Bonn, den 24. September 2015 – Jährlich wird in Deutschland über 100.000 Mal die Diagnose einer akuten oder chronischen Mandelentzündung gestellt. An der Behandlung sind nicht nur Hals-, Nasen-, Ohrenärzte, sondern vor allem auch Kinderärzte beteiligt. Beide Fachrichtungen haben in einer Expertengruppe an einer umfassenden Empfehlung für die Diagnostik und Therapie gearbeitet, die nun von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) veröffentlicht wurde.
In der aktuell vorliegenden Langfassung der Leitlinie finden sich Empfehlungen und Statements, die allen praktizierenden Ärztinnen und Ärzten eine zielgerichtete Behandlung von Mandelentzündungen ermöglicht. So werden sowohl Abstrichuntersuchungen von den entzündeten Mandeln wie auch Antibiotikagaben nur unter klar definierten Voraussetzungen empfohlen, die nach einem speziellen Punktesystem bewertet werden. Außerdem wird von unnötigen Blut- und Urinuntersuchungen abgeraten. Hierzu zählt insbesondere die Bestimmung des Antistreptolysin-Titers (ASL-Titer), der sich in diesem Zusammenhang als bedeutungslos erwiesen hat. Unabhängig von seiner Höhe ist der ASL-Titer in keinem Fall als Indikation für eine Mandelentfernung zu verwerten. Auch bei der infektiösen Mononukleose wird von einer Mandelentfernung als Standardtherapie abgeraten, die nur noch in Fällen von Luftnot gerechtfertigt ist. Bei dieser Virusinfektion entzünden sich die Mandeln akut und können so stark anschwellen, dass die Betroffenen eine Atemnot entwickeln.
Zur Behandlung einer akuten Mandelentzündung durch eine nachgewiesene Streptokokken-Infektion ist eine gezielte Antibiotikumtherapie – auch bei erneuten Infektionen – ausreichend. So wird empfohlen, bei weniger als drei Tonsillitiden in den vorausgegangenen zwölf Monaten von einer Mandelentfernung abzusehen. Bei drei bis fünf Episoden wird die Mandelentfernung als mögliche Option betrachtet, wenn sich innerhalb der nächsten sechs Monate weitere Episoden ereignen sollten und die Zahl sechs erreicht wird. Erst ab sechs Mandelentzündungen im vorausgegangenen Jahr scheint die voll-ständige Mandelentfernung (Tonsillektomie) vorteilhaft zu sein. Als Nachteil des Eingriffs sind die postoperativen Schmerzen und das nicht unerhebliche Nachblutungsrisiko zu nennen, weswegen immer eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erforderlich ist. Dieses Statement wird durch die aktuelle Veröffentlichung der Cochrane Collaboration aus England gestützt, die sämtliche Studien zum Thema bewertete und auf die schlechte Datenlage zur Begründung von Mandelentfernung hinwies.
Weltweit äußert sich die nun erarbeitete und von der AWMF veröffentlichte nationale Leitlinie erstmals zum Nutzen der ungefährlicheren Teilentfernung der Mandeln (Tonsillotomie). Entscheidend ist hierbei die Größe der Mandeln, die nach der sogenannten Brodsky-Skala beurteilt wird.
Bei der nächsten Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie vom 4. bis 7. Mai 2016 in Düsseldorf wird das Thema Mandelentfernung von herausgehobener Bedeutung sein.
In Kooperation mit dem Deutschen Studienzentrum für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (Freiburg) ist nun eine Studie geplant, mit welcher die Deutsche HNO-Gesellschaft und der Berufsverband der HNO-Ärzte herausfinden wollen, ob Patienten eher von einer Operation oder von einer Antibiotikumtherapie profitieren. So soll die bestehende Datenlage verbessert werden.
Weitere Informationen finden Interessierte unter http://www.hno.org. Die neue Leitlinie finden Sie hier: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/017-024.html
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Terminhinweis:
87. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für
Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNO KHC)
Termin: 4. bis 7. Mai 2016
Ort: Congress Center Düsseldorf (CCD Stadthalle)
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