idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
03/30/2015 16:53

Die Menschen assen Gras: Der Vulkanausbruch in Indonesien und die Hungersnot in der Schweiz

lic. phil. Nathalie Matter Corporate Communication
Universität Bern

    Vor 200 Jahren kam es in der Schweiz und weiten Teilen Europas zur bisher letzten grossen Hungerkrise. Hauptursache war der Ausbruch des Vulkans Tambora am 10. April 1815, der in verschiedenen Regionen der Erde eine vorübergehende Abkühlung des Klimas bewirkte. Eine internationale Konferenz an der Universität Bern diskutiert die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die sich aus diesem Ereignis ziehen lassen. Und ein öffentliches Podiumsgespräch geht der Frage nach, wie gut wir heute für so eine Katastrophe gerüstet wären.

    Die Explosion war gewaltig: Als am 10. April 1815 auf der indonesischen Insel Sumbawa der Vulkan Tambora ausbrach, wurden die obersten 1500 Meter des Berggipfels weggesprengt. Allein auf Sumbawa und den Nachbarinseln starben über 70’000 Menschen. Doch der Ausbruch hatte auch globale Folgen: Er schleuderte riesige Mengen Schwebeteilchen und Gase in die Atmosphäre, welche das Klima abkühlten. 1816 ging in West- und Mitteleuropa sowie im Nordosten der USA als «Jahr ohne Sommer» in die Geschichte ein. Die monatlichen Temperaturen lagen im Sommer zwischen 2,3 und 4,6 Grad unter dem langjährigen Mittel. In der Ostschweiz kam es als Folge der nasskalten Witterung zu einer Hungersnot, viele Menschen assen aus Verzweiflung Gras.

    Die Klimaforschung kam dem Zusammenhang zwischen dem «Jahr ohne Sommer» und dem Vulkanausbruch in Indonesien indes erst hundert Jahre später auf die Spur. Auch heute noch liefert der Tambora Stoff für wissenschaftliche Debatten: Unter dem Titel «Vulkane, Klima und Gesellschaft» diskutieren vom 7. bis 10. April an der Universität Bern führende Expertinnen und Experten über Ursachen und Folgen des vermutlich grössten Vulkanausbruchs der letzten 7000 Jahre.

    «Bei keinem anderen Vulkanausbruch dieser Grössenordnung sind die Auswirkungen so gut dokumentiert», sagt Stefan Brönnimann, Professor für Klimatologie an der Universität Bern und Organisator der Konferenz. «Die Wissenschaft setzt sich deshalb immer wieder neu mit dem Tambora auseinander. Er dient unter anderem als Fallstudie, an der sich Klimamodelle, neue Rekonstruktionsmethoden und Forschungshypothesen testen lassen.»

    Neuer Blick auf die Armut

    Wie die Berner Tambora-Konferenz zeigt, beschäftigen der Grossausbruch und seine Folgen nicht nur Klimaforschende: Am inhaltlich breit angelegten Anlass sprechen neben Spezialisten für Klimarekonstruktion und -modellierung auch Historikerinnen und Historiker, die sich mit der Reaktion von Gesellschaft und Politik auf diese Naturkatastrophe befassen – unter ihnen der Daniel Krämer von der Universität Bern, der soeben eine Dissertation zu den Folgen des Tambora-Ausbruchs veröffentlicht hat («‹Menschen grasten nun mit dem Vieh.› Die letzte grosse Hungerkrise der Schweiz 1816/17»).

    Krämer zeigt darin, dass die Hungerkrise verschiedene Regionen der Schweiz unterschiedlich stark traf. Ganz allgemein aber, so der Historiker, beeinflusste die Hungersnot die Wahrnehmung der Armut in der Schweiz: «Wurde die Armut bislang dem liederlichen Lebenswandel der Betroffenen zugeschrieben, glitten während der Krise immer mehr Personen unverschuldet in die Bedürftigkeit ab, weil sie trotz Arbeit weder sich selbst noch ihre Familien ernähren konnten.»

    Öffentliche Podiumsdiskussion am 8. April

    Im Rahmen der Konferenz findet am 8. April eine grosse öffentliche Podiumsdiskussion statt. Sie geht der Frage nach, wie die Welt im Allgemeinen und die Schweiz im Besonderen heute mit einer derartigen Krise umgehen würden. Unter der Leitung von Christine Hubacher (Radio SRF) diskutieren: Christian Pfister, ehemaliger Professor für Klima- und Umweltgeschichte, Jürg Fuhrer, Agrarökologe und Spezialist für Klimawandel und Landwirtschaft, Martha Bächler, als Talammannn von Engelberg, bekannt geworden durch die Bewältigung der Hochwasser von 2005 sowie Stefan Brem, Chef Risikogrundlagen im Bundesamt für Bevölkerungsschutz, BABS.

    Die Podiumsdiskussion findet von 19.30 bis 21.30 Uhr an der Universität Bern, UniS, Schanzeneckstrasse 1, statt. Der Eintritt ist frei. Als Einstieg in die Diskussion spricht Christian Pfister über das «Jahr ohne Sommer» von 1816 in der Schweiz als Folge des Tambora-Ausbruchs.


    More information:

    http://tinyurl.com/200years-tambora


    Images

    Das «Jahr ohne Sommer» 1816 führte in der Schweiz zu einer Hungerkrise. In der Ostschweiz war die Not so gross, dass die Menschen zusammen mit dem Vieh Gras assen.
    Das «Jahr ohne Sommer» 1816 führte in der Schweiz zu einer Hungerkrise. In der Ostschweiz war die No ...
    Toggenburger Museum, Lichtensteig
    None


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Geosciences, History / archaeology
    transregional, national
    Press events, Scientific conferences
    German


     

    Das «Jahr ohne Sommer» 1816 führte in der Schweiz zu einer Hungerkrise. In der Ostschweiz war die Not so gross, dass die Menschen zusammen mit dem Vieh Gras assen.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).