Macht es für unser Gehirn einen Unterschied, ob es sich an Episoden erinnert, die weit in der Vergangenheit liegen oder an solche, die eben erst passiert sind? Dieser Frage sind Neurowissenschaftlerinnen der Ruhr-Universität Bochum zusammen mit einem Forscher der Osaka University nachgegangen. Sie zeigen, dass das Gehirn in beiden Fällen sehr wohl unterschiedlich arbeitet. Die Ergebnisse hat das Wissenschaftsjournal „eLIFE“ veröffentlicht.
Hippocampus ist Zentrum für Erinnerungen
Neurowissenschaftler sind sich einig, dass die Hirnregion Hippocampus eine entscheidende Rolle spielt, wenn wir kürzlich gespeicherte Erinnerungen abrufen. Besonders aktiv sind die zu ihm gehörenden Corno-Ammonis-Regionen 1 und 3 (CA1 und CA3). Dies sind Bereiche mit großen, weit verzweigten Nervenzellen. Gedächtnisforscher diskutieren jedoch kontrovers, was passiert, wenn abgerufene Erinnerungen ein halbes Leben zurück liegen. Ist der Hippocampus noch involviert oder spielen angrenzende, „parahippocampale“ Regionen dann eine größere Rolle? Prof. Dr. Magdalena Sauvage und ihr Team von Neurowissenschaftlerinnen haben die Gehirnaktivität von Mäusen untersucht, während diese Erinnerungen abriefen, die einen Tag bis ein Jahr zurücklagen. Beim Menschen entspräche diese Zeitspanne bis zu 40 Jahren. Für ihre Studie wendeten die Forscherinnen ein hochauflösendes, molekulares Bildgebungsverfahren an. Es zeigt an, wie stark ein bestimmtes Gen ausgeprägt ist. Dieses Gen gibt den Wissenschaftlerinnen Aufschluss über kognitive Prozesse.
Alte und junge Erinnerungen werden unterschiedlich abgerufen
„Zum ersten Mal konnten wir zeigen, dass komplett unterschiedliche Hirn-Netzwerke beteiligt sind, wenn wir jüngere oder sehr alte Erinnerungen abrufen“, berichtet Magdalena Sauvage. Die CA3-Region, die als der Erinnerungsspeicher im Hippocampus gilt, scheint keine Rolle mehr zu spielen, wenn wir sehr alte Erinnerungen abrufen. Vielmehr seien in diesem Fall weiterhin CA1 und zusätzlich angrenzende Bereiche des Hippocampus gefragt. Der Grund für diese Änderung könnte in der Arbeitsweise der CA3-Region liegen, erklärt Sauvage: „In CA3 werden Erinnerungen abgerufen, indem aus einem abgespeicherten Merkmal die ursprüngliche Erinnerung vervollständigt wird. Wir vermuten, dass diese Kurznotizen über die Jahre immer stärker abbauen und letztendlich nicht mehr als ‚Erinnerungsstütze‘ genutzt werden können. So muss das Gehirn auf CA1 und Prozesse in angrenzenden Bereichen des Hippocampus zurückgreifen.“
Förderung
Die Studie wurde unterstützt durch den DFG-geförderten Sonderforschungsbereich 874, die Mercator Stiftung und die International Graduate School of Neuroscience.
Originalveröffentlichung
V. Lux, E. Atucha, T. Kitsukawa, M.M. Sauvage (2016): Imaging a memory trace over half a life-time in the medial temporal lobe reveals a time-limited role of CA3 neurons in retrieval, eLife, DOI: 10.7554/eLife.11862.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Magdalena Sauvage, Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, Tel.: 0234 32 27135, E-Mail: magdalena.sauvage@ruhr-uni-bochum.de
Text: Annegret Kalus
Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Medicine, Psychology
transregional, national
Research results
German
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