Ein Pergament der Universitätsbibliothek Tübingen konnte dank naturwissenschaftlicher Methoden auf das 7. Jahrhundert zurückdatiert werden
Ein Koranfragment aus dem Bestand der Universitätsbibliothek Tübingen ist überraschend auf das 7. Jahrhundert datiert worden, die Frühzeit des Islam. Experten untersuchten drei Proben des Pergaments der Handschrift und kamen zu dem Schluss, dass dieses mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von 95,4 Prozent aus den Jahren 649-675 n. Chr. stammt. Es wurde somit nur etwa 20 bis 40 Jahre nach dem Tod des islamischen Propheten und Religionsstifters Mohammed hergestellt. Die Datierung solch früher Koranhandschriften ist weltweit eine Rarität, da bisher nur sehr wenige Handschriften mit neuen naturwissenschaftlichen Methoden untersucht wurden.
Im Falle des Tübinger Fragments hatte ein Mitarbeiter des Projekts Coranica die Proben entnommen. Das Kooperationsprojekt der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres Paris und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der französischen Agence Nationale de la Recherche (ANR) gefördert und beschäftigt sich mit der Neukontextualisierung des Koran vor seinem historischen Hintergrund: Es zeichnet die Textgeschichte des Korans unter anderem durch die Untersuchung von „materiellen Zeugnissen“ wie Handschriften nach.
Dafür werden beispielsweise paläographische Analysen, die das Alter von Texten anhand von Schriftbesonderheiten bestimmen, mit naturwissenschaftlichen Methoden überprüft. Die Analyse des Pergamentmaterials wurde vom Institut für Ionenstrahlforschung der ETH Zürich mithilfe der Radiocarbonmethode durchgeführt, die in der archäologischen Altersbestimmung angewandt wird. Dabei macht man sich zunutze, dass der Kohlenstoff in organischen Materialien einen geringen Anteil radioaktiver C14-Isotope enthält, die zeitabhängig zerfallen. Der heutige C14-Anteil des Kohlenstoffs in einem Objekt gibt Forschern daher indirekt Aufschluss über dessen Alter ‒ so auch im Falle des untersuchten Pergaments.
Die Tübinger Handschrift mit der Signatur Ma VI 165 gehört zu insgesamt mehr als 20 Koranfragmenten im Bestand der Universitätsbibliothek: Die Pergamente sind in kufischer Schrift beschrieben, einer der ältesten Schriftformen des Arabischen. Die untersuchte Handschrift hatte aufgrund ihres Duktus und Formats die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler geweckt. Sie ist in einer sehr frühen Schriftvariante (ḥiǧāzī) beschrieben, wobei ihre Abmessungen im Vergleich zu anderen frühen Handschriften jedoch recht klein ausfallen ‒ die Datierung auf das 7. Jahrhundert überraschte die Experten deshalb. Bisher war man von einer Entstehungszeit etwa im 8. oder 9. Jahrhundert ausgegangen.
Die Koranhandschrift gelangte im Jahr 1864 in die UB, als diese einen Teil der Sammlung des preußischen Konsuls Johann Gottfried Wetzstein aufkaufte. Sie ist im Verzeichnis der arabischen Handschriften von Max Weisweiler genauer beschrieben. (Verzeichnis der arabischen Handschriften der Königlichen Universitätsbibliothek Tübingen, Teil 2, Leipzig: Harrassowitz 1930, S. 125; digitalisierte Version des Verzeichnisses von Weisweiler unter Link: http://idb.ub.uni-tuebingen.de/diglit/LXV48_qt-MaVI-2)
Die Koranfragmente der UB stehen Forschenden über die Handschriftenabteilung und zum Teil auch digital zur Verfügung: http://idb.ub.uni-tuebingen.de/digitue/tue/Ma_Orientalische_Handschriften?liste=...
Die untersuchte Koranhandschrift mit der Signatur Ma VI 165 online:
http://idb.ub.uni-tuebingen.de/diglit/MaVI165
Ein Experte entnimmt der Koranhandschrift eine Probe für die Datierung.
Dr. Wilfried Lagler/Universitätsbibliothek Tübingen
None
Criteria of this press release:
Journalists
Religion
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications
German
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).