Jena. (21.07.98) "Wenn sich mehr Unternehmen aktiv um verbesserte ,investor relations' bemühen, werden auch immer mehr Kleinaktionäre den Weg an die Börse finden", prophezeit der Jenaer Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Kürsten. "Informationsökonomie" heißt das neue Zauberwort im modernen Geschäftsleben und gilt für Transaktionen in der Finanzwelt ebenso wie etwa für Arbeits- oder Versicherungsverträge. Gegenseitiges Vertrauen und der gute Leumund der Vertragspartner sind zwar immer noch eine wichtige Geschäftsgrundlage, stärker als je zuvor versuchen aber z. B. Kreditinstitute und Versicherungsgesellschaften, durch anreizkompatible Vertragsdesigns ihr Risiko aus bewußtem Vertragsmißbrauch zu minimieren.
Durch präzise Klauseln werden etwa bei Kreditverträgen die zweck- und vereinbarungsgemäße Nutzung des geliehenen Geldbetrags gesteuert und die Kontrollrechte des Kreditgebers genau festgelegt. Diese sogenannten Covenants (Nebenabreden) sind ebenso wie die Entwicklung anreizkompatibler Finanzierungsformen einer der wichtigsten Forschungsschwerpunkte Wolfgang Kürstens.
An der Börse funktionieren solche Sicherungsmechanismen für die Anleger, also quasi die Kapitalgeber, subtiler und indirekt. Das Monitoring, also die Überwachung der Geschäftspolitik, bleibt fast ausschließlich den Großaktionären überlassen, die sich etwa durch Positionen in Aufsichtsräten absichern. Der Kleinanleger hingegen spielt va banque - oder er konzentriert sein Vertrauen auf Unternehmen mit einer anlegerfreundlichen Informationspolitik. "Konzerne, die ihre Aktionäre nachhaltig offen und zuverlässig informieren, haben eine viel bessere Performance an der Börse", weiß Prof. Dr. Kürsten. "Nichts haßt der Aktionär mehr, als im unklaren gelassen zu werden."
So wäre etwa der Börsengang der Jenoptik AG ohne eine dezidierte Informationspolitik über die Perspektiven des Unternehmens sicher nicht so erfolgreich verlaufen. Ganz anders bei der Volkswagen AG. Kürsten: "Hier haben es die Aktionäre im Sommer 1997 übel genommen, daß VW über die Verwendung der geplanten Kapitalerhöhung nichts sagen wollte."
Absichern können sich Kapitalanleger aber auch durch neue Finanzinstrumente wie Futures, Optionen und Swaps. Bei solchen derivativen Finanzierungsformen erwirbt man nicht die Aktie selbst, sondern - z. B. im Fall einer Option - lediglich das Recht, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Aktie zu kaufen (call option) oder zu verkaufen (put option). "Finanziert sich ein Unternehmen etwa über Optionsanleihen, wird es aus Eigeninteresse allzu riskante Geschäfte vermeiden", so der Jenaer Wirtschaftswissenschaftler. Denn nicht nur bei Mißerfolg, sondern auch im Erfolgsfall wären existentielle Veränderungen die Folge: Lösen die Anleger ihre Kaufoptionen ein, werden sie von Gläubigern zu Aktionären, und die Eigentumsverhältnisse im Unternehmen wandeln sich schlagartig. Die moderne Informationsökonomie zeigt hier den Weg auf, wie sich negative Verhaltensanreize von Unternehmen vermeiden lassen.
Finanzderivate eignen sich aber auch dazu, das unternehmerische Risiko zu vermindern; bei diesem sogenannten Hedging geht das Unternehmen zu seinem übrigen Geschäft am Kassamarkt eine gegenläufige Position am Terminmarkt ein. Wolfgang Kürsten ist zuversichtlich, daß das Wissen um solche Hedging-Instrumente immer mehr ,Normalbürger' zu Börsianern werden läßt. Das sei auch volkswirtschaftlich notwendig, denn nur durch eine bessere und höhere Kapitalerschließung gewännen viele deutsche Unternehmen erst die Chance, sich als ,global players' auf dem Weltmarkt zu behaupten.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Wolfgang Kürsten, Tel.: 03641/943120
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Wolfgang Hirsch
Fürstengraben 1
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e-mail: h7wohi@sokrates.verwaltung.uni-jena.de
Criteria of this press release:
Economics / business administration
transregional, national
Research projects
German
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