihr Experiment, das noch an der früheren Wirkungsstätte von Professor Bingel in Hamburg durchgeführt wurde, hatten die Wissenschaftler 80 männliche Freiwillige gewonnen, die nach dem Zufallsprinzip mit einem Nasenspray entweder Oxytocin oder eine unwirksame Salzlösung verabreicht bekamen. Anschließend tupfte ein Arzt den Probanden an zwei Stellen zwei gleichermaßen unwirksame Salben auf den Unterarm. Dazu erklärte der Arzt allerdings, dass sich an der einen Stelle ein schmerzlinderndes Mittel befände und lediglich an der anderen eine unwirksame Kontrollsalbe. Als die Forscher schließlich die beiden Stellen mit Hitze reizten, bewerteten die Probanden den Schmerz an jener Stelle als geringer, an der man die angeblich schmerzlindernde Salbe aufgetragen hatte (49 gegenüber 59 von 100 Punkten auf der Visuellen Analogskala VAS). Die Reduktion des Schmerzes durch den Placebo-Effekt fiel unter Oxytocin (12 Punkte) deutlich stärker aus als bei dem Nasenspray mit der Salzlösung (7 Punkte). Mit weiteren Kontrollversuchen konnten Bingel und Kollegen ausschließen, dass das Hormon Oxytocin selbst eine schmerzlindernde Wirkung entfaltete.

    „Soweit wir wissen, liefert diese Studie den ersten experimentellen Beweis, dass die Placeboreaktion durch die Anwendung von Oxytocin pharmakologisch verstärkt werden kann“, schreiben die Wissenschaftler in JAMA. Solch eine verstärkende Wirkung könne man nutzen, um eine echte pharmakologische oder andere spezifische Behandlungen mit Placebos zu unterstützen. „Das Treuehormon hat möglicherweise die Glaubwürdigkeit des Arztes verstärkt“, interpretiert Bingel. Zusätzlich hätten aber vielleicht auch die stress- und angstlösenden Eigenschaften des Oxytocins entsprechende Wirkung gehabt. Für Professor Bingel und ihre Mitarbeiter ist die Studie ein weiterer Schritt in Richtung einer rationalen und effektiven Nutzung des Placeboeffekts in der klinischen Praxis. „Placebo-Effekte sind eine erstrebenswerte Unterstützung medizinisch-therapeutischer Maßnahmen, die es zum Nutzen der Patienten zu maximieren gilt“, so die Neurologin. Diese Befunde müssen nun bei einer größeren Anzahl echter Patienten erforscht, die Mechanismen dahinter entschlüsselt und weitere Einflussfaktoren wie das Geschlecht und das Arzt-Patienten-Verhältnis untersucht werden.


    Literatur
    Kessner S. et al. Effect of Oxytocin on Placebo Analgesia: A Randomized Study. JAMA 2013; 310 (16)


    Fachlicher Kontakt bei Rückfragen:
    Professor Dr. Ulrike Bingel
    Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen
    Hufelandstr. 55, 45122 Essen
    Tel.: +49 (0)201-723-2165
    E-Mail: ulrike.bingel@uk-essen.de

    Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
    sieht sich als neurologische Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren mehr als 7500 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist seit 2008 die Bundeshauptstadt Berlin.
    www.dgn.org

    1. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Martin Grond
    2. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Wolfgang H. Oertel
    3. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Ralf Gold
    Geschäftsführer: Dr. rer. nat. Thomas Thiekötter

    Geschäftsstelle
    Reinhardtstr. 27 C, 10117 Berlin, Tel.: +49 (0) 30 531437930, E-Mail: info@dgn.org

    Ansprechpartner für die Medien
    Frank A. Miltner, Tel.: +49 (0) 89 461486-22, E-Mail: presse@dgn.org

    Pressesprecher der DGN: Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen


    More information:

    http://www.dgn.org


    Images

    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students
    Biology, Medicine
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).