Die Entwicklung von Spinnenaugen wird durch die gleichen Gene gesteuert, die auch die Bildung anderer hochentwickelter Augen wie beispielsweise des menschlichen Auges und der Facettenaugen von Insekten regulieren. Das haben Wissenschaftler der Universität Göttingen am Beispiel der Gewächshausspinne Parasteatoda tepidariorum herausgefunden.
Pressemitteilung Nr. 100/2015
Evolution der Augen: Was wir von Spinnen lernen können
Göttinger Wissenschaftler erforschen Embryonalentwicklung von Spinnenaugen
(pug) Die Entwicklung von Spinnenaugen wird durch die gleichen Gene gesteuert, die auch die Bildung anderer hochentwickelter Augen wie beispielsweise des menschlichen Auges und der Facettenaugen von Insekten regulieren. Das haben Wissenschaftler der Universität Göttingen am Beispiel der Gewächshausspinne Parasteatoda tepidariorum herausgefunden. Während Aufbau und Funktion der Spinnenaugen bereits sehr gut untersucht sind, war ihre embryonale Entwicklung bislang unerforscht. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift EvoDevo erschienen. Eine parallel durchgeführte und ebenfalls kürzlich veröffentlichte Studie von Wissenschaftlern der Universität Wien an der südamerikanischen großen Wanderspinne Cupiennius salei bestätigt die Ergebnisse der Göttinger Forscher.
Spinnentiere lösen seit jeher Faszination und Schrecken zugleich aus. Die meisten Spinnen besitzen bis zu acht Augen, die ihnen nahezu einen Rundumblick ermöglichen. Springspinnen können mithilfe ihrer Augen waghalsige Sprünge koordinieren, andere Spinnenarten können sehr gut im Dunkeln jagen oder nutzen polarisiertes und ultraviolettes Licht zur Navigation. Die acht Augen der Spinnen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Die beiden meist etwas größeren Hauptaugen liegen vorn in der Mitte des Kopfes, die drei Nebenaugen liegen paarweise seitlich am Kopf.
Die Studie unter der Leitung der Göttinger Entwicklungsbiologen Dr. Nico Posnien und Dr. Nikola-Michael Prpic zeigt nun, dass sich die Haupt- und die Nebenaugen aus unterschiedlichen Regionen des heranwachsenden Kopfes der Spinne entwickeln. Die jeweils drei Nebenaugen entstehen aus einem ursprünglich zusammenhängenden Feld von Vorläuferzellen, das erst im späteren Verlauf der Entwicklung in die Anlagen der einzelnen Augen aufgeteilt wird.
„Durch einen ähnlichen Prozess werden auch die einzelnen Facetten der komplex zusammengesetzten Insektenaugen gebildet“, erläutert Dr. Prpic. Auch die beiden menschlichen Augen werden im frühen Embryo als ein Feld von zukünftigen Augenzellen angelegt und später getrennt. Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler einige Gene identifizieren, die diese Entwicklungsprozesse in der Spinne steuern. Diese weisen sehr große Ähnlichkeit mit den Genen auf, die auch die Bildung der Augen in Insekten steuern.
„Wir finden also zahlreiche Parallelen in den entwicklungsbiologischen Prozessen, die der Entstehung von Augen zugrunde liegen“, erklärt Christoph Schomburg, der Erstautor der Veröffentlichung. Die neuen Daten unterstützen damit die Theorie, dass alle Augentypen, vom komplexen Auge einer Fliege bis hin zum einfachen Auge von Plattwürmern, evolutionsgeschichtlich auf einen gemeinsamen Vorläufer zurückgehen könnten. „Zum einen gibt es im Tierreich eine atemberaubende Vielfalt an Augentypen, -größen und -formen. Auf der anderen Seite wird die Embryonalentwicklung all dieser Augen durch eine überschaubare Anzahl an sehr ähnlichen Genen gesteuert“, fasst Dr. Posnien zusammen.
Originalveröffentlichung: Christoph Schomburg et al. Molecular characterization and embryonic origin of the eyes in the common house spider Parasteatoda tepidariorum. EvoDevo 2015, 6:15. Doi: 10.1186/s13227-015-0011-9.
Kontaktadresse:
Dr. Nico Posnien
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Biologie und Psychologie
Johann-Friedrich-Blumenbach-Institut für Zoologie und Anthropologie
Abteilung Entwicklungsbiologie
Justus-von-Liebig-Weg 11, 37077 Göttingen
Telefon (0551) 39-20817
E-Mail: nposnie@gwdg.de
http://www.uni-goettingen.de/de/44993.html
Adulte Gewächshausspinne Parasteatoda tepidariorum auf einem Schaumstoffstopfen.
Foto: Universität Göttingen
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Spinnenembryo: Ansicht des sich entwickelnden Kopfes.
Foto: Universität Göttingen
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Criteria of this press release:
Journalists, all interested persons
Biology
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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