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04/28/2014 09:21

Wahrnehmung der Eichenfassnote von Wein erfordert weder Geschmacks- noch Geruchssinn

Dr. Julia Weiler Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Wenn Wein auf der Zunge ein raues, pelziges Gefühl hinterlässt, ist weder der Geschmacks- noch der Geruchssinn dafür verantwortlich. Die klassische Eichenfassnote, auch als Barrique-Geschmack bezeichnet, nehmen Menschen über den Nervus trigeminus wahr, der unter anderem Schmerz- und Temperaturempfinden vermittelt. Das berichten Forscher um Prof. Dr. Dr. Dr. Hanns Hatt von der Fakultät für Biologie und Biotechnologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) in der Fachzeitschrift „Chemical Senses“.

    Patienten mit durchtrenntem Geschmacksnerv nehmen Barrique wahr

    In Kooperation mit der HNO-Klinik der RUB am St. Elisabeth-Hospital untersuchte Dr. Nicole Schöbel vom Lehrstuhl Zellphysiologie Patienten mit durchtrenntem Geschmacksnerv, die die fünf Ausprägungen des Geschmackssinns – süß, sauer, bitter, salzig und umami – nicht wahrnehmen konnten. Die Barrique-Note, auch Adstringenz-Empfinden genannt, spürten sie jedoch ganz normal auf der Zunge. Experimente am „Smell and Taste Center Florida“ in Gainesville bestätigten die Ergebnisse: Probanden, deren Geschmacksnerv vorübergehend betäubt war, spürten trotzdem das Barrique-Gefühl. War jedoch zusätzlich der Nervus trigeminus ausgeschaltet, verschwand auch die Barrique-Empfindung.

    Gallussäuren sind für Adstringenz-Empfinden verantwortlich

    Erstmals entschlüsselten die Bochumer Zellphysiologen auch die genauen Strukturmerkmale, die ein Stoff besitzen muss, um die Barrique-Empfindung auszulösen. Entscheidend ist eine Gallussäuregruppe, die aus einem Kohlenstoffring, dem Phenolring, mit drei nebeneinanderliegenden OH-Gruppen besteht. Je mehr Gallussäuregruppen eine Substanz besitzt, desto ausgeprägter ist das Adstringenz-Gefühl. „Gallussäuren kommen schon in den Kernen von Trauben vor, aber in noch größeren Komplexen in Eichenfässern“, erklärt Hanns Hatt. „Im Rotwein schließen sich viele dieser Moleküle zusammen und wirken entsprechend stark.“ Das RUB-Team fand auch heraus, dass größere Komplexe auch stärker auf Nervenzellen wirken und ein deutlicheres Barrique-Empfinden beim Menschen erzeugen.

    Ohne Eichenfass und Holzspäne: Barrique-Empfindung allein durch chemischen Zusatz möglich

    Die Barrique-Note erhält ein Wein nicht nur durch Ausbau im Eichenfass, sondern auch durch den Zusatz von Holzspänen oder Holzmehl. Laut Hanns Hatt geht es nun noch einfacher: „Unsere Forschung macht es möglich, einem Wein allein die chemische Substanz, die die Barrique-Empfindung hervorruft, beizumischen. Solche Zusätze sind in der EU und in den USA erlaubt.“

    Barrique-Stoffe aktivieren Zellen im Nervus trigeminus

    In Zellkulturen untersuchte das RUB-Team den Effekt von Barrique-Stoffen auf Zellen aus dem Nervus trigeminus von Mäusen. Die Substanzen, die das Adstringenz-Empfinden hervorrufen, isolierten die Forscher in Zusammenarbeit mit dem Institut für Lebensmittelchemie der TU München aus Bordeaux-Wein. Die Barrique-Stoffe erregten die Trigeminus-Zellen; sie aktivierten einen auch aus Riechzellen bekannten Signalweg, der über einen G-Protein-gekoppelten Rezeptor läuft. „Wir wissen noch nicht, welcher Rezeptor genau für das Barrique-Empfinden verantwortlich ist, versuchen aber, ihn zu identifizieren“, sagt Prof. Hanns Hatt.

    Titelaufnahme

    N. Schöbel et al. (2014): Astringency is a trigeminal sensation that involves the activation of G protein-coupled signaling by phenolic compounds, Chemical Senses, DOI: 10.1093/chemse/bju014

    Weitere Informationen

    Prof. Dr. Dr. Dr. Hanns Hatt, Lehrstuhl für Zellphysiologie, Fakultät für Biologie und Biotechnologie der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-24586, E-Mail: Hanns.Hatt@rub.de


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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