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04/23/2003 17:00

Neue Sparwelle für die Berliner Universitäten

Ramona Ehret Stabsstelle Kommunikation, Events und Alumni
Technische Universität Berlin

    Beschluss des Akademischen Senats der TU Berlin vom 23. April 2003

    Angesichts der Planungen des Berliner Senats, den Zuschuss für die drei Universitäten um ca. 200 bis 300 Mio. Euro zu kürzen, verabschiedete der Akademische Senat der TU Berlin auf seiner heutigen Sitzung mit überwältigender Mehrheit folgenden Beschluss:

    1. Mit extremer Besorgnis nimmt der Akademische Senat (AS) der Technischen Universität Berlin den Bericht des Präsidenten über den Stand der Hochschulvertragsverhandlungen und die dabei diskutierten Rahmendaten für die Haushaltsentwicklung bis 2009 zur Kenntnis. Der AS der TU Berlin verschließt sich nicht der Einsicht in die dramatische Finanzlage des Landes Berlin, weist aber darauf hin, dass die TU Berlin in den Jahren 1992 bis 2002 bereits 1100 Stellen eingespart hat. Er fordert Senat und Abgeordnetenhaus jedoch auf, das in den letzten Jahrzehnten entwickelte Profil der TU Berlin nicht durch existenzbedrohende Kürzungen in Frage zu stellen. Die TU Berlin gehört zu den wichtigsten Zukunftsträgern des Landes Berlin.

    2. Der AS der TU Berlin sieht sich in der Verantwortung, die ordnungsgemäße Durchführung von Forschung, Lehre und Studium sicher zu stellen. Allerdings sieht er sich angesichts der Absicht des Landes, die künftigen Zuschüsse zunächst auf dem reduzierten Stand von 2003 einzufrieren, nicht mehr in der Lage, weiter steigende Studierendenzahlen zu akzeptieren. Er beabsichtigt daher, für das Wintersemester 2003/04 einen flächendeckenden Numerus Clausus zu beschließen. Er ist dazu gezwungen, obwohl er diese Maßnahme grundsätzlich für falsch hält, weil dadurch nicht zuletzt der Abiturjahrgang 2003 in seinen Studienwahlmöglichkeiten stark beeinträchtigt wird.

    3. Der AS der TU Berlin fordert den Präsidenten auf, in den Verhandlungen zu den Hochschulverträgen einen Landeszuschuss für die TU Berlin zu vereinbaren, der die von Staat und Gesellschaft geforderten Leistungen in der Lehre und Forschung absichert. Ohne diese Sicherung würden Kürzungen innerhalb der Fakultäten und Studiengänge aufgrund zufälliger Altersstrukturen bei Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern und unsystematisch freiwerdender Stellen im Akademischen Mittelbau zu chaotischen Schief-lagen führen, die eine Planung für ein ordnungsgemäßes Studieren unmöglich macht.

    4. Der AS der TU Berlin ist nicht bereit, in den Verträgen einen Haushaltsvorbehalt zu akzeptieren, der in politischen Kreisen gegenwärtig diskutiert wird. Eine solche Klausel würde die dringend benötigte Planungssicherheit für die TU Berlin in Frage stellen.

    5. Der AS der TU Berlin beauftragt den Präsidenten, umgehend die Konsequenzen der vom Land beabsichtigten Kürzungen für Forschung und Lehre darzustellen.

    Begründung:

    Der Senat von Berlin plant, den Zuschuss für die drei Universitäten um einen Betrag zu kürzen, der zwischen 200 Mio. Euro und 300 Mio. Euro liegen soll. Gleichzeitig will das Land Berlin zusätzliche Belastungen, die durch den Anstieg der Beamtenruhegehälter entstehen, nicht wie bisher ausgleichen. Ferner besteht es auf einer weiteren Absenkung des Plafonds zugunsten des Strukturfonds zum Ausbau der Fachhochschulen, so dass reale Kürzungen in Höhe von mindestens 270 Mio. Euro bis zu 370 Mio. Euro entstehen können.
    Die Summe von 270 Mio. Euro entspricht dem gegenwärtigen konsumtiven Zuschuss des Landes für die Technische Universität Berlin!
    Der Berliner Senat fügt mit solchen Vorgaben den Universitäten und damit auch dem Land erheblichen Schaden zu, indem er die Zukunftschancen vergibt, die in der Fortentwicklung des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandortes Berlin liegen. Die Berliner Universitäten - insbesondere die wirtschaftsnah forschende sowie ausbildende Technische Universität - sind ein erheblicher Erfolgsfaktor für den Wirtschaftsstandort Berlin. Renommierte Unternehmen wie General Electric woll(t)en sich wegen des wissenschaftlichen Umfeldes mit großen Niederlassungen in Berlin ansiedeln, weltweit agierende Konzerne wie Siemens verbinden den Bestand des Standortes Berlin mit dem besonderen Vorzug, dass die Berliner Universitäten ihnen hochqualifizierte Kräfte in ausreichendem Maße vermitteln können. Die Berliner Hochschulen, und unter ihnen vor allem die TU Berlin, leisten mit ihren Spin Offs einen entscheidenden Beitrag zur Schaffung neuer Arbeitsplätze.

    Der AS der TU Berlin weist die Planungen der Landesregierung, nach denen die TU Berlin bis zum Jahre 2009 - bei einer weiteren Kürzung des derzeitigen Plafonds um 270 Mio. Euro - eine Absenkung ihres Etats um 80 bis 90 Mio. Euro hinnehmen soll, als in höchstem Maße für Berlin schädlich, als unrealistisch und nicht umsetzbar zurück. Der Senat von Berlin ignoriert völlig die Tatsache, dass die Berliner Hochschulen bereits in den Jahren von 1992 bis 2002 einen Abbau der Ausstattung um 30.000 Studienplätze auf 85.000 Studienplätze hinnehmen mussten. Das bedeutet, dass derzeit mit einer Lehrausstattung für 85.000 Studierende 130.000 real vorhandene Studierende betreut werden müssen. Die Berliner Hochschulen haben im genannten Zeitraum Kürzungen im Personalbereich erlitten, die zwischen 25 und 30 Prozent liegen. An der TU Berlin sind dabei real 1100 Stellen gestrichen worden. Eine Deckungslücke im Haushalt der TU Berlin, die erneut in den letzten Jahren entstand und die die Hochschule nicht zu verantworten hat, wird den Personalbestand um weitere 200 Stellen reduzieren.

    Die TU Berlin ist deswegen im Vergleich zu anderen führenden deutschen technischen Universitäten bereits jetzt erheblich unterausgestattet. Durch den gegenwärtig sich vollziehenden Generationenwechsel in der Professorenschaft steht die TU Berlin mit der Notwendigkeit, zwei Drittel aller Fachgebiete neu zu besetzen, vor schweren internen Finanzierungsaufgaben, die einem faktischen Neuaufbau der Hochschule vergleichbar sind. Hinzu kommt die - im Interesse der deutschen Wirtschaft - erfreulicherweise stark steigende Nachfrage nach natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studienplätzen, die eine zusätzliche Personalausstattung in den
    entsprechenden Disziplinen erfordert, die aber aus den anderen Lehreinheiten wegen der dort bereits erbrachten Überlast nicht abgezogen werden kann.

    Mit den geplanten Einsparungen nimmt das Land Berlin der TU Berlin, die sich bereits jetzt im Wettbewerbsnachteil gegenüber den führenden Technischen Universitäten in München, Aachen und Stuttgart befindet, die ohnehin schon gefährdete Konkurrenzfähigkeit und versetzt sie in den Status einer drittklassigen Provinzuniversität. Zudem verlieren die Berliner Universitäten bei Umsetzung der geplanten Kürzungsabsichten jegliche Arbeits- und Innovationsfähigkeit.

    Der AS der TU Berlin hält die Möglichkeit, dass die Kürzungen praktisch nur durch Einsparungen im Bereich der Verwaltung und der zentralen Dienstleistungseinrichtungen erwirtschaftet werden können, für absolut unrealistisch. Die geplanten Kürzungen werden sich deshalb fast ausschließlich in den Fakultäten, also den Bereichen von Forschung und Lehre, auswirken müssen. Auch die Verlagerung von Studienplätzen der Universitäten über den Strukturfonds an die Fachhochschulen führt zu keiner echten Einsparung, da Statistiken von HIS belegen, dass die Studienplätze an den Fachhochschulen nicht kostengünstiger sind als die an den Universitäten. Der AS der TU Berlin stellt fest, dass die aufgrund der bestehenden Deckungslücken bereits infrage gestellte Anzahl von 85.000 Studienplätze nach den beabsichtigten Kürzungen deutlich absinken wird. Damit erweist sich die Forderung des Wissenschaftsrates zum Erhalt von 85.000 Studienplätzen als nicht umsetzbar.

    Die Kürzungen können durch die natürliche Personalfluktuation bis 2009 auch dann nicht erwirtschaftet werden, wenn alle Universitäten ab sofort einen absoluten Einstellungsstopp verhängen. Mit einer solchen Maßnahme aber wird die Funktionsfähigkeit aller Lehr- und Forschungseinheiten der TU Berlin zerstört, ein ordnungsgemäßes Lehrangebot wird binnen kurzem nicht mehr aufrecht zu erhalten sein, die Drittmittelakquisition wird drastisch einbrechen. Der wissenschaftliche Nachwuchs wird in Berlin keine Chancen mehr haben. Gleiches gilt für die Gewinnung von Professorinnen und Professoren.

    Um diese Dramatik zu veranschaulichen sei beispielhaft das Bauingenieurwesen genannt, bei dem in den nächsten zwei Jahren 10 von insgesamt 13 Professuren wiederbesetzt werden müssen. Unter den oben geschilderten Umständen, wird die TU Berlin das Bauingenieurwesen einstellen müssen, ohne für die bereits immatrikulierten Studierenden einen Studienabschluss garantieren zu können. Ähnlich dramatische Situationen werden sich auch in den meisten anderen Lehr- und Forschungseinheiten der TU Berlin finden.

    Weitere Informationen erteilt Ihnen gerne: Dr. Kristina R. Zerges, Pressesprecherin der TU Berlin, Tel.: 030/314-23922, Fax: 030/314-23909, E-Mail: pressestelle@tu-berlin.de, Internet: http://www.tu-berlin.de


    More information:

    http://www.tu-berlin.de/presse/pi/2003/pi71.htm
    http://www.tu-berlin.de


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    Criteria of this press release:
    interdisciplinary
    transregional, national
    Science policy, Studies and teaching
    German


     

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