Seit 2007 können verengte Aortenklappen nicht nur herzchirurgisch, sondern auch minimal-invasiv per Herzkatheter behandelt werden. Auch chirurgisch nicht therapierbaren Patienten kann mit dem Herzkatheter geholfen werden. Wie die sogenannte TAVI-Technik deutschlandweit die Therapie der Aortenklappenstenose verändert hat, hat ein Forscherteam um Dr. Jochen Reinöhl, Oberarzt und Leiter des ISAH-Bereichs (Interventionen bei strukturellen und angeborenen Herzerkrankungen) der Klinik für Kardiologie und Angiologie I (Ärztlicher Direktor: Univ.-Prof. Dr. Christoph Bode) des Universitäts-Herzzentrums Freiburg ∙ Bad Krozingen untersucht.
Ihre Ergebnisse: 1.) TAVI ermöglicht die Behandlung der Aortenklappenstenose bei Patienten, für die der chirurgische Aortenklappenersatz zu risikoreich ist. Bisher nicht behandelbare Patienten können nun behandelt werden. Dies hat die Versorgungssituation in Deutschland dramatisch verändert. 2.) Durch TAVI konnten bundesweit die Krankenhaussterblichkeit sowie relevante Komplikationen reduziert werden. Die detaillierten Ergebnisse werden am 17. Dezember 2015 im renommierten New England Journal of Medicine publiziert.
Eine verengte Aortenklappe staut das Blut in der linken Herzkammer und verhindert, dass genügend Blut in den Kreislauf gelangt. Seit den 1960er Jahren können verengte Aortenklappen herzchirurgisch nach Eröffnen des Brustkorbs und Anschluss an die Herz-Lungenmaschine durch künstliche Herzklappen ersetzt werden. 2007 wurde in Deutschland erstmals das minimal-invasive, kathetergestützte TAVI (transcatheter aortic valve implantation)-Verfahren durchgeführt. Das von Prof. Alain Cribier, französischer Kardiologe und Co-Autor der Freiburger Studie, mitentwickelte Verfahren kommt ohne belastende Operation am offenen Herzen und ohne Herz-Lungenmaschine aus. Grundprinzip der TAVI ist die Implantation einer biologischen Herzklappe per Herzkatheter. Dabei wird als Zugang zum Herzen meist eine großen Arterie des Körpers (beispielsweise die Beinarterie) verwendet.
Um die Auswirkungen von TAVI auf die Behandlung der Aortenklappenstenose zu ermitteln, werteten die Freiburger Kardiologen die Daten aller 88.573 Behandlungen verengter Aortenklappen (isolierter Aortenklappenersatz) in Deutschland zwischen 2007 und 2013 aus. Darunter waren 32.581 kathetergestützte Eingriffe und 55.992 Operationen. Es zeigte sich, dass die jährlichen TAVI-Zahlen stark anstiegen (von 144 Eingriffen 2007 auf 9.147 Eingriffe 2013), während die jährlichen chirurgischen Klappenoperationen leicht zurückgingen (von 8.622 auf 7.048 Operationen). Dies belegt, dass mit TAVI vor allem Patienten geholfen wird, die zuvor keiner Therapie zugeführt werden konnten. „Ein Grund hierfür war sicherlich, dass für viele diese sehr alten und sehr kranken Patienten eine Operation am offenen Herzen zu risikoreich gewesen wäre“, sagt Dr. Jochen Reinöhl.
Bei beiden Therapieformen ging die Anzahl an Todesfällen im Krankenhaus über die Jahre zurück, ebenso die Häufigkeit von Komplikationen wie Schlaganfällen oder schwerwiegenden Blutungen sowie die Notwendigkeit einer zusätzlichen Herzschrittmacherimplantation. Den signifikanten Trend zu besseren Ergebnissen und Überlebensraten begründen die Forscher einerseits mit der stetigen Optimierung des TAVI-Verfahrens und andererseits damit, dass Hochrisikopatienten mittlerweile nicht mehr den Strapazen einer offenen Herzoperation ausgesetzt werden müssen. „Die Patienten, deren Herzklappen kathetergestützt eingesetzt wurden, waren durchschnittlich zehn Jahre älter und weniger belastbar als die offen operierten Patienten“, so Dr. Reinöhl. Doch auch jüngere Patienten profitieren von der neuen Technik: Bei ihnen werden vermehrt biologische Herzklappen aus tierischem Gewebe eingesetzt, bei denen gerinnungshemmende Substanzen wie Marcumar nicht dauerhaft notwendig sind. Die biologischen Herzklappen können bei Bedarf schonend per TAVI ersetzt werden, so dass das Risiko einer Re-Operation entfällt.
Das Forscherteam beleuchtete ergänzend auch die ökonomischen Aspekte des neuen Verfahrens. Seit der Einführung von TAVI ist die jährliche Gesamtzahl an Behandlungen stark angestiegen, wodurch im Gesundheitssystem Mehrkosten von rund 300 Millionen Euro entstanden sind. Demgegenüber stehen die deutliche Lebensverlängerung und Verbesserung der Lebensqualität und somit insgesamt die bessere Versorgungsqualität in Deutschland. Die Kosten für jede einzelne Behandlung lassen sich jedoch deutlich senken, wenn für den richtigen Patienten das richtige Verfahren gewählt wird: „Dadurch lassen sich Komplikationen vermeiden, die erhebliche Zusatzkosten mit sich bringen“, erläutert Erstautor Reinöhl. „Angesichts steigender Patientenzahlen ist es von essentieller Bedeutung, medizinisch und ökonomisch verantwortungsvoll mit den Therapiemöglichkeiten umzugehen“, appelliert er. „Wir stehen erst am Anfang“, kommentiert Prof. Dr. Christoph Bode, „TAVI wird in wenigen Jahren das Standardverfahren sein“.
Im Bereich ISAH (Interventionen bei strukturellen und angeborenen Herzfehlern) werden am Standort Freiburg des Universitäts-Herzzentrums Freiburg ∙ Bad Krozingen in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Kardiologen, Herz- und Gefäßchirurgen sowie Kinderkardiologen und Anästhesisten insbesondere Hochrisikopatienten mit angeborenen oder erworbenen Herzfehlern behandelt. Das ISAH-Team um Dr. Reinöhl konnte sich klinisch und wissenschaftlich in den letzten Jahren ein überregionales, über die Landesgrenzen hinausreichendes Renommee erarbeiten und das Zentrum zu einem der führenden TAVI-Zentren Deutschlands entwickeln.
Kontakt:
Dr. Jochen Reinöhl
Oberarzt
Klinik für Kardiologie und Angiologie I
Universitäts-Herzzentrum Freiburg ∙ Bad Krozingen
Telefon: 0761 270-37848
jochen.reinoehl@universitaets-herzzentrum.de
Criteria of this press release:
Journalists
Medicine
transregional, national
Scientific Publications
German
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