Wissenschaftler statten Mäuse-Stammzellen mit Gen-Defekten aus, wie sie bei menschlichen Erkrankungen auftreten
Jeder Mensch ist einzigartig – genauso wie sein Erbgut. Auch Veränderungen im Erbgut, sogenannte Mutationen, sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Manche Mutationen verändern die Buchstabenfolge des genetischen Codes, andere betreffen die DNA-Struktur. Bei letzteren sind größere Abschnitte der DNA in ihrer Anzahl oder Position verändert. Diese Veränderungen waren bisher nur sehr schwieirg oder gar nicht in der Maus nachzustellen. Forscher vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin haben jetzt gemeinsam mit Kollegen der Charitè – Universitätsmedizin Berlin eine neue Methode entwickelt, mit der sie strukturelle Mutationen des Menschen schnell und einfach in Mäusen nachbauen können. Die Wissenschaftler haben erstmals exemplarisch eine menschliche strukturelle Mutation, die mit dem Verlust von über 300.000 Basenpaaren einhergeht, in der Maus erzeugt und damit ein Modell für diese Erkrankung geschaffen.
Bei Mutationen werden oft nur einzelne Buchstaben des genetischen Codes durch einen anderen ersetzt. Es kann aber auch zu größeren Umbauten kommen: So können ganze DNA-Abschnitte ins Erbmaterial eingefügt oder ausgelassen werden. Manchmal werden auch größere Abschnitte, die viele Gene beinhalten können, kopiert und vervielfacht. Andere gehen verloren oder werden an falsche Positionen versetzt. Solche Veränderungen können sehr unterschiedliche Auswirkungen auf einen Organismus haben. Manche verringern oder erhöhen die Aktivität von Genen. Die Folge können dann zum Beispiel Krebs oder sogenannte „seltene“ Erkrankungen sein.
Insgesamt leiden in Europa mindestens 26 bis 30 Millionen Menschen an diesen – nur relativ gesehen – seltenen Krankheiten. Häufig verringern sie die Lebenserwartung und Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien. Weil sie nicht sehr häufig auftreten und die Symptome von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein können, ist die gezielte Untersuchung seltener Erkrankungen schwierig. Zudem treten viele Veränderungen bereits während der embryonalen Entwicklung auf und sind daher für die Wissenschaftler nicht zu beobachten.
Mit einer Abwandlung des CRISPR/Cas-Verfahren haben die Berliner Forscher nun große strukturelle Umbauten im Erbgut des Menschen in Mäusen nachgebaut. Cas-Proteine sind Enzyme, mit denen Bakterien sich vor Eindringlingen wie Viren schützen. In dem Verfahren schneiden die Enzyme das DNA-Molekül von embryonalen Mäuse-Stammzellen gezielt an zwei zuvor festgelegten Stellen. Bei der Reparatur wird ein DNA-Abschnitt zwischen den beiden Schnittstellen eingefügt oder ausgelassen. Auf diese Weise können Forscher im Maus-Erbgut an derselben Stelle Veränderungen vornehmen, wie sie auch bei Erbkrankheiten des Menschen auftreten.
In nur wenigen Wochen lassen sich die Stammzellen so mit den entsprechenden Mutationen ausstatten. Die aus diesen Stammzellen hervorgehenden Tiere tragen in ihrem Genom genau die gleiche genetische Veränderung wie die betroffenen Menschen. Für die Wissenschaftler ist dies der einzige Weg, um mehr über die Erkrankung zu erfahren und auf dieser Grundlage möglicherweise geeignete Therapien zu entwickeln.
In einer ersten Anwendung der Methode haben die Wissenschaftler in embryonale Stammzellen von Mäusen einen Teil des Genoms so verändert, wie es auch bei Patienten mit extrem verkürzten Beinknochen vorkommt. Auch die Mäuse bildeten daraufhin zu kurze Beinknochen. An den Tieren können die Wissenschaftler jetzt genauer untersuchen, was dieser Störung zugrunde liegt.
Die Forschungsgruppe von Stefan Mundlos wird unterstützt von einer privaten Förderin der Max-Planck-Förderstiftung.
Originalpublikation:
Katerina Kraft, Sinje Geuer, Anja J. Will, Wing Lee Chan, Christina Paliou, Marina Borschiwer, Izabela Harabula, Lars Wittler, Martin Franke, Daniel M. Ibrahim, Bjørt K. Kragesteen, Malte Spielmann, Stefan Mundlos, Darío G. Lupiáñez, and Guillaume Andrey
Deletions, Inversions, Duplications: Engineering of Structural Variants Using CRISPR/Cas in Mice
Cell Reports, 5. Februar 2015
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Stefan Mundlos
Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Berlin
Telefon:+49 30 8413-12631449
E-Mail:mundlos@molgen.mpg.de
Dr. Patricia Marquardt
Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Berlin
Telefon:+49 30 8413-1716Fax:+49 30 8413-1671
E-Mail:patricia.marquardt@molgen.mpg.de
http://www.maxplanckfoerderstiftung.org/ Max-Planck-Förderstiftung
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils
Biology, Medicine
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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