idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
04/02/2014 13:21

Die millisekundengenaue Planung des Gehirns

Jörg Heeren Pressestelle
Universität Bielefeld

    Bielefelder Forscher zeigen, wie Menschen das Greifen steuern

    Was passiert im Gehirn, wenn Menschen nach Objekten greifen? Das war bislang kaum erforscht. Bewegungsneurowissenschaftler der Universität Bielefeld haben jetzt nachgewiesen, wie lange das Gehirn braucht, um eine Präzisionsbewegung zu planen. Die Antwort: Das Gehirn benötigt kaum mehr als eine halbe Sekunde von der Planung der Bewegung bis zu ihrem Abschluss. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben ihre Studie am Dienstag (1.4.2014) im Fachmagazin PLOS ONE veröffentlicht.

    Das menschliche Greifen wurde den Wissenschaftlern zufolge meist nur vom Verhalten her untersucht: Wie bewegen Menschen ihre Arme und Finger, um ein Objekt zu fassen? Und wie lange brauchen sie durchschnittlich, um Greifbewegungen auszuführen? Was im Gehirn vorgeht, sei bisher nicht untersucht worden, weil angenommen wurde, dass Muskelaktivitäten in den Händen die Messung der Hirnströme verfälschen. „In unserer Studie haben wir diesen Störfaktor jedoch herausgerechnet“, sagt Dr. Dirk Koester von der Forschungsgruppe Neurokognition und Bewegung – Biomechanik, die am Exzellenzcluster CITEC der Universität Bielefeld beteiligt ist.

    20 Personen nahmen an der Studie teil. Sie hatten die Aufgabe, einen Stab zu umfassen, der auf einer drehbaren Scheibe montiert ist, und sollten eines seiner Enden zu einem von acht Zielpunkten am Rand drehen. „Das ist eine offene Greifbewegung, wie wir sie zum Beispiel machen, wenn wir einen Kaffeebecher in die Auto-Becherhalterung stellen“, erklärt Koester. Am Ende einer solchen Bewegung stehe eine Präzisionsanforderung. „Wir umfassen einen Becher, wir bewegen den Arm zur Becherhalterung und dann müssen wir den Becher präzise positionieren, um ihn schließlich loszulassen und in die Halterung gleiten zu lassen“, sagt Koester. Im Experiment war die Präzisionsbewegung das Einstellen des „Zeigers“ auf einen der Zielpunkte.

    Das Forschungsteam wollte herausfinden, wann die Vorausplanung für die Präzisionsbewegung anfängt und wie lange sie dauert. „Unsere Messungen zeigen, dass die Vorausplanung 600 Millisekunden vor Bewegungsende anfängt – also etwas mehr als eine halbe Sekunde. Unser Gehirn beschäftigt sich dann noch weitere 200 Millisekunden mit der Greifbewegung, nachdem das Ziel erreicht ist. Diese Zeit braucht es, um zu kontrollieren, ob die Bewegung richtig ausgeführt wurde und ob sie noch korrigiert werden muss“, sagt Professor Dr. Thomas Schack, Leiter der Forschungsgruppe Neurokognition und Bewegung – Biomechanik.

    Das neue Bielefelder Untersuchungsverfahren könnte laut Schack zum Beispiel für medizinische Untersuchungen von Parkinson-Patienten genutzt werden. „Auf diese Weise lässt sich zum Beispiel vergleichen, ob das jeweilige Gehirn ähnliche Planungszeiten wie ein gesundes Gehirn benötigt, um Objekte präzise zu bewegen“, sagt Schack. Ergebnisse der Studie kommen auch der Robotikforschung am Exzellenzcluster CITEC zugute. „Wenn man eine optimale Kommunikation zwischen Mensch und Roboter anstrebt, können solche Mechanismen des menschlichen Gehirns technisch nachgebildet werden.“

    Mit seiner aktuellen Studie belegt das Forschungsteam, wie sehr Greifbewegungen das Arbeitsgedächtnis beanspruchen. Schon in einer vorangegangenen Untersuchung fanden die Wissenschaftler heraus, dass das Umplanen einer Greifbewegung sowohl das räumliche als auch das verbale Arbeitsgedächtnis beansprucht. „Das bedeutet, dass die Planung aktueller Handlungen entsprechende Ressourcen beansprucht und andere kognitive-motorische Vorgänge beeinflusst“, sagt Schack. Das kann lebensgefährliche Folgen haben. „Wer beim Autofahren nach dem Handy sucht oder nach dem Kaffeebecher greift, könnte in kritischen Verkehrssituationen dann Probleme haben, schnell genug zu reagieren und zum Beispiel auszuweichen.“

    Originalveröffentlichung:
    Jan Westerholz, Thomas Schack, Christoph Schütz, Dirk Koester: Habitual vs Non-Habitual Manual Actions: An ERP Study on Overt Movement Execution. PLOS ONE, http://dx.doi.org/10.1371/journal.pone.0093116, erschienen am 1. April 2014.

    Kontakt:
    Dr. Dirk Koester, Universität Bielefeld
    Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC)
    Telefon: 0521 106-2420
    E-Mail: dirk.koester@uni-bielefeld.de


    Images

    Ab wann berechnet das Gehirn, wie sich Hand und Arm bewegen müssen, um Kaffeetassen und andere Objekte, präzise zu positionieren? Das haben Bielefelder Forscher untersucht.
    Ab wann berechnet das Gehirn, wie sich Hand und Arm bewegen müssen, um Kaffeetassen und andere Objek ...
    Source: Foto: CITEC/Universität Bielefeld


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Information technology, Psychology, Sport science
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Ab wann berechnet das Gehirn, wie sich Hand und Arm bewegen müssen, um Kaffeetassen und andere Objekte, präzise zu positionieren? Das haben Bielefelder Forscher untersucht.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).