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03/12/2003 09:53

Diplomatische Innovation verhindert Krieg

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Politikwissenschaftler der Universität Jena erforscht die politische Ethik des "Vaters der Blauhelme"

    Jena (12.03.03) "Blauhelme" nennt man die Friedenstruppe der Vereinten Nationen (UN). Die internationale Streitmacht, die in Krisengebieten der Welt für Ordnung sorgt, prägt unsere Vorstellung von den Aktivitäten der Weltorganisation. Jedoch findet sich bis heute nirgendwo in der UN-Charta ein Hinweis auf dieses wichtige Instrument der Vereinten Nationen. "Die Blauhelme verdanken ihre Existenz einer diplomatischen Innovationsleistung Dag Hammarskjölds", berichtet Dr. Manuel Fröhlich. Der Politikwissenschaftler von der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat das Wirken des zweiten Generalsekretärs der UN nach deren Gründung 1945 und "Quasi-Vaters der Blauhelme" erforscht. Die Ergebnisse sind vor kurzem in dem Buch "Dag Hammarskjöld und die Vereinten Nationen. Die politische Ethik des UNO-Generalsekretärs" veröffentlicht worden.

    "Die Erfindung der Blauhelme und ihr erster Einsatz zur Entschärfung der Suezkrise 1956 ist eine der großen Leistungen Hammarskjölds", sagt Fröhlich. Die Krisensituation vor fast 50 Jahren erinnere an die heutige Irak-Debatte: Eine "Koalition der Willigen" hatte beschlossen, dem ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser Einhalt zu gebieten. Die diplomatischen Mittel hielten sie für ausgeschöpft; eine militärische Intervention sollte einen Regimewechsel herbeiführen und so die Stabilität in der gesamten Region sichern. Doch über Ziel und Mittel der Geheimaktion entzweiten sich die USA, Frankreich und Großbritannien, so dass der Konflikt den Zusammenhalt der NATO bedrohte. Der Sicherheitsrat war gelähmt und die Zukunft der Vereinten Nationen stand auf dem Spiel. Nicht zuletzt die massive Militärpräsenz der Interventionsmächte in der Region und mangelndes Einlenken des Ägypters hatten den Konflikt aufgeladen.

    "Ähnlich wie heute", so Fröhlich, "schien alles auf eine unausweichliche militärische Aktion hinauszulaufen". Nach einem israelischen Angriff sollten britisch-französische Interventionstruppen die ägyptischen und israelischen Streitkräfte trennen. Die politische Innovation Hammarskjölds bestand nun darin, eine multinationale Friedenstruppe anstelle der rein britisch-französischen einzusetzen. Innerhalb weniger Tage wurde die Truppe mit Unterstützung einer Reihe von Staaten (u. a. den USA) aufgestellt und ihr Mandat erarbeitet. Solche raschen Aktionen hatte keiner von der UN, geschweige denn von ihrem Generalsekretär erwartet. Bei seinem Amtsantritt 1953 galt der schwedische Finanz- und Wirtschaftsfachmann Hammarskjöld als Technokrat, dem man keine großen Visionen zutraute. Die UN selbst war eine junge Organisation, die inmitten des Ost-West-Konflikts durch den Anspruch der Unparteilichkeit kaum eine große Rolle spielte. Um so verblüffter war die Welt, als der vermeintliche Technokrat die Rolle der Weltorganisation neu definierte.

    Bei seinen Nachforschungen in z. T. streng vertraulichen UN-Akten, beim Studium privater Notizen und Briefwechsel des Schweden konzentrierte sich Manuel Fröhlich auf die Ethik, die seinem Handeln zugrunde liegt. "Hammarskjöld orientierte sich beispielsweise an der Dialogphilosophie Martin Bubers oder an der Kulturphilosophie Albert Schweitzers und entwickelte in seinem mystisch geprägten Tagebuch eine eigene politische Ethik." "Diese politische Ethik", so Fröhlich, "übersetzte der Diplomat Hammarskjöld dann in konkrete Politik." Die Erarbeitung moralischer Grundsätze unparteilicher Intervention einerseits und ihre zum Teil verblüffende - wie das Beispiel "Blauhelme" zeigt - praktische Umsetzung andererseits, hat der Jenaer Politologe in seinem Buch dokumentiert. Hammarskjölds Nachfolger im Amt, Kofi Annan, hat die Frage: "Was hätte Hammarskjöld in dieser Situation getan?" zur Richtschnur des Handelns eines jeden Generalsekretärs erklärt. Die Einhaltung der Sicherheitsratsresolutionen und des Charta-Rechts sowie die Abwendung von Gewalt erweisen sich dabei als schwierige Bestandteile einer Gleichung, die immer wieder neu gelöst werden muss.

    Manuel Fröhlich: "Dag Hammarskjöld und die Vereinten Nationen. Die politische Ethik des UNO-Generalsekretärs", Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn u. a. 2002, Preis: 50 Euro, ISBN 3-506-72741-9.

    Kontakt:
    Dr. Manuel Fröhlich
    Institut für Politikwissenschaft der Universität Jena
    Ernst-Abbe-Platz 8, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 945433
    Fax: 03641 / 945432
    E-Mail: manuel.froehlich@uni-jena.de


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    UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld besucht 1958 die "Blauhelmtruppen", die seit der Suezkrise in der Region ihren Dienst versehen. (Foto: UN-Archiv)
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    Der Jenaer Politologe Dr. Manuel Fröhlich. (Foto: privat)
    Der Jenaer Politologe Dr. Manuel Fröhlich. (Foto: privat)

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    Criteria of this press release:
    History / archaeology, Law, Politics
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld besucht 1958 die "Blauhelmtruppen", die seit der Suezkrise in der Region ihren Dienst versehen. (Foto: UN-Archiv)


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    Der Jenaer Politologe Dr. Manuel Fröhlich. (Foto: privat)


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