Aktienrechtler der Uni Bonn und Jena kritisieren Aufsichtsräte und fordern Gesetzesreform
Jena (07.03.03) 8 Millionen Euro im Jahr für den ehemaligen Vorstandssprecher der Deutschen Bank sind eindeutig zu viel. "Wenn ein erfolgreicher Vorstand das fünffache des Bundeskanzlers verdient, dann ist das mehr als genug", urteilte Prof. Dr. Marcus Lutter. Der renommierte Aktienrechtler weilte jetzt im Rahmen der "Vorträge zum Deutschen und Europäischen Unternehmerrecht" an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Veranstaltungsreihe wird von Prof. Dr. Walter Bayer sowie dem Thüringer Arbeitskreis für Unternehmens- und Insolvenzrecht e. V. ausgerichtet.
Als überhaupt nicht nachvollziehbar kritisierten Lutter und seine Jenaer Kollegen, wenn das Gehalt von Vorständen in einem Jahr erhöht werde, in dem die Aktiengesellschaft Verluste mache. "Dieses Vorgehen bei der Deutschen Telekom verstößt gegen § 87 des Aktiengesetzes". Hier habe "der Aufsichtsrat eklatant versagt", war die einhellige Meinung der Rechtswissenschaftler. Im vollbesetzten Hörsaal der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Jenaer Uni forderte Lutter "die Änderung der Zusammensetzung und Arbeitsweise der Aufsichtsräte". Als Mitglied der Regierungskommission Corporate Governance, erarbeitet er "Regeln guter Unternehmensführung". "Um ihre Rolle als strategische Partner und Kontrolleure des Managements im Interesse der Aktionäre auszufüllen, bedarf es bei Aufsichtsratsmitgliedern großer Sachkunde und Charakterstärke" - hieran mangele es sehr häufig.
Dass schließlich die Abschlussprüfer unabhängig sein müssten, um gesetzliche Pflichten gewissenhaft wahrzunehmen, verdeutlichte der Bonner Experte am Beispiel des US-amerikanischen Unternehmens Enron. "Nur so kann ausgeschlossen werden, dass ein Bilanzbetrug gedeckt wird, um wie im Fall Enron ein lukratives Beratungsgeschäft nicht zu verlieren", so Lutter. Sein Kollege Prof. Walter Bayer, der kürzlich zugunsten der Universität Jena einen ehrenvollen Ruf nach Heidelberg abgelehnt hatte, betonte: "Die Absicht der Bundesregierung, jedem Inhaber eines größeren Aktienpaketes oder auch einer Aktionärsgruppe das Recht einzuräumen, gegen pflichtwidrig handelnde Vorstände und Aufsichtsräte zu klagen, ist ein Schritt in die richtige Richtung." Das Management als Treuhänder der Aktieneigentümer müsse mit Zuckerbrot (Vergütung) und Peitsche (Haftung) dazu angehalten werden, im Interesse der Aktionäre, nicht vorrangig aus Eigeninteresse zu handeln, lautete die abschließende Bilanz.
Kontakt:
Prof. Dr. Walter Bayer
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Jena
Carl-Zeiß-Str. 3, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 942140
Fax: 03641 / 942142
E-Mail: w.bayer@recht.uni-jena.de
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Law, Politics
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