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06/13/2003 11:11

Professor Adolf Grünbaum hält diesjährige Leibniz-Vorlesungen

Dr. Stefanie Beier Referat für Kommunikation und Marketing
Leibniz Universität Hannover

    Amerikanischer Philosophieprofessor der Universität Pittsburgh spricht an drei Abenden über Leibniz, Theistische Kosmologie und Psychoanalyse

    Am 25., 26. und 27. Juni 2003 spricht Professor Adolf Grünbaum als diesjähriger Gast der Leibniz-Vorlesungen jeweils von 18.15 Uhr bis 20 Uhr im Leibnizhaus, Holzmarkt 5, 30159 Hannover über Leibniz' Ausführungen zum Thema "Warum es eher Etwas als Nichts gibt", theistische Erklärungen der Naturgesetze und über Freuds Psychoanalyse. Professor Grünbaum, einer der renommiertesten Philosophen auf diesen Gebieten, gibt damit auch dem Laien einen verständlichen Überblick über seine Forschungen der vergangenen Jahre. Die Vorträge finden auf englisch statt, in der nachfolgende Diskussion können Fragen auch auf deutsch gestellt werden.

    Das Programm im Detail:
    Philosophical Critiques Of Theistic Cosmology and of Psychoanalysis

    Mittwoch, 25.06.2003 On Leibniz' Why is there something, rather than nothing?

    Donnerstag, 26.06.2003 Do the most fundamental laws of nature require a theistic explanation?

    Freitag, 27.06.2003 Does psychoanalysis deserve a second century of influence?

    Die Leibniz-Vorlesungen

    Die Zentrale Einrichtung für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsethik der Universität Hannover hat 1998 die Leibniz-Vorlesungen ins Leben gerufen. Jedes Jahr im Mai oder Juni berichtet eine an der Spitze der Forschung stehende, international renommierte Persönlichkeit in drei aufeinander folgenden Vorträgen über ihre Ergebnisse. Die Vorlesungen sind für die breite Öffentlichkeit zugänglich und vermeiden wissenschaftlichen Fachjargon so weit als möglich. Die Spannweite der möglichen Themen soll durch das Werk des großen Universalgelehrten Leibniz vorgegeben sein, der in Hannover gelebt hat. Entsprechend kommen nicht nur professionelle Philosophen als Vortragende in Frage, sondern auch Wissenschaftler mit einem über ihre Fachgrenzen hinausreichenden Horizont.

    Der Leibniz-Gast 2003

    Die diesjährigen Leibniz-Vorlesungen hält Adolf Grünbaum, Andrew Mellon Professor für Wissenschaftsphilosophie, Forschungsprofessor für Psychiatrie und Vorsitzender des Zentrums für Wissenschaftsphilosophie an der Universität Pittsburgh. Grünbaum wurde 1923 als Sohn jüdischer Eltern in Köln geboren. 1938 flüchtete er in die USA. Er studierte Mathematik, Physik und Philosophie an der Wesleyan University und an der Yale University in Connecticut. Er ist Fellow of the American Academy of Arts & Sciences, Mitglied der Académie Internationale de Philosophie des Sciences, Fellow of the American Association for the Advancement of Science, und Laureate of the International Academy of Humanism. Im Jahre 1985 hielt er die Gifford Lectures in St. Andrews und die Werner Heisenberg Vorlesung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Neben vielen anderen Auszeichnungen ist Adolf Grünbaum Ehrendoktor der Universität Konstanz.

    Hinweis an die Redaktion:

    Für nähere Informationen steht Ihnen PD Dr. Marcel Weber von der Zentralen Einrichtung für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsethik unter 0511/762-19391 oder weber@ww.uni-hannover.de gern zur Verfügung. Professor Grünbaum reist voraussichtlich am 22. Juni 2003 an. Marcel Weber stellt auf Wunsch auch den Kontakt zu Professor Grünbaum her.

    Vertiefende Informationen zu Professor Grünbaums philosophischen Arbeiten

    Kritik des Theismus und der Psychoanalyse

    Von Marcel Weber

    Adolf Grünbaum erinnert sich, dass er als kleiner Junge in Köln von anderen deutschen Kindern angegriffen wurde, weil die Juden angeblich "unseren Heiland getötet" haben sollen. Die Art und Weise, wie Grünbaum heute die mehrfache Absurdität dieses Vorwurfs gegen die Juden - auch oder gerade aus der Sicht des christlichen Glaubens - dartun kann, ist exemplarisch für seinen scharfen analytischen Geist. Dieser Geist hat ihn zu einem der bekanntesten und einflussreichsten Wissenschaftsphilosophen des 20 Jahrhunderts gemacht.

    Grünbaum ist der Meinung, dass der Antisemitismus mit ein Grund dafür ist, warum der relative Anteil von Denkern, die revolutionäre wissenschaftliche Ideen erzeugt haben, bei jüdischen Intellektuellen immer besonders groß gewesen ist. Wer auf starke Ablehnung stößt, neigt eher dazu, die herrschenden Lehrmeinungen in Frage zu stellen. Grünbaum hat sich mit zwei der bedeutendsten jüdischen Intellektuellen besonders intensiv beschäftigt: Albert Einstein und Sigmund Freud. Einsteins allgemeine Relativitätstheorie ist der Gegenstand von Grünbaums erstem größeren Werk, einer philosophischen Analyse der Einsteinschen Theorie und der ihr zu Grunde liegenden Begriffe von Raum und Zeit. Die Relativitätstheorie galt in der Wissenschaftsphilosophie immer als ein leuchtendes Beispiel einer Theorie, die auch der schärfsten erkenntnistheoretischen Kritik standhält. Dagegen war die Theorie, die der Freudschen Psychoanalyse zu Grunde liegt, stets ein beliebtes Ziel für wissenschaftsphilosophische Kritik (z.B. auch bei Karl Popper).

    Grünbaum stellt die grundlegendsten Hypothesen über Ursache-Wirkungsbeziehungen in Frage, auf denen Freuds Gedankengebäude beruht: die Theorie der Psychopathologie, die Traumtheorie, die Theorie der Freudschen Versprecher und die Übertragungstheorie. Ein solcher Angriff unterminiert Freuds Methode des freien Assoziierens als ursächliches Diagnoseverfahren für klinische Untersuchungen. Ein weiterer Kritikpunkt Grünbaums besagt, dass die typischen Schlussverfahren der Psychoanalyse, bei denen aus bloßen thematischen Verknüpfungen auf Ursachen geschlossen wird, fehlerhaft sind. Außerdem bleiben entgegen Freuds Theorie sehr schmerzhafte Erinnerungen häufig besonders gut in der Erinnerung haften - manchmal auch auf obsessive Weise - und werden nicht unterdrückt oder vergessen.

    In neuerer Zeit hat sich Grünbaum eingehend mit modernen theistischen Kosmologien beschäftigt. Solche Kosmologien versuchen zu zeigen, dass die moderne Physik mit der Existenz Gottes nicht nur vereinbar ist, sondern diese beweist. So wird von manchen Theisten argumentiert, die moderne Physik (in Gestalt der Urknall-Kosmologie) könne nicht erklären, warum - mit Leibniz gesprochen - "es eher Etwas als Nichts gibt". Deshalb werde das Postulat der Existenz Gottes als Schöpfer alles Seienden unumgänglich. Grünbaum unterminiert diesen Ansatz, indem er eine Voraussetzung dieses Arguments in Frage stellt, nämlich dass die Tatsache, dass überhaupt Etwas ist und nicht Nichts, einer Erklärung bedarf. Nur wer glaubt, dass ohne eine übergeordnete Ursache alles Seienden eigentlich Nichts sein müsste, verlangt eine Erklärung dafür, dass Etwas ist und nicht Nichts. Grünbaum zeigt im Gegenzug dazu, dass diese Überzeugung unbegründet ist. Diese Art von theistischem Argument hält also keiner kritischen Überprüfung stand. Grünbaum selbst vertritt einen säkularen Humanismus.

    Grünbaum hat die meiste Zeit seines Lebens in den USA verbracht, wo er eine beeindruckende akademische Karriere hinter sich hat. Unter anderem war er maßgeblich daran beteiligt, die Universität Pittsburgh zu einem der wichtigsten philosophischen Zentren in den USA und auch weltweit zu machen. Trotz seiner Vertreibung aus Deutschland vor 65 Jahren kehrt Grünbaum heute gerne zurück. Vor wenigen Jahren verlieh ihm die Universität Konstanz die Ehrendoktorwürde.


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    Criteria of this press release:
    Philosophy / ethics, Religion
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications
    German


     

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