Ein Tropfen Blut, Fotoaufnahmen vom Kopf und der Videofilm von einer Kopfdrehung - mit diesen Hilfsmitteln möchten Wissenschaftler des Instituts für Humangenetik am Essener Universitätsklinikum herausfinden, welche Erbmerkmale Einfluss auf die Gesichtsentwicklung haben. Die Wissenschaftler hoffen, diese Informationen nutzen zu können, um von bestimmten Ausprägungen eines Gesichts Rückschlüsse auf genetische Fehlbildungen zu ziehen. Die Diagnose genetisch bedingter Erkrankungen könnte so verbessert werden.
Computer vermisst Gesichter
Rund 280 Probanden haben sich seit Beginn der Studie bereits pieksen, fotografieren und filmen lassen, insgesamt 660 sollen es bis zum Ende dieses Jahres werden. Die Aufnahmen werden in ein Computerprogramm eingespeist, mit dessen Hilfe die Gesichter vermessen werden können. 48 Messpunkte erkennt das von Wissenschaftlern des Instituts für Neuroinformatik an der Universität Bochum entwickelte Programm. So werden unter anderem Abstände zwischen verschiedenen Punkten des Gesichts vermessen; insbesondere wird jedoch die Tiefeninformation des Gesichts berücksichtigt. Sie ist im Grauwertmuster eines Gesichtsbildes enthalten. Die Aufnahmen ermöglichen die Berechnung von Ähnlichkeitswerten der Gesichter.
In einem weiteren Schritt analysieren die Wissenschaftler die genetische Information im Blut. Sie wird anschließend mit den Gesichtszügen verglichen - um so hinter das Geheimnis von Nasengröße, Lippenvolumen und abstehenden Ohren zu kommen. "Ziel der Untersuchung ist es, die Gene, die für die Entwicklung bestimmter Gesichtsmerkmale zuständig sind, zu identifizieren und zu charakterisieren", erklärt der Humangenetiker und Diplom-Mathematiker Dr. med. Stefan Böhringer den wissenschaftlichen Hintergrund des aus dem internen Forschungsförderungsprogramm der Essener Medizinischen Fakultät (IFORES) geförderten Projekts. Von den Ergebnissen der Studie erhoffen sich die Wissenschaftler neue Einsichten für die Diagnose genetisch bedingter Erkrankungen. So äußerten sich in vielen Fällen Gendefekte auch in der Veränderung körperlicher Merkmale. "Im Idealfall können wir in Zukunft vom Phänotyp, in diesem Fall vom Gesicht, auf genetische Informationen schließen und so besser bestimmte syndromale, also durch Gendefekte verursachte Krankheitsbilder erkennen", erklärt Böhringer. Bei vielen Erkrankungen könnte das Gesicht einen ersten Hinweis für die Diagnose geben.
Neben den für ein Syndrom charakteristischen Gesichtsmerkmalen gibt es auch die genetisch bedingte Familienähnlichkeit, die die Hinweise auf eine Erkrankung leicht überdecken kann. Bei der Auswertung der umfangreichen Datenmengen mit Hilfe aufwändiger statistischer Verfahren und einer Großrechneranlage müssen die Wissenschaftler das beachten. Sie werden als Ergebnis ihrer Arbeit eine Datenbank zusammenstellen, von der vor allem Kinderärzte profitieren sollen: Sie könnten der Datenbank entnehmen, ob bestimmte Auffälligkeiten im Gesicht ein Hinweis auf einen genetischen Defekt sind. "Die Datenbank gibt eine sinnvolle Hilfestellung bei der Diagnose von genetischen Abweichungen, sie ersetzte aber keine weiteren Untersuchungen", sagt Dr. Böhringer. Schließlich könne man ein Gesicht auch bei exakter Kenntnis der genetischen Konstitution nicht komplett vorhersagen. "Bei der Ausprägung von Gesichtsmerkmalen spielen außer den genetischen noch weitere Aspekte eine Rolle - beispielsweise Umwelteinflüsse.
Klinikum sucht Probanden
Für die Studie werden noch Probanden gesucht. Für ihren Aufwand erhalten sie 15 Euro Entschädigung. Das Interesse der Wissenschaftlicher richtet sich auf deutsche Staatsbürger im Alter von 18 bis 35 Jahren, vor allem auf Geschwisterpaare (je 20 Euro Entschädigung). Männer werden nur ohne Bart fotografiert, Frauen nur ohne Make-up. Schwere Grunderkrankungen dürfen nicht vorliegen. Wer Interesse hat, an der Studie teil zu nehmen, kann sich telefonisch unter (0201) 723-4567/-4681 oder im Internet unter www.uni-essen.de/hg/gesichter informieren.
Redaktion: Daniela Endrulat, Tel.: (0201) 183-4518
Weitere Informationen: Dr. Stefan Böhringer, Tel.: (0201) 723-4681, E-Mail: stefan.boehringer@uni-essen.de
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Criteria of this press release:
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
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German
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