idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
04/27/2015 12:54

Quanteneigenschaften spezieller metallischer Magnete enträtselt

Klaus P. Prem Presse - Öffentlichkeitsarbeit - Information
Universität Augsburg

    Forscherteam aus Augsburg und Hiroshima berichtet in Science Advances über die erstmals gelungene Charakterisierung einer sogenannten Quantenspinflüssigkeit.

    Augsburg/PhG/KPP - Kühlt man Materialien zu immer tieferen Temperaturen, so nimmt die Bewegung ihrer atomaren Bestandteile ab. Daher liegen bei tiefen Temperaturen alle Elemente und Verbindungen im festen Aggregatszustand vor. Eine bereits bekannte Ausnahme bildet das Edelgas Helium: Selbst am absoluten Nullpunkt − also bei minus 273.15°C– bleibt dieses Element unter Normaldruck im flüssigen Zustand. Ursache für dieses Phänomen ist die Heisenbergsche Nullpunktsenergie, eine Folge der Quantenmechanik. Daher wird Helium als „Quanten-Flüssigkeit“ bezeichnet. In „Science Advances“ berichten jetzt Physiker der Universität Augsburg gemeinsam mit Kollegen von der japanischen Hiroshima University über die Synthese und Untersuchung von Kristallen aus einer speziellen Verbindung von Cer, Rhodium und Zinn, CeRhSn. Die als Spins bezeichneten magnetischen Momente in diesem Material gehen bei Abkühlen selbst bis zu wenigen Tausendsteln Grad über dem absoluten Nullpunkt nicht in einen geordneten Zustand über. Stattdessen zeigen Sie Quanten-Spinflüssigkeitsverhalten mit neuartigen Eigenschaften in gewisser Analogie zu flüssigem Helium.

    Die kleinsten Bestandteile in Magneten werden Spins genannt. Üblicherweise sind diese Spins bei tiefen Temperaturen stabil und regelmäßig ausgerichtet. Verursacht werden diese Stabilität und die regelmäßige Ausrichtung durch die paarweisen Wechselwirkungen zwischen jeweils benachbarten Spins. In CeRhSn-Kristallen, über deren Untersuchung die Augsburger Physiker und ihre Kollegen jetzt in „Science Advances“ berichten, sind die Spins ungewöhnlich angeordnet. Sie sitzen auf den Ecken miteinander verbundener Dreiecke. Diese spezielle Struktur macht es unmöglich, dass sich die übliche Ordnung ausbildet, bei der alle nächsten Nachbarspins antiparallel zueinander stehen. Man bezeichnet das als geometrische Frustration. Sie begünstigt, dass die bei tiefen Temperaturen immer auftretenden Quantenfluktuationen in solchen Materialien einen besonders starken Einfluss haben und zu einem instabilen und fluktuierenden magnetischen Verhalten führen. “Dieser Zustand wird Quanten-Spinflüssigkeit genannt, ist aber experimentell noch so gut wie unerforscht“, erläutert Prof. Dr. Philipp Gegenwart, Leiter des Augsburger Lehrstuhls für Experimentalphysik VI.

    Bisherige Untersuchungen zu den ungelösten Fragen im Zusammenhang mit Quanten-Spinflüssigkeiten hätten sich auf elektrisch isolierende Magneten beschränkt, so der Augsburger Wissenschaftler. „Wir haben einen neuen Weg eingeschlagen und erstmals in einem metallischen Magneten Hinweise auf Quanten-Spinflüssigkeitsverhalten beobachten können. Hierzu haben wir die Verbindung CeRhSn gezielt gewählt, um sowohl geometrische Frustration als auch eine zusätzliche Schwächung der magnetischen Ordnung durch die Wechselwirkung der magnetischen Momente mit Leitungselektronen zu erreichen."

    Zu diesem Zweck wurden von den japanischen Projektpartnern hochwertige CeRhSn-Kristalle hergestellt, die in Augsburg dann mit speziell entwickelten, hochempfindlichen Messmethoden untersucht wurden. Zu diesen Methoden zählt u. a. die Detektion von kleinsten Längenänderungen bei Temperaturen bis zu wenigen Tausendsteln Grad über dem absoluten Nullpunkt.

    „Unsere Messungen an CeRhSn-Kristallen beweisen, dass die Spins in Quanten-Spinflüssigkeiten nicht erstarren, sondern vielmehr bis zu den tiefsten Temperaturen ihren flüssigkeitsartigen Zustand beibehalten, weil sie sich aufgrund ihrer geometrischen Frustration quanten-kritisch verhalten", so Philipp Gegenwart.

    Auf das Anwendungspotential der Forschung angesprochen, erläutert Prof. Gegenwart, dass es eine wichtige Aufgabe moderner Materialforschung sei, neue Substanzen und deren Verhalten zu charakterisieren. „Ohne Grundlagenforschung“, sagt er, „gibt es keine langfristige technologische Entwicklung. Wir konnten anhand von CeRhSn jetzt erstmals exemplarisch eine metallische Quantenspinflüssigkeit charakterisieren und so ein vielversprechendes neues Forschungsfeld eröffnen.“
    ____________________________________

    Publikation:
    Y. Tokiwa, C. Stingl, M. S. Kim, T. Takabatake, P. Gegenwart, Characteristic signatures of quantum criticality driven by geometrical frustration. Sci. Adv. 1, e1500001 (2015).
    ____________________________________

    Ansprechpartner:
    Prof. Dr. Philipp Gegenwart
    Lehrstuhl für Experimentalphysik VI/EKM
    Institut für Physik / Zentrum für Elektronische Korrelationen und Magnetismus
    Universität Augsburg
    86135 Augsburg
    Telefon +49(0)821/598-3650
    philipp.gegewart@physik.uni-augsburg.de


    More information:

    http://advances.sciencemag.org/content/1/3/e1500001


    Images

    Prof. Dr. Philipp Gegenwart vor der Tieftemperatur-Messapparatur, mit der er und seine Kollegen die Quanteneigenschaften von CeRhSn enträtseln konnten.
    Prof. Dr. Philipp Gegenwart vor der Tieftemperatur-Messapparatur, mit der er und seine Kollegen die ...
    Foto: Klaus Satzinger-Viel
    None


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Materials sciences, Physics / astronomy
    transregional, national
    Cooperation agreements, Research results
    German


     

    Prof. Dr. Philipp Gegenwart vor der Tieftemperatur-Messapparatur, mit der er und seine Kollegen die Quanteneigenschaften von CeRhSn enträtseln konnten.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).