idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
06/17/2016 15:20

Zentralasiatischer Staub ist anders

Tilo Arnhold Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e. V.

    Leipzig/Duschanbe. Der Staub über Zentralasien unterscheidet sich deutlich von dem über anderen Staubregionen wie zum Beispiel der Sahara. Darauf deuten Messungen der Akademie der Wissenschaften von Tadschikistan und des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) hin, die seit März 2015 erfolgen und die ersten dieser Art in Tadschikistan sind. Erste Ergebnisse des gemeinsamen tadschikisch-deutschen Projektes CADEX (Central Asian Dust Experiment) wurden jetzt auf der internationalen Staub-Konferenz DUST2016 vom 12. bis 17. Juni im italienischen Taranto präsentiert.

    CADEX ist außerdem als „Leuchtturmprojekt“ ausgezeichnet worden. Damit würdigt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Vorbildfunktion für die Kooperation mit postkommunistischen Staaten Zentralasiens und die Bedeutung für die Klimaforschung. Der Staub in der Atmosphäre spielt eine große Rolle im Klimawandel in Zentralasien. Über die Menge und Zusammensetzung des Staubes dort war wenig bekannt, da es bisher an Messtechnik in dieser Region mangelte.

    Mit den Messungen in Tadschikistans Hauptstadt Duschanbe hat das internationale Team wissenschaftliches Neuland betreten. Die letzten Staubmessungen in der Atmosphäre über Tadschikistan stammen vom September 1989 und sind damit über ein Viertel Jahrhundert alt. Damals hatte ein sowjetisch-amerikanisches Team an zwei Tagen Flugzeugmessungen durchgeführt. Aus dieser Momentaufnahme lässt sich aber nicht ableiten, wie die Staubkonzentrationen im Laufe des Jahres schwanken. Um die Klimawirkung des Staubes zu untersuchen, sind daher kontinuierliche Messungen nötig. Diese liefert nun der Laserstrahl eines Lichtradars (auch Lidar genannt). Seit 2015 misst TROPOS mit einem solchen selbst entwickelten Gerät namens „PollyXT“ auf rund 800 Metern über dem Meeresspiegel die Höhenverteilung der Partikel über Duschanbe mit großer vertikaler und zeitlicher Auflösung. Ergänzt werden dieses Multiwellenlängen-Polarisation-Raman-Lidar durch ein Sonnenphotometer, einen Partikelzähler, eine Wetterstation und Filterproben, die Aufschlüsse über die chemische Zusammensetzung des Staubes geben.

    Die Hauptstadt des zentralasiatischen Staates Tadschikistans, dessen Staatsgebiet zu mehr als der Hälfte auf einer Höhe von 3000 Metern und höher liegt, hat rund 700.000 Einwohner und ist das politische, kulturelle und wirtschaftliche Zentrum des Landes. Die Messungen in Duschanbe füllen einen Teil eines großen weißen Flecks auf der Staub-Landkarte, der bisher über tausende Kilometer reichte.

    In Zentralasien ist der Klimawandel bereits deutlich zu spüren: So sind die Gletscher Tadschikistans in den letzten Jahrzehnten um ein Drittel geschrumpft. Dabei spielen auch Staubablagerungen auf der Gletscheroberfläche eine Rolle, da sie die Oberfläche der Gletscher einschließlich der Strahlungseigenschaften verändern und zum Schmelzen des Eises beitragen. Tadschikistan ist von Trockengebieten und Wüsten umgeben. Die Taklamakan-Wüste oder der teilweise ausgetrocknete Aralsee sind nur zwei der bekanntesten davon. Entsprechend häufig treten Staubereignisse auf, die weit über die Region hinausreichen. Dennoch gab es bisher keine systematischen Langzeitbeobachtungen der Staubteilchen. Diese Wissenslücken will das CADEX-Projekt schließen.

    Durch die kontinuierlichen Lidar-Messungen konnte das Team Schichten von Mineralstaub in der Luft bis zwölf Kilometer Höhe identifizieren und anhand von Wetterkarten deren Herkunft bestimmen. Diese Analyse zeigte deutliche Bewegungen von West nach Ost. Der Staub in Tadschikistan stammt oft aus den Wüsten Westasiens bis hin zur Sahara in Nordafrika. Die Höhe der Staubschichten ist sehr unterschiedlich und quasi täglich anders. „Die Höhe der Staubschichten und deren Verdriftung von West nach Ost bedeuten, dass der Staub auch die Hochgebirge in Zentralasien überqueren kann und sich hier der Westen und der Osten Asiens treffen. Der Wüstenstaub aus dem Westen kann sich so mit atmosphärischen Partikeln aus China wie z.B. Industriestaub oder Wüstenstaub vermischen“, erklärt Dr. Dietrich Althausen. Der Lidar-Experte vom TROPOS hatte in den vergangenen Jahrzehnten bereits den Staubtransport von der Sahara über den Atlantik untersucht.
    Die optischen Eigenschaften des Staubes und seine vertikale Verteilung in der Atmosphäre sind wichtig für seine Klimawirkung, da Anzahl, Größe, Konzentration und Beschaffenheit dafür verantwortlich sind, wie sich Wolken bilden, wie viel Licht zurückgestrahlt wird, wie der Strahlungshaushalt der Erde und damit die Erwärmung der Atmosphäre beeinflusst wird. Die Auswertungen der bisherigen Messungen deuten darauf hin, dass der Staub in Zentralasien Licht weniger absorbiert als der Staub der Sahara. „Dass der Staub die Lichtwellen weniger absorbiert könnte an dem unterschiedlichen Eisengehalt, an einem anderen Salzgehalt oder daran liegen, dass die Staubteilchen anders altern“, so Julian Hofer vom TROPOS, der die Messungen vor Ort betreut.

    Auch bei der Untersuchung der Filterproben im Leipziger Labor zeigte sich, dass es deutliche chemische Unterschiede zwischen Sahara und Zentralasien gibt: Staub aus der Sahara enthält beispielweise doppelt so viel Kalzium wie die Proben aus Duschanbe. „Bei den Spurenmetallen konnten wir klare Hinweise auf menschliche Aktivitäten nachweisen. Die höhen Konzentrationen an Zink und Blei sind typisch für Verbrennungsprozesse und Emissionen aus der Metallindustrie“, berichtet Dr. Khanneh Wadinga Fomba vom TROPOS, der ähnliche Untersuchungen bereits im Atlantik gemacht hat. Durch Langzeitmessungen auf den Kapverdischen Inseln hat er beispielsweise nachweisen können, dass der Bleigehalt in der Luft rund um den Atlantik in den letzten Jahren zurückgegangen und sich so die Einführung von bleifreien Benzin positiv bemerkbar gemacht hat.

    Pro Jahr gelangen etwa fünf Milliarden Tonnen Aerosolpartikel in die Atmosphäre. Dabei spielen mineralische Partikel wie etwa Saharastaub oder Vulkanasche eine besondere Rolle: Sie machen über die Hälfte der Aerosolmasse in der Troposphäre aus und unterliegen starken Schwankungen durch Wüstenbildung oder Vulkanausbrüchen. Diese Mineralstaubteilchen sind zwar winzig, haben aber große Auswirkungen auf die Erde. Denn sie beeinflussen die Strahlungseigenschaften, den Wasserkreislauf und die Chemie der Atmosphäre. Sie können zudem Bakterien transportieren, die Luftqualität und damit die menschliche Gesundheit genauso negativ beeinflussen wie das Transportwesen oder die Solarstromerzeugung. Oder als Mineraldünger für fruchtbares Land sorgen. Mit zunehmender Wüstenausbreitung in den Trockengebieten wird damit gerechnet, dass Menge und Wirkung des Mineralstaubes künftig noch weiter zunehmen werden.
    Tilo Arnhold

    Weitere Infos:
    Dr. Dietrich Althausen/ Dr. Julian Hofer/ Dr. Khanneh Wadinga Fomba, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS)
    Tel. +49-341-2717-7063, -7336, -7024
    http://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/dietrich-althausen/
    http://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/Julian-Hofer
    http://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/
    und
    Dr. Sabur F. Abdullaev, Academy of Science of Republic of Tajikistan
    Tel. +992 93 4896014
    http://www.phti.tj/index.php?option=com_content&view=article&id=6&It...
    sowie
    Tilo Arnhold, TROPOS-Öffentlichkeitsarbeit
    Tel. +49-341-2717-7189
    http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/

    Publikationen:
    Althausen, D.; et al. (2016): Central Asian Dust Experiment (CADEX): Lidar Measurements and Comparison of Lidar Ratios and Depolarization Ratios between Saharan and Asian Dust
    Fomba, K. W.; et al. (2016): Aerosol Chemical Composition of Asian Dust at Tajikistan
    Hofer, J.; et al. (2016): Central Asian Dust Experiment (CADEX): First Year Lidar Measurements: Optical Properties, Aerosol Optical Thickness, Heights, Sources and Seasonality of Dust Layers over Tajikistan
    DUST2016, International Conference on Atmospheric Dust, Castellaneta, Italy. http://www.dust2016.org/

    Förderung:
    Die Untersuchungen werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der "Partnerschaften für nachhaltige Problemlösungen in Schwellen- und Entwicklungsländern – Forschung für Entwicklung" unterstützt.

    Links:
    Staub im Fokus:
    https://www.tropos.de/entdecken/gut-zu-wissen/staub-im-fokus/
    CADEX (Central Asian Dust Experiment):
    http://www.tropos.de/forschung/grossprojekte-infrastruktur-technologie/grossfors...
    Projektblatt CADEX:
    https://www.tropos.de/fileadmin/user_upload/Forschung_P/CADEX/Daten_PDF/04_Proje...
    Tagesaktuelle Messungen des Lidars in Duschanbe:
    http://polly.rsd.tropos.de/?p=lidarzeit&Ort=10
    The Academy of Sciences of the Republic Tajikistan
    http://www.anrt.tj/index.php/en/

    frühere Staub-Feldkampagnen:
    SAMUM (Saharan Mineral Dust Experiment)
    http://www.tropos.de/forschung/grossprojekte-infrastruktur-technologie/grossfors...
    SALTRACE (Saharan Aerosol Long-range Transport and Aerosol-Cloud-Interaction Experiment)
    http://www.pa.op.dlr.de/saltrace/

    Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 88 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften.
    Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung, unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
    Leibniz-Institute pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen, der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die 88 Institute der Leibniz-Gemeinschaft, an denen rund 18.100 Personen beschäftigt sind; darunter 9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,64 Milliarden Euro.
    http://www.leibniz-gemeinschaft.de


    More information:

    http://CADEX (Central Asian Dust Experiment):
    http://www.tropos.de/forschung/grossprojekte-infrastruktur-technologie/grossfors...


    Images

    Polly-XT ist ein Multiwellenlängen-Depolarisations-Raman-Lidar, das am TROPOS entwickelt wurde. Damit ist es möglich, die Konzentrationen und Zusammensetzung von Staub zu bestimmen.
    Polly-XT ist ein Multiwellenlängen-Depolarisations-Raman-Lidar, das am TROPOS entwickelt wurde. Dami ...
    Foto: Julian Hofer/ TROPOS
    None

    Mit Sonnenphotometer des globalen Netzwerk AERONET (AErosol RObotic NETwork) werden die atmosphärischen Eigenschaften von Aerosolen vom Boden aus gemessen.
    Mit Sonnenphotometer des globalen Netzwerk AERONET (AErosol RObotic NETwork) werden die atmosphärisc ...
    Foto: Julian Hofer/ TROPOS
    None


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Environment / ecology, Geosciences, Oceanology / climate, Physics / astronomy
    transregional, national
    Cooperation agreements, Research results
    German


     

    Polly-XT ist ein Multiwellenlängen-Depolarisations-Raman-Lidar, das am TROPOS entwickelt wurde. Damit ist es möglich, die Konzentrationen und Zusammensetzung von Staub zu bestimmen.


    For download

    x

    Mit Sonnenphotometer des globalen Netzwerk AERONET (AErosol RObotic NETwork) werden die atmosphärischen Eigenschaften von Aerosolen vom Boden aus gemessen.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).