„Wir können in der Implantologie heute Konzepte umsetzen, die früher so nicht möglich schienen oder an die man einfach nicht gedacht hat“, erklärt Prof. Dr. Frank Schwarz vom Universitätsklinikum Düsseldorf, Präsident des 28. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Implantologie. Warum Zahnärzte gezogene Zähne nicht mehr wegwerfen sollten, welche Verfahren in der Implantologie weiterhin Bestand haben und welche in die Kiste des Überholten gehören, diskutieren mehr als 1800 Teilnehmer auf der Tagung, die vom 27. bis 29. November in Düsseldorf stattfindet.
Alle fünf Jahre verdoppelt sich das Wissen der Menschheit – dies gilt auch für die Implantologie. Seit Gründung der Deutschen Gesellschaft für Implantologie im Jahr 1994 hat sich daher das Wissen auf diesem Gebiet rasant erweitert. „Dies bedeutet jedoch nicht nur, dass wir mehr Wissen und neue Konzepte haben, sondern auch, dass viele Methoden, die vor kurzem noch als Standard galten, im Grunde überholt sind“, erklärt Prof. Dr. Frank Schwarz von der Westdeutschen Kieferklinik der Universität Düsseldorf.
Dazu gehören bestimmte Prinzipien, die bislang eine Implantattherapie zu einer sehr zeitaufwändigen Behandlung machten. „Der richtige Zeitpunkt für eine Implantation ist dafür ein Beispiel“, sagt Professor Schwarz. „Einen Zahn ziehen und dann ein halbes Jahr bis zur Implantation warten ist obsolet“, so der Experte. Ob ein Implantat sofort nach der Extraktion gesetzt werden kann, hängt zwar von verschiedenen Faktoren ab, etwa dem Ort der Implantation und der Knochenqualität, doch binnen sechs Wochen nach der Extraktion ist die Implantation in den meisten Fällen möglich. Nur wenn Knochen vor einer Implantation aufgebaut wird, beträgt die Wartezeit vier bis sechs Monate.
Die gezogene Wurzel ersetzt fehlendes Knochengewebe.
Und auch hier zeichnet sich eine Veränderung ab: „Wir können Zähne, genauer gesagt Zahnwurzeln unmittelbar nach der Extraktion zum Aufbau des Kieferknochens verwenden“, umreißt Professor Schwarz neue Forschungsergebnisse seiner Gruppe, die demnächst bei Patienten im Rahmen klinischer Studien erprobt werden. Im Experiment haben Schwarz und sein Team gezogene Zahnwurzeln mit Mini-Schrauben auf den Kieferknochen aufgeschraubt, um ihn zu verbreitern. Vier Monate später, nachdem die Wurzel eingeheilt ist, kann dann ein Implantat gesetzt werden. „Dies klingt kurios“, schmuzelt Professor Schwarz, „aber so können wir die Verwendung von Ersatzmaterialien oder aufwändige Eingriffe zur Knochenentnahme für den Kieferaufbau vermeiden. Denkbar ist auch, eine Zahnwurzel weiter hinten im Kiefer unter der Schleimhaut einzupflanzen und bei Bedarf wieder herauszunehmen. „Zahnärzte sind darauf trainiert, gezogene Zähne wegzuwerfen“, sagt Schwarz. „Hier ist nun ein Umlernen angesagt, da wir die Wurzeln zum Kieferaufbau verwenden können.“
Kurze und dünne Implantate.
Auch kürzere und dünnere Implantate machen eine Implantattherapie inzwischen schonender und können größere Eingriffe zum Aufbau des Kiefers vermeiden. „Die Zeit der dicken Implantate mit mehr als fünf Millimeter Durchmesser ist vorbei“, betont Professor Schwarz. Vier Millimeter Durchmesser und sogar weniger - abhängig vom Ort der Implantation – sind heute die Regel. Auch was die Länge betrifft, haben sich moderne Implantate verändert: Sechs bis zehn Millimeter sind üblich, es gibt inzwischen auch noch kürzere Implantate zwischen vier und sechs Millimeter, die in bestimmten Regionen eingesetzt werden können.
2-4-6-8. Eine herausnehmbare Prothese kann bei einem zahnlosen Unterkiefer auf zwei, beim zahnlosen Oberkiefer auf vier Implantaten stabilisiert werden. Festsitzender Zahnersatz braucht im zahnlosen Unterkiefer sechs und im Oberkiefer acht Implantate.
Auf dem 28. Kongress der DGI präsentieren mehr als 80 international renommierte Referenten aus sieben Ländern aktuelle Entwicklungen und neue Konzepte in der Implantologie. Insgesamt gibt es auf der Tagung mehr als 100 Präsentationen. Erwartet werden 1800 bis 2000 Teilnehmer.
Die Deutsche Gesellschaft für Implantologie im Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereich e.V. (DGI) ist mit mehr als 8000 Mitgliedern – Zahnärzten, Oralchirurgen, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen – die größte wissenschaftliche Gesellschaft im Bereich der Implantologie in Europa und die größte weltweit. Als einzige implantologische Fachgesellschaft ist sie auch Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Markenzeichen der DGI ist die enge Kooperation von Praktikern und Hochschullehrern. Deren gemeinsames Ziel ist die schnelle Umsetzung gesicherten Wissens und neuer Erkenntnisse in die Praxis durch ein differenziertes Fortbildungsangebot - zum Nutzen von Patientinnen und Patienten. Mehr Informationen: www.dgi-ev.de
Dipl. Biol. Barbara Ritzert
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