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04/07/2016 18:00

Wie der Zeigefinger sich täuschen kann

Sandra Sieraad Pressestelle
Universität Bielefeld

    Kognitionswissenschaftler des Exzellenzclusters CITEC entdecken neue Wahrnehmungsillusion

    Finger sind die wichtigsten Tastsensoren des Menschen. Doch nicht immer fühlen sie zuverlässig. Sie lassen sich täuschen. Das haben Wissenschaftler des Exzellenzclusters Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC) der Universität Bielefeld in einer neuen Studie gezeigt, indem sie die Wahrnehmung austricksten. Testpersonen legten ihren Zeigefinger in einen Apparat und berührten ein Objekt, dessen Härte sich veränderte, ohne dass die Personen das bemerkten. Während der Berührung entstand die Illusion, dass sich nicht die Härte veränderte, sondern die Position ihres Fingers. Das Kuriose: Der Finger war fixiert, konnte sich also nicht bewegen. Die Forscher veröffentlichen ihre Ergebnisse am heutigen Donnerstag, 7. April, im Fachmagazin „Current Biology“.

    Einen virtuellen Tastsinn entwickeln – das ist ein langfristiges Ziel von Professor Dr. Marc Ernst, bis Ende März 2016 Leiter der Forschungsgruppe Kognitive Neurowissenschaften in Bielefeld. Im EU-Forschungsprojekt „WEARHAP“ arbeitet er mit Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa daran. „Wir wissen jetzt besser, wie wir künstlich den Eindruck vermitteln können, ob sich ein Objekt weich oder hart anfühlt“, sagt der Neurowissenschaftler. „Das soll uns in Zukunft helfen, einen virtuellen Tastsinn zu entwickeln, mit dem man aus der Ferne ertasten kann, wie sich beispielsweise ein Pullover oder ein anderes Produkt anfühlt, das es bei einem Online-Versand zu kaufen gibt.“

    „Eine grundlegende Frage im Projekt ist: Welche haptischen Reize spielen eine Rolle für die Wahrnehmung?“, sagt Ernst. Mit haptischen Reizen beschreibt der Kognitionswissenschaftler die Empfindungen, die beim Tasten entstehen. „Eine Besonderheit unserer Finger ist, dass sie fleischig sind. Sie können nachgeben, wenn sie etwas berühren“, sagt Marc Ernst. Wenn eine Person zum Beispiel einen Schwamm anfasst, spürt sie über die Tastsensoren in ihrer Haut, wie der Gegenstand beschaffen ist.

    Für ihr Experiment bauten die Wissenschaftler einen Apparat, an dessen Ende waagerecht ein Stoffband gespannt war. Die Härte des Bandes war verstellbar. Die Versuchsperson legte ihre Hand und den Unterarm in die Führungen des Apparates. Die Person sollte sagen, wann ihrer Meinung nach der Finger weiter abgeknickt war. Tatsächlich veränderte sich die Position des Fingers aber nicht, sondern nur die Härte des Stoffbandes. „Verblüffend war, dass alle Probanden das Abknicken des Fingers am größten einschätzen, wenn das Stoffband weich war. Das liegt offenbar daran, dass das weiche Band im Vergleich mehr Hautfläche berührt“, sagt Dr. Alessandro Moscatelli, der die Experimente ausführte.

    „Entscheidend ist, mit wie viel Fläche des Objekts unsere Haut in Berührung kommt. Je mehr Kontaktfläche, desto näher erscheint uns ein Objekt, und daher umso mehr abgeknickt der Finger.“ Doch warum ist diese Erkenntnis wichtig? „Ohne dass wir unsere Körperstellung genau kennen würden, könnten wir nicht greifen, nicht fangen, und nicht mit Objekten oder anderen Personen interagieren“, erklärt Marc Ernst.
    Noch bis Februar 2017 läuft das Forschungsprojekt WEARHAP (WEARable HAPtics for Humans and Robots – Tragbarer Tastsinn für Menschen und Roboter). Die Universität Bielefeld kooperiert dafür mit neun Forschungseinrichtungen aus ganz Europa. 7,7 Millionen Euro investiert die Europäische Union in das Projekt. Davon geht fast eine Million Euro an die Universität Bielefeld.

    Originalveröffentlichung:
    Alessandro Moscatelli, Matteo Bianchi, Alessandro Serio, Alexander Terekhov, Vincent Hayward, Marc Ernst, Antonio Bicchi: The Change in Fingertip Contact Area as a Novel Proprioceptive Cue, erscheint am 7. April 2016

    Weitere Informationen im Internet:
    „Per Tasthandschuh Objekte in der Ferne fühlen“ (Pressemitteilung vom 17.09.2013): http://ekvv.uni-bielefeld.de/blog/pressemitteilungen/entry/per_tasthandschuh_obj...

    Kontakt:
    Prof. Dr. Marc Ernst, Universität Bielefeld
    Fakultät für Biologie
    Telefon: 0521 106-5700
    E-Mail: marc.ernst@uni-bielefeld.de

    Dr. Alessandro Moscatelli, Universität Bielefeld
    Fakultät für Biologie
    E-Mail: alessandro.moscatelli@uni-bielefeld.de


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    Prof. Dr. Marc Ernst vom Exzellenzcluster CITEC untersucht, wie sich die Wahrnehmung von Menschen täuschen lässt.
    Prof. Dr. Marc Ernst vom Exzellenzcluster CITEC untersucht, wie sich die Wahrnehmung von Menschen tä ...
    Source: Foto: CITEC/Universität Bielefeld

    Mit eigenen Geräten testen der CITEC-Forscher Dr. Alessandro Moscatelli und seine Kollegen, wie Menschen Berührungen und ihren eigenen Körper wahrnehmen.
    Mit eigenen Geräten testen der CITEC-Forscher Dr. Alessandro Moscatelli und seine Kollegen, wie Mens ...
    Source: Foto: CITEC/Universität Bielefeld


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Prof. Dr. Marc Ernst vom Exzellenzcluster CITEC untersucht, wie sich die Wahrnehmung von Menschen täuschen lässt.


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    Mit eigenen Geräten testen der CITEC-Forscher Dr. Alessandro Moscatelli und seine Kollegen, wie Menschen Berührungen und ihren eigenen Körper wahrnehmen.


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