Vom Hörsaal in die Behördenpraxis: Studierende erarbeiten Empfehlungen für eine bessere Willkommenskultur im Landkreis Germersheim
Die Studierenden der angesehenen Übersetzer- und Dolmetscherschmiede in Germersheim sind nicht nur Sprachexperten, sondern sie sind auch Kulturexperten. Diese Fähigkeiten konnte sich der Landkreis Germersheim zunutze machen, um den alltäglichen Umgang der Behörden mit ausländischen Mitbürgern zu verbessern. Germersheim ist der Landkreis mit dem höchsten Ausländeranteil in Rheinland-Pfalz. Mit Unterstützung des Fachbereichs Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat die Kreisverwaltung ein Projekt zur interkulturellen Öffnung umgesetzt, das aktiv zur Willkommenskultur für ausländische Bürger beiträgt. Die ungewöhnliche Kooperation erweist sich nicht nur für die Mitarbeiter der Verwaltung und ihre Besucher als ein Gewinn, sondern ebenso für die beteiligten Studentinnen und Studenten. Mit insgesamt 2000 Studierenden ist die JGU am Standort Germersheim die weltweit größte Ausbildungsstätte für Dolmetscher und Übersetzer.
In Germersheim ist die interkulturelle Kompetenz sozusagen zu Hause: Aus über 100 Nationen stammen die Studierenden in der kleinen Südpfälzer Kreisstadt, die sich am Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) zum Dolmetscher oder Übersetzer ausbilden lassen. „Wir haben hier eine enorme Kompetenz und kulturelle Vielfalt. Unsere Studierenden sind alle mit einer oder auch mehreren fremden Kulturen vertraut“, erklärt Dr. Andrea Cnyrim vom Arbeitsbereich Interkulturelle Kommunikation. Fast die Hälfte ihrer Studentinnen und Studenten sind selbst Ausländer, aber alle Studierenden haben mit einer Fremdsprache automatisch auch die jeweilige Kultur erlernt. „Wie Bitten zum Beispiel auf Deutsch und Türkisch oder Russisch geäußert werden, wird mit dem Studium vermittelt“, so Cnyrim.
Diese Kenntnisse konnten die Studierenden bei dem Lehr-Forschungsprojekt „Interkulturelle Kompetenzentwicklung“ einbringen, das unter der Leitung von Andrea Cnyrim mit dem Landkreis Germersheim entwickelt wurde. Zunächst öffnete die Kreisverwaltung ihre Türen für die Studierenden, damit sie in Gesprächen mit den Mitarbeitern und in der Beobachtung des Arbeitsalltags erst einmal die Situation erfassen und den Bedarf ermitteln konnten. Klassische Probleme sind Verständnisschwierigkeiten oder fehlende Unterlagen, aber auch Aushänge oder Beschilderungen sind für manche ausländischen Mitbürger ein Hindernis. „Die Offenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kreisverwaltung war außergewöhnlich und für die Studierenden ein großer Vertrauensbeweis“, fasst Andrea Cnyrim die Erfahrungen zusammen. Vom Jugendamt bis zur Wohngeldstelle und vom Bauamt bis zur Fahrzeugzulassung – die gesamte Verwaltung wurde in das Projekt einbezogen.
Die Ergebnisse der Interviews und der teilnehmenden Beobachtung flossen in Schulungskonzepte für verschiedene Zielgruppen, wie Führungskräfte oder Mitarbeiter mit Kundenkontakt, ein. Schließlich organisierten die Studierenden Schulungen in Form von Workshops, um mit den Mitarbeitern individuell passende Lösungen und Instrumentarien für ihre tägliche Praxis mit ausländischen Bürgern zu erarbeiten.
Das Projekt ist jedoch nicht nur ein Schritt in Richtung „Willkommenskultur“ im Behördenalltag, sondern auch ein wichtiger Baustein im Rahmen des Studiums. „Ich bin von Praxisprojekten in der Lehre überzeugt“, erklärt Andrea Cnyrim. „Eine solche Leistungsbereitschaft der Studierenden ist in einem simulierten Projekt niemals zu erreichen.“ Die angehenden Übersetzerinnen und Übersetzer, Dolmetscherinnen und Dolmetscher hatten die seltene Chance, sich in eine ganz andere Berufsgruppe hineinzuversetzen. Für einige der Teilnehmer bot das Projekt gleichzeitig die Gelegenheit, ihre Abschlussarbeit zu verfassen.
Knapp 70 Studierende waren seit dem Jahresende 2012 bis zum Frühjahr dieses Jahres an dem Lehr-Forschungsprojekt beteiligt. Die Ergebnisse, so Projektleiterin Cnyrim, sind prinzipiell auf andere Einrichtungen, auch Städte und Gemeinden, übertragbar. „Wir haben Interesse an einer Fortsetzung.“ Gespräche dazu laufen bereits.
Fotos:
http://www.uni-mainz.de/bilder_presse/06_interkulturelle_kommunikation_landkreis...
Die beiden studentischen Trainerinnen Maída Hernández Lara und Anita Dosch
Foto: Andrea Cnyrim, JGU
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Dr. Andrea Cnyrim (2.v.l.) mit Studierenden bei einem Workshop in der Kreisverwaltung
Foto: Andrea Cnyrim, JGU
http://www.uni-mainz.de/bilder_presse/06_interkulturelle_kommunikation_landkreis...
Drum Conversation: Durch das Trommeln werden die verschiedenen Phasen eines Gesprächs abgebildet.
Foto: Andrea Cnyrim, JGU
Weitere Informationen:
Dr. Andrea Cnyrim
Arbeitsbereich Interkulturelle Kommunikation
FB 06: Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)
An der Hochschule 2
D 76711 Germersheim
Tel. +49 7274 508-35336
Fax +49 7274 508-35424
E-Mail: cnyrima@uni-mainz.de
http://www.fb06.uni-mainz.de/ikk/117.php
Weitere Links:
http://www.fb06.uni-mainz.de/ikk/461.php (Interkulturelle Kompetenzentwicklung in der Kreisverwaltung Germersheim)
http://www.fb06.uni-mainz.de/ikk/180.php (Dolmetscherpool)
Criteria of this press release:
Journalists, Students, all interested persons
Cultural sciences, Economics / business administration, Language / literature, Social studies, Teaching / education
transregional, national
Research projects, Studies and teaching
German
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