Insulinresistente Fettleber und verminderte Insulinproduktion sind Indikatoren für den Erfolg einer Diabetesprävention - Teilnahme an Prädiabetes-Studie noch möglich.
Wissenschaftler der Abteilung Innere Medizin IV am Universitätsklinikum Tübingen und dem Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Zentrums München an der Universität Tübingen haben jetzt im Journal Diabetologia*, dem Organ der Europäischen Gesellschaft zur Erforschung des Diabetes, neue Erkenntnisse zum Einfluss einer Lebensstiländerung auf das Risiko an einem Diabetes zu erkranken veröffentlicht.
Sie konnten zeigen, dass vor allem eine insulinresistente Fettleber und eine verminderte Insulinproduktion darüber bestimmen, ob man zu den Menschen mit dem Risiko-Phänotyp gehört, bei dem die Lebensstilintervention nicht mit einem ausreichenden Absenken des Blutzuckerspiegels einher geht. Inwiefern diese Hoch-Risiko-Personen von einer intensiveren Lebensstilintervention profitieren, wird aktuell in der Prädiabetes-Lebensstil-Interventionsstudie (PLIS) untersucht – einer deutschlandweiten Studie des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD), die in Tübingen koordiniert wird.
In den USA sind mittlerweile 14 Prozent der erwachsenen Bevölkerung an Diabetes erkrankt, rund 38 Prozent haben einen Prädiabetes, eine Vorstufe der Erkrankung. Diese Zahlen weisen darauf hin, dass in naher Zukunft möglicherweise die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung der USA mit Diabetes konfrontiert sein wird. Wissenschaftler sprechen bereits von einer Diabetesepidemie.
Eine Lebensstiländerung mit einer vermehrten körperlichen Aktivität und einer gesunden Ernährung gilt als die wichtigste Maßnahme bei der Vorbeugung des Typ 2 Diabetes, der mit einem Anteil von mehr als 90 Prozent die häufigste Form dieser Erkrankung darstellt.
Wissenschaftler am Universitätsklinikum Tübingen und dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung beobachten schon lange, dass nicht jeder mit einem erhöhten Risiko für Typ 2 Diabetes gleichermaßen von einer Lebensstiländerung bezüglich der Verbesserung seines Risikoprofils profitiert.
Prof. Norbert Stefan und Prof. Andreas Fritsche konnten jetzt gemeinsam mit ihren Kollegen anhand von Daten aus dem Tübinger Lebensstil Interventionsprogram (TULIP) zwei Phänotypen (Erscheinungsbilder) identifizieren, mit deren Bestimmung sich vorhersagen lässt, ob durch eine Lebensstilintervention eine ausreichend hohe Reduktion von erhöhten Blutzuckerwerten zu erwarten ist.
Die Wissenschaftler konnten belegen, dass vor allem eine insulinresistente Fettleber und eine verminderte Insulinproduktion darüber bestimmen, ob man zu den Menschen mit dem Risiko-Phänotyp gehört. Patienten mit hohem Risiko für eine Diabeteserkrankung können dadurch erkannt, gezielt betreut und durch eine intensivierte Lebensstilintervention oder gegebenenfalls durch Medikamente unterstützt werden.
In der Untersuchung wurden die Daten von 120 Personen mit einem Prädiabetes (erhöhte Blutzuckerwerte vor und/oder nach den Mahlzeiten) ausgewertet. Sie zeigen, dass nach einer neunmonatigen Lebensstilintervention bei 40 Prozent der Teilnehmer keine Verbesserung der erhöhten Blutzuckerwerte eintrat, obwohl sie erfolgreich waren bei der Reduktion ihres Gewichts und ihrer Fettmasse (im Mittel um 7 Prozent).
Als Erklärung für dieses Nicht-Ansprechen in Bezug auf die Senkung des Blutzuckers konnten die Wissenschaftler eine Hoch-Risiko-Konstellation identifizieren. Dies waren Personen mit einer nichtalkoholischen Fettleber und/oder einem Insulinproduktionsdefekt. „Diese Menschen hatten eine fast identische Gewichtsabnahme im Vergleich zu jenen Personen, bei denen die Konstellation nicht vorlag. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie dadurch normale Blutzuckerwerte erreichten war aber um das 4,5-fache geringer“, so Professor Stefan. Die Normalisierung erhöhter Blutzuckerwerte im Rahmen einer Lebensstilintervention ist seit langem als ein sehr wichtiger Eckpfeiler in der erfolgreichen Diabetesprävention bekannt.
Die neuen Erkenntnisse haben zwei wichtige Implikationen für die Prävention des Diabetes und seiner Folgeerkrankungen. Erstens konnten die Tübinger Forscher damit zeigen, dass Menschen mit erhöhtem Blutzuckerspiegel sich durchaus stark unterscheiden hinsichtlich des Risikos für eine Diabeteserkrankung. Die genauere Charakterisierung der Ursachen für diesen Prädiabetes also kann in der Zukunft eine Risikostratifizierung ermöglichen, die auch für Erkrankungen wie fortgeschrittene Fettlebererkrankung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die eng mit der Entstehung des Typ 2 Diabetes einhergehen, bedeutsam ist.
Zweitens können Menschen mit Prädiabetes gezielter und effektiver behandelt werden. Hoch-Risiko-Personen können eine intensivere Lebensstilintervention erhalten. Dieses Vorgehen scheint erfolgversprechend, da auch bei diesen Patienten die größere Gewichtsabnahme mit einer stärkeren Blutzuckersenkung einhergeht.
„Dies muss wissenschaftlich noch weiter überprüft werden“, erklärt Professor Fritsche. In einer deutschlandweiten Studie des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung mit mehr als 1000 Teilnehmern wird jetzt untersucht, ob bei Menschen mit erhöhtem Blutzucker, einer Insulinproduktionsstörung oder einer Fettleber, eine intensivierte Lebensstilintervention Vorteile bringt.
Interessenten für die Teilnehme an dieser Prädiabetes-Lebensstil-Interventionsstudie (PLIS) können sich telefonisch unter der Nummer 07071 29-80687 informieren und anmelden.
*Titel der Publikation
Stefan N, Staiger H, Wagner R, Machann J, Schick F, Häring HU, Fritsche A. A high-risk phenotype associates with reduced improvement in glycaemia during a lifestyle intervention in prediabetes. Diabetologia. 2015 Sep 24. [Epub ahead of print], 10.1007/s00125-015-3760-z
Medienkontakt
Universitätsklinikum Tübingen
Medizinische Klinik, Abteilung IV
Prof. Dr. med. Norbert Stefan
Otfried-Müller-Straße 10, 72076 Tübingen
Tel. 07071 29-80390, E-Mail norbert.stefan@med.uni-tuebingen.de
Deutsches Zentrum für Diabetesforschung
Dr. Astrid Glaser
Ingolstädter Landstr. 1
85764 Neuherberg
Tel. 089-3187-1619
E-Mail contact@dzd-ev.de
www.dzd-ev.de
Criteria of this press release:
Journalists
Medicine
transregional, national
Research results
German
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