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09/11/1998 00:00

Kniegelenk: Neues Verfahren zum Ersatz von Kreuzbändern

Dr. med. Silvia Schattenfroh GB Unternehmenskommunikation
Charité-Universitätsmedizin Berlin

    AUS DER MEDIZIN FÜR DIE MEDIEN Nr. 6/1998

    Daß Katja Seizinger, die erfolgreichste deutsche Skirennläuferin der letzten Jahre, schon seit Juni und noch mindestens bis zum Januar nächsten Jahres pausieren muß, beruht auf ihrer schweren Knieverletzung, bei der unter anderem das vordere Kreuzband gerissen ist.
    Solche Risse bewirken, daß das Kniegelenk instabil wird. Der Unterschenkel läßt sich gegen den Oberschenkel wie eine Schublade bewegen. Denn die Steuerung der Roll- und Gleitbewegungen im Gelenk entfällt, die im gesunden Knie durch das hintere und vordere Kreuzband begrenzt werden. Stand- und Gangunsicherheit sind die Folge und die unnatürlichen Scherbewegungen im Gelenk schädigen die dortigen Strukturen und verursachen Schmerzen und dauerhafte Funktionseinschränkungen. Zur Wiederherstellung der Stabilität müssen zerrissene Kreuzbänder ersetzt werden. Vollkommen beschwerdefrei werden aber nur etwa 80 Prozent der operierten Patienten.
    An der Unfallchirurgischen Klinik der Charité, der Medizinischen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität, wird derzeit ein neues Operationsverfahren zur Behebung von Kreuzbandschäden angewandt. Es wird zwar auch schon im amerikanischen Pittsburgh und im schweizerischen Basel eingesetzt, aber Erkenntnisse über seine biophysikalischen Grundlagen fehlten bisher. Sie wurden inzwischen von der Berliner Arbeitsgruppe um Andreas Weiler erforscht und werden jetzt zusammen mit den Berliner Erfahrungen an bisher 70 Patienten auf dem internationalen "Kongreß über laufende Konzepte und neue Perspektiven in der Kreuzbandchirurgie" (9.-11. September) in Berlin vorgestellt, zu dem sich dem Kniespezialisten aus aller Welt angemeldet haben.(Kongreßsprache ist englisch).
    Weiler und seine Kollegen variieren das bisherige Standardverfahren zum Ersatz von Kreuzbändern, das darin besteht, die Sehne eines körpereigenen Muskels ins Kniegelenk zu transplantieren. Beim konventionellen Vorgehen wird dazu ein Stück in der Länge des zerstörten Kreuzbandes aus der Mitte der Oberschenkelsehne zwischen Kniescheibe und Unterschenkelkopf (Ligamentum patellae) entnommen. Der Chirurg verschraubt die Enden des so gewonnenen Transplantates in vorgebohrten Kanälen im Ober- bzw. Unterschenkelknochen. Weil die Sehne durch die Verschraubung fest sitzt, kann mit der krankengymnastischen Rehabilitation sehr bald begonnen werden. Nachteilig wirkt sich indessen aus, daß die Patellarsehne durch die Entnahme des Sehnenstückes eine Schwächung erfährt, die nicht auszugleichen ist, weil Sehnen nur ungenügend nachwachsen. Für Berufssportler kann das zum Problem werden - bis zum Riß der in der Kraft geminderten Sehne oder auch zum Bruch der Kniescheibe. Um die hohe Rate von Komplikationen zu verringern, wird seit einiger Zeit die Verwendung von Sehnen aus der Beugeseite des Knies empfohlen, deren Verlust funktionell kaum ins Gewicht fällt.
    Als "Spender" geeignet erscheint von dort insbesondere ein Muskel, der zur Hälfte aus Sehne besteht. Diesen sogenannten "Semitendinosus" nutzen auch die Berliner Unfallchirurgen zur Korrektur von Kreuzbandschäden. Aus der Sehne dieses Muskels läßt sich ein Kreuzband fertigen, das günstigere biomedizinische Eigenschaften hat als eines aus der Patellarsehne. Denn der Semitendinosus besitzt mehrere Sehnenzipfel, die der Chirurg vor der Einpflanzung ins Knie bündelt und mit einander vernäht, so daß ein fester Strang entsteht. In weiterer Abweichung von der Standardoperation wird in Berlin darauf geachtet, daß das neue Kreuzband gänzlich innerhalb der Kniegelenkskapsel fixiert wird und zwar so, daß es den natürlichen anatomischen Verhältnissen entspricht.
    Das Berliner Operationsverfahren zeichnet sich außerdem durch die Verwendung von Kunststoffschrauben aus anstelle der üblichen Metallschrauben aus Titan. Diese "Bio-Schrauben" lösen sich im Knochen nach einiger Zeit von selbst auf. Die Prüfung des Schraubenmaterials (Poly-D,L-Laktid), das inzwischen für Deutschland vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassen worden ist, wurde ebenfalls von der Charité-Arbeitsgruppe durchgeführt. Die Schrauben haben eine besonders gestaltetete Oberfläche, die die Verankerung im Gewebe stärker begünstigt, als dies bei glatten Titan-Schrauben möglich ist. Die Festigkeit der Sehnenfixierung nimmt mit der Zahl der Windungen der Bioschraube zu, wogegen die Schraubendicke von eher untergeordneter Bedeutung ist, wie die Berliner herausfanden. In Kauf zu nehmen ist indessen, daß es Monate dauert, bis Bio-Schrauben gänzlich durch Resorption verschwunden sind, und an ihrer Stelle sich Knochengewebe gebildet hat, das mit der eingeschraubten Sehne verwachsen ist. Darauf wird die krankengymnastische Rehabilitation ausgerichtet.
    Ein weiterer Vorteil der Bio-Schrauben ist darin zu sehen, daß bei einem neuerlichen Unfall die Röntgendiagnostik ohne Behinderung durch strahlenundurchlässige Metallimplantate genutzt werden kann und falls ein erneuter operativer Eingriff nötig wird, keine zusätzlichen Probleme durch zurückgebliebene Metallimplantate auftreten.

    Dr. med. Silvia Schattenfroh
    Dekanat
    Pressereferat-Forschung
    Schumannstraße 20/21
    10117 Berlin

    FON: (030) 2802-2223
    FAX: (030) 2802-3625

    e-mail: Silvia.Schattenfroh@charite.de


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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