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08/07/1997 00:00

Anpassungsfortschritte in Ostdeutschland

Ingrid Dede Bereich Öffentlichkeitsarbeit
Institut für Wirtschaftsforschung Halle

    Institut fuer Wirtschaftsforschung Halle

    Gesamtwirtschaftliche und unternehmerische Anpassungsfortschritte in Ostdeutschland (Sechzehnter Bericht)

    In den neuen Bundeslaendern hat sich der wirtschaftliche Horizont in letzter Zeit wieder etwas aufgehellt - trotz der Wolken, die ueber die Bauwirtschaft hinwegziehen und die auch auf andere Bereiche ihre Schatten werfen. Mit fortschreitender konjunktureller Erho- lung im Westen verbessern sich auch die wirtschaftlichen Aussichten im Osten. Zugleich deutet sich ein Wechsel bei den Au triebskraeften an: Allmaehlich uebernimmt die Industrie die Rolle des Schrittmachers fuer die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland. Von einem selbsttragenden Aufschwung ist die ostdeutsche Wirtschaft allerdings noch weit entfernt. Dazu sind die Fortschritte bei der Verbreiterung der Exportbasis noch nicht ausreichend. Dies ist das Fazit, das das Deutsche Institut fuer Wirtschaftsforschung, das Institut fuer Weltwirtschaft und das Institut fuer Wirtschaftsforschung Halle in ihrem 16. Bericht an das Bundeswirtschaftsministerium ziehen.

    Lage und Perspektiven im Sommer 1997

    In der Bauwirtschaft geht die Produktion zurueck. In der gewerb- lichen Wirtschaft ist die Erstwelle von Bauinvestitionen entweder schon abgeebbt oder hat ihren Hoehepunkt erreicht. Beim Ausbau der Infrastruktur ist ein erheblicher Teil der Defizite beseitigt; zu- dem zeigen sich die Bremsspuren der Konsolidierungsanstren- gungen der oeffentlichen Hand. Lediglich der Wohnungsbau hat bis zuletzt expandiert, doch zeichnet sich auch hier ein Rueckgang ab. Alles in allem wird sich der Schrumpfungsprozeá bei der Bau- produktion fortsetzen - auch wenn diese in Ostdeutschland noch auf Jahre hinaus hoeher sein wird als in Westdeutschland. Im Verarbeitenden Gewerbe ziehen Nachfrage und Produktion wieder an, nachdem dort die Expansion um die Jahreswende 1995/96 an Tempo verloren hatte. Auffaellig ist, aehnlich wie in Westdeutschland, die Kombination von steigender Auslands- nachfrage und stagnierender Inlandsnachfrage. Offensichtlich gelingt es der ostdeutschen Industrie immer besser, auf internationalen Maerkten Fuss zu fassen. Der Dienstleistungssektor hat sich seit der Wende recht dynamisch entwickelt. Die Zahl der Selbstaendigen ist in den Jahren 1991-1996 auf mehr als das Anderthalbfache gestiegen. Der Vergleich mit Westdeutschland zeigt, dass in Ostdeutschland konsumnahe Dienstleistungen und die oeffentliche Verwaltung ein recht hohes Gewicht haben, dass aber das Angebot bei produktionsnahen Dienstleistungen unterentwickelt ist. Nach einer Umfrage bei aus- gewaehlten produktionsnahen Dienstleistungsbranchen im Herbst 1996 stehen Finanzierungs- und Liquiditaetsprobleme im Vorder- grund. Dennoch war der weitaus groessere Teil der Unternehmen mit der Auslastung der Kapazitaeten zufrieden.

    Die ostdeutsche Wirtschaft in der ueberregionalen Arbeitsteilung

    Das zentrale Problem in Ostdeutschland ist und bleibt nach Ansicht der Institute die unzureichende Wettbewerbsfaehigkeit vieler Unternehmen. Sie kommt vor allem in geringen Marktanteilen bei ueberregional handelbaren Guetern zum Ausdruck. Ostdeutsche Industrieunternehmen sind vielmehr in hohem Masse auf lokale und regionale Maerkte orientiert. Nach einer im Herbst 1996 durchgefuehrten Befragung machten sie etwa ein Sechstel ihrer Umsaetze in der naeheren Umgebung, reichlich ein Viertel in anderen Ge- bieten der neuen Bundeslaender, ein Drittel in den alten Bundeslaendern und ein Fuenftel im Ausland. Im Vergleich zur Befragung im Fruehjahr 1995 ist jedoch ein bemerkenswerter Wandel festzustellen. Einer groesseren Zahl von Unternehmen gelingt es, auf ueberregionalen Maerkten Fuss zu fassen: Es steigt nicht nur der Anteil der Unternehmen, die ihren Absatzradius ausweiten, sondern auch der Anteil des Umsatzes, der auf ueberregionalen Maerkten erzielt wird. Beim Exportgeschaeft verlieren die Maerkte in Mittel- und Osteuropa fuer die ostdeutschen Unternehmen weiter an Bedeutung. Dieser Verlust kann inzwischen aber vielerorts durch einen hoehe- ren Absatz auf westeuropaeischen Maerkten kompensiert werden. Der Aufbau einer Wirtschaft, die sich im ueberregionalen Wettbewerb behaupten kann, braucht allerdings Zeit, wie die Institute betonen.

    Es gilt noch einige Schwierigkeiten zu ueberwinden:

    - Das hohe Kostenniveau ist die Achillesferse vieler ostdeutscher Unternehmen. Es begrenzt die Preisflexibilitaet nach unten und damit den Spielraum fuer eine Niedrigpreis-Strategie, die viele Unternehmen um so mehr verfolgen muessen, als sie nicht ueber eingefuehrte Produkte verfuegen. Die Ergebnisse der Kostenstrukturstatistik zeigen, dass sich die ostdeutschen Industrieunternehmen bei den Produktionskosten im Branchenquerschnitt vergleichsweise wenig unterscheiden. Sie unterscheiden sich aber im Hinblick auf ihre Moeglichkeiten, die Kosten an die Abnehmer weiterzugeben, weil sie haeufig unter recht ungleichen Marktbedingungen operieren.

    - Der Service, den ein Unternehmen bietet, ist fuer die Attraktivitaet des Angebots ebenso wichtig wie Qualitaet und Preis der Produkte. Tatsaechlich aber liegt in vielen Zweigen des Verarbeitenden Gewerbes der Anteil der Umsaetze aus Dienstleistungen am Gesamt- umsatz deutlich unter westdeutschem Niveau, was darauf hindeutet, dass ostdeutsche Unternehmen der Notwendigkeit, ihr Leistungsangebot durch verstaerkte Serviceaktivitaeten abzurunden, nicht ausreichend Rechnung tragen.

    - Die im Schnitt recht kleinen Betriebsgroessen in Ostdeutschland tragen auch zu der geringen Praesenz auf ueberregionalen Maerkten bei. Waehrend in Westdeutschland im Branchenquerschnitt eine positive Korrelation zwischen Betriebsgroesse und Handelsintensitaet besteht, ist in Ostdeutschland das Bild recht diffus. Das liegt vor allem daran, dass dort gerade das Verarbeitende Gewerbe ueber alle Branchen hinweg von industriellen Kleinbetrieben und Handwerksbetrieben mit zumeist nur schwacher ueberregionaler Absatzorientierung bestimmt wird.

    Haupthindernis fuer kleine Hersteller ist, dass sie es haeufig mit Grossabnehmern zu tun haben, sei es in der Industrie, sei es im Handel. Und auch der Absatz an kleinere Kunden fuehrt meist ueber den Grosshandel, bei dem in der Regel umsatzstarke Firmen den Ton angeben. Bei Grossabnehmern sind die Marktzugangshuerden im allgemeinen recht hoch. Es zeigt sich, dass sich kleinere Unternehmen enorm schwertun, eine dauerhafte Geschaeftsbeziehung zu grossen Handelsketten aufzubauen. Wegen der geringen Breite ihres Sortiments fungieren sie haeufig nur als "Lueckenfueller", die lediglich fuer einen kurzen Zeitraum gelistet werden. Das neue mittelfristige Foerderprogramm der Bundesregierung zielt auf die Staerkung der Investitions- und Innovationskraft der Unternehmen, ohne neue spezifische Instrumente zur direkten Absatzfoerderung einzufuehren. Dies ist nach Ansicht der drei Institute die einzig nachhaltig wirksame und damit erfolgversprechende Form der Absatzfoerderung, denn die Absatzschwaeche ostdeutscher Unternehmen ist ein strukturelles Problem. Ostdeutschland weist heute einen starken Besatz mit Kleinbetrieben auf. Vielen mangelt es an der Kompetenz, die notwendig ist, um ueberregionale Maerkte zu erschliessen. Fehlende Kompetenz kann die Wirtschaftspolitik nicht kompensieren, und das ist auch nicht ihre Aufgabe.


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    Criteria of this press release:
    Economics / business administration
    transregional, national
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    German


     

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