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07/14/1998 00:00

Konjunkturaufschwung im Schatten der Asienkrise

Ina Hormuth Öffentlichkeitsarbeit
HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung Hamburg

    Konjunkturaufschwung im Schatten der Asienkrise

    Ungeachtet der anhaltenden Krise in Südostasien hat sich die konjunkturelle Erholung in Deutschland in der ersten Hälfte dieses Jahres gefestigt und an Breite gewonnen, schreibt das HWWA in der jüngsten Ausgabe des WIRTSCHAFTSDIENST. Der Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts hat sich im ersten Quartal 1998 sogar spürbar beschleunigt, doch haben dabei Sonderfaktoren wie der milde Winter und vorgezogene Käufe wegen der Erhöhung der Mehrwertsteuer eine Rolle gespielt. Der Export ist weiterhin eine wesentliche Stütze der Konjunktur. Der Aufschwung greift aber mehr und mehr auf die Binnennachfrage über. So sind die Ausrüstungsinvestitionen nach der Jahreswende kräftig ausgeweitet worden. Merklich zugenommen hat auch der private Verbrauch. Zwar gab es dabei Vorzieheffekte als Folge der Mehrwertsteueranhebung. Die deutliche Erhöhung der Auftragseingänge im Verbrauchsgütergewerbe deutet aber auch auf eine Festigung der Konsumneigung hin. Kaum gebessert hat sich dagegen die Situation am Bau; immerhin haben sich zumindest in Westdeutschland die Auftragseingänge in den meisten Bereichen nach der Jahreswende wieder etwas erhöht.

    Eine selbsttragende, relativ robuste Aufwärtsentwicklung hat sich bisher aber lediglich in Westdeutschland herausgebildet. In Ostdeutschland hat das reale Bruttoinlandsprodukt schon seit geraumer Zeit kaum noch zugenommen. Ausschlaggebend dafür war die anhaltend ungünstige Entwicklung im Baugewerbe. In der ostdeutschen Industrie, wo die Produktion bereits 1997 um rund 8 % gestiegen war, hielt die Aufwärtstendenz an. Nach wie vor wird aber die höhere Produktion weitgehend durch Ausschöpfung von Produktivitätspotentialen bewältigt.

    Die konjunkturelle Erholung findet mehr und mehr auch ihren Niederschlag am Arbeitsmarkt. In Westdeutschland scheint - begünstigt durch die moderate Lohnpolitik - die Wende nunmehr vollzogen; seit Jahresbeginn steigt die Zahl der Erwerbstätigen wieder und die der Arbeitslosen ist spürbar zurückgegangen. Zwar hat auch in Ostdeutschland in den letzten Monaten die Beschäftigung leicht zugenommen, und die Zahl der Arbeitslosen ist spürbar gesunken. Doch ist dies in erster Linie auf arbeitsmarktpolitische Maßnahmen des Staates zurückzuführen. Die Mittel dafür sind, nachdem sie im vergangenen Jahr unter dem Druck von Maastricht deutlich gekürzt worden waren, im Wahljahr 1998 wieder erheblich aufgestockt worden.

    Etwas getrübt wird das Bild durch die Finanzkrise in Südostasien. Sie zieht sich länger hin als noch vor einiger Zeit angenommen. Nach wie vor gibt es Widerstände gegen eine rasche und konsequente Umsetzung der - durchaus nicht unumstrittenen - Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF), zumal die mit der Umstrukturierung verbundenen Härten teilweise zu erheblichen Unruhen geführt haben. Schon deshalb wird es noch einige Zeit dauern, bis sich die wirtschaftlichen Lage in Südostasien stabilisiert. Eine neue "Qualität" hat die Krise durch die Entwicklung in Japan bekommen. Mit der Abwertung des Yen, die nicht zuletzt ein gesunkenes Vertrauen der Finanzmärkte in die Fähigkeit der Japaner widerspiegelt, ihre strukturellen Probleme zu lösen, hat sich die Wettbewerbsfähigkeit japanischer Anbieter gegenüber Konkurrenten aus Europa und aus dem Dollarraum kräftig verbessert. Japan dürfte aufgrund seines hohen Weltmarktanteils und seines breit gefächerten Angebots weit eher als die südostasiatischen Entwicklungsländer in der Lage sein, diesen Vorteil in höhere Exporte umzusetzen. Die Zuspitzung der Lage in Japan erschwert auch die Stabilisierung in den anderen Ländern. Insofern sind die außenwirtschaftlichen Risiken deutlich größer geworden.

    Japan hat im Frühjahr ein umfangreiches Paket zur Ankurbelung der Konjunktur geschnürt. Überdies hat die Regierung jetzt Maßnahmen zur Sanierung des Finanzsektors konzipiert. Viel wird davon abhängen, wie entschlossen die strukturellen Probleme im Finanzsektor tatsächlich angegangen werden und wie rasch die ergriffenen Maßnahmen zur Stärkung der Binnennachfrage greifen. Kommt es - wie hier angenommen - in Japan in der zweiten Jahreshälfte 1998 zu einer Belebung der Konjunktur, und gelingt es, den Yen-Kurs zu stabilisieren, werden die von der Asienkrise ausgehenden Belastungen für die Konjunktur in Europa zwar etwas stärker ausfallen als bisher angenommen, wegen der weiterhin günstigen monetären Rahmenbedingungen - zu denen mittelbar auch die Auswirkungen der Finanzkrise beitragen - ist mit einem konjunkturellen Einbruch aber nicht zu rechnen.

    Im Mai dieses Jahres sind die Weichen für die 3. Stufe der Europäischen Währungsunion gestellt worden. Sie wird fristgerecht am 1. Januar 1999 mit 11 Ländern starten; dann wird die Verantwortung für die Geldpolitik in der EWU endgültig auf die Europäische Zentralbank (EZB) übergehen. In den nächsten Monaten werden die noch bestehenden Unterschiede bei den kurzfristigen Zinsen eingeebnet werden. Angesichts der gestiegenen außenwirtschaftlichen Risiken durch die neuerliche Verschärfung der Asienkrise ist es wahrscheinlich, daß sich die Anpassung durch Zinssenkungen in den "Hochzinsländern" vollziehen wird.

    Die Europäische Zentralbank wird - und sollte - ihre Geldpolitik von der wirtschaftlichen Entwicklung im gesamten EWU-Raum abhängig machen. Dort ist aber trotz fortschreitender konjunktureller Erholung auch 1999 insgesamt noch keine spürbare Beschleunigung des Preisauftriebs zu erwarten. Um ihren Stabilitätswillen zu betonen und Reputation zu gewinnen, dürfte die EZB allerdings bei sich abzeichnenden Inflationstendenzen schon frühzeitig ein "Zinssignal" setzen. Bei der Prognose ist unterstellt, daß die kurzfristigen Zinsen im Laufe des kommenden Jahres leicht angehoben werden. Die Geldpolitik wird aber auch dann noch leicht expansiv wirken.

    Anders als die Geldpolitik bleibt die Finanzpolitik in der EWU in nationaler Verantwortung. Sie war 1997 in Deutschland vorrangig auf das Erreichen der Referenzwerte für die Fiskalkriteren des Maastricht-Vertrages ausgerichtet. Dabei gingen von ihr deutliche restriktive Wirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage aus. Nachdem die Hürden für den Beitritt zur Währungsunion genommen sind, ist der Restriktionskurs im Wahljahr 1998 gelockert worden. Eine Aussage für das kommende Jahr ist schon wegen der Unsicherheit über den Ausgang der Bundestagswahl im September sehr schwierig. Nach den Verlautbarungen der einzelnen Parteien ist wohl eher eine weitere Lockerung als eine Verschärfung des finanzpolitischen Kurses zu erwarten.

    Unter diesen Bedingungen wird sich der Konjunkturaufschwung in Deutschland in kaum vermindertem Tempo fortsetzen. Zwar wird der Export spürbar an Fahrt verlieren. Dies wird aber durch einen verstärkten Anstieg der Binnennachfrage weitgehend kompensiert. Erheblichen Anteil daran hat der private Verbrauch; begünstigt durch nachlassende retardierende Effekte von seiten des Arbeitsmarktes wird er deutlich zunehmen. Die Ausrüstungsinvestitionen werden weiter kräftig expandieren. Der Bau bleibt zwar auf der Schattenseite der Konjunktur, die dämpfenden Einflüsse werden aber nachlassen. Alles in allem wird das reale Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr in Deutschland voraussichtlich um 2,6 % steigen; 1999 dürfte sich ein Anstieg in ähnlicher Größenordnung ergeben.

    Mit fortschreitender konjunktureller Erholung wird sich die Lage am Arbeitsmarkt weiter verbessern. Die Beschäftigung wird im Jahresverlauf 1998 merklich zunehmen, im Jahresdurchschnitt allerdings das Vorjahrsniveau noch nicht nennenswert überschreiten. Die Zahl der Arbeitslosen wird im Laufe dieses Jahres um mehr als 300.000 sinken; im Jahresdurchschnitt wird sie mit 4,3 Millionen um etwa 90.000 niedriger sein als im Vorjahr. Nachhaltig bessern wird sich die Lage am Arbeitsmarkt vor allem in Westdeutschland. In Ostdeutschland wird die Zahl der Erwerbstätigen im Laufe dieses Jahres zwar ebenfalls leicht zunehmen; die Arbeitslosigkeit wird sogar merklich zurückgehen. Dies ist aber vorrangig eine Folge der Aufstockung der Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

    Hamburg, 13.07.1998 Telefon 040 35 62 354


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    Criteria of this press release:
    Economics / business administration
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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