Düsseldorf – Mit deutlichen Worten wendet sich der Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) gegen Normierungsvorhaben ärztlicher Dienstleistungen im Europäischen Komitee für Normung (CEN). Die von Rechtsanwalt Dr. iur. Albrecht Wienke, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Medizinrecht (DGMR), moderierte Expertenrunde forderte jetzt im Rahmen einer Fachtagung in Würzburg, den Bestrebungen des CEN wirksam entgegenzuwirken; dies gelte insbesondere für die vom CEN beabsichtigten Normierungen medizinischer Dienstleistungen auf europäischer Ebene, zum Beispiel in der ästhetischen Chirurgie.
Solche Aktivitäten des CEN stünden nicht mit den Anforderungen des Deutschen Weiterbildungsrechts in Einklang, betonte Rechtsanwältin Annabel Seebohm, Leiterin des Brüsseler Büros der Bundesärztekammer. „Die Inhalte der Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern sind die rechtlich maßgebliche Grundlage für die ärztliche Berufsausübung in Deutschland und die Abgrenzung der ärztlichen Fachgebiete untereinander. Die Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung liegt im Übrigen in der Verantwortung der einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und muss von europaweiten Reglementierungen freigehalten werden“, fasste der Kölner Medizinrechtler Wienke das Meinungsbild des Arbeitskreises der AWMF zusammen.
Hintergrund der Diskussionen sind Bestrebungen des CEN, in verschiedenen Bereichen der ärztlichen Berufsausübung für die Mitgliedsstaaten der EU verbindliche Normen festzulegen. Begonnen haben diese Vorstöße im September 2010; damals konstituierte sich eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel, eine Norm über Dienstleistungen in der ästhetischen Chirurgie zu erarbeiten. Diese Norm ist mittlerweile verabschiedet worden. Sie legt fest, welche sachlichen und personellen Anforderungen bei ästhetisch chirurgischen Leistungen – sogenannten Schönheitsoperationen – gewährleistet werden müssen. Weitere Arbeitsprojekte gibt es für die Bereiche Chiropraktik, Homöopathie, Osteopathie, traditionelle chinesische Medizin und die Behandlung von Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten.
Nach Auffassung von Herrn Professor Dr. med. Rolf Kreienberg, dem Vorsitzenden der Leitlinienkommission der AWMF aus Landshut, hintertreiben solche europäischen Normen ohne wissenschaftliche Evidenz die Erarbeitung medizinisch-wissenschaftlicher Leitlinien unter der Federführung der AWMF. Nur diese nach dem Regelwerk der AWMF entwickelten medizinisch-wissenschaftlichen Leitlinien gewährleisteten, dass die dabei notwendige Transparenz, Objektivität und Wissenschaftlichkeit vorliege. Diese Grundvoraussetzungen seien bei der Entwicklung von Normen durch das CEN nicht erkennbar.
Die AWMF und die in ihr zusammengeschlossenen 168 wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften werden sich auch zukünftig mit Nachdruck dafür einsetzen, dass ausschließlich aktuelle und in breitem Konsens entwickelte wissenschaftliche Leitlinien als Entscheidungshilfe die ärztliche Berufsausübung in Deutschland unterstützen. Zudem müssen die inhaltlichen und kompetenzrechtlichen Grundlagen der ärztlichen Berufsausübung in den einzelnen medizinischen Fachgebieten in Deutschland auf höchstem Niveau gewahrt bleiben. Die AWMF wird die bewährten Regelungsmechanismen der ärztlichen Berufsausübung im Deutschen Weiterbildungsrecht gegenüber überflüssigen und Interessen gesteuerten Einflüssen auf europäischer Ebene verteidigen und gemeinsam mit den zuständigen Ärztekammern weiterentwickeln. Insoweit begrüßt und unterstützt die AWMF ausdrücklich die Initiativen der Bundesärztekammer. Auch diese hatte sich bereits im März 2012 wie die AWMF in einer Stellungnahme gegen die Normierung medizinischer Dienstleistungen auf europäischer Ebene durch das CEN ausgesprochen.
Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e.V. bündelt die Interessen der medizinischen Wissenschaft und trägt sie verstärkt nach außen. Sie handelt dabei im Auftrag ihrer 168 medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Gegründet 1962 mit dem Ziel, gemeinsame Interessen stärker gegenüber dem Staat und der ärztlichen Selbstverwaltung zu positionieren, erarbeitet die AWMF seitdem Empfehlungen und Resolutionen und vertritt diese im wissenschaftlichen und politischen Raum. Die AWMF ist Ansprechpartner für gesundheitspolitische Entscheidungsträger, wie den Gemeinsamen Bundesausschuss, und koordiniert die Entwicklung und Aktualisierung medizinisch wissenschaftlicher Leitlinien in Deutschland. Jede gemeinnützige Fachgesellschaft in Deutschland kann Mitglied werden, sofern sie sich wissenschaftlichen Fragen der Medizin widmet. Die AWMF finanziert sich vorwiegend durch die Beiträge ihrer Mitgliedsgesellschaften und Spenden.
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