idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
07/22/2016 13:14

Menschen nutzten schon vor 40.000 Jahren spezielles Werkzeug zur Seilherstellung

Antje Karbe Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Archäologen der Universität Tübingen präsentieren gut erhaltenen Fund aus Mammutelfenbein – Test an der Universität Lüttich bestätigt Funktion

    Schon vor 40.000 Jahren haben Menschen ein spezielles Werkzeug zur Herstellung von Seilen genutzt. Wie Professor Nicholas Conard und seine Grabungsmannschaft von der Universität Tübingen am Freitag berichteten, wurde bei Ausgrabungen im „Hohe Fels“ auf der Schwäbischen Alb ein gut erhaltenes Exemplar dieses Werkzeugs gefunden. Das sorgfältig geschnitzte Stück aus Mammutelfenbein ist 20,4 Zentimeter lang und diente dazu, Pflanzenfasern zu Seilen zu drehen, wie Tests an der Universität Lüttich in Belgien zeigten.

    Seile und Schnüre sind für Jäger- und Sammlerkulturen überlebens-wichtig. Dennoch wusste man bislang fast nichts über die Herstellung von Seilen in der Zeit vor 40.000 Jahren. Nur in Ausnahmefällen wurden Seilabdrücke in gebranntem Ton gefunden oder Darstellungen von Stricken oder Seilen auf eiszeitlichen Kunstwerken. Das von Conards Team im „Hohle Fels“ entdeckte Werkzeug lässt nun wichtige Rückschlüsse auf die Art der Seilherstellung in der Altsteinzeit zu.

    Das Werkzeug aus Mammutelfenbein ist mit vier Löchern von sieben bis neun Millimetern Durchmesser versehen, die jeweils tiefe und sorgfältig ausgearbeitete spiralförmige Einschnitte aufweisen. Diese sind mehr als nur Dekoration. Wurden ähnliche Funde in der Vergangenheit als Hebelgerät, Kunstwerk oder Musikinstrument interpretiert, zeigt das außerordentlich gut erhaltene Werkzeug nun die Funktionalität der Löcher. Ein Archäologenteam um Dr. Veerle Rots konnte an der Universität Lüttich experimentell nachvollziehen, wie damit Pflanzen-fasern zu Seilen gedreht wurden. „Dieses Werkzeug beantwortet die Frage, wie im Paläolithikum Seile hergestellt wurden“, sagt Rots, „ein Rätsel, das Wissenschaftler für Jahrzehnte beschäftigt hat.“
    Das Seilwerkzeug wurde bei Ausgrabungen in der Wohnhöhle der Altsteinzeit in den unteren Schichten aus der sogenannten Aurignacien-Periode gefunden. Wie die berühmten Venus-Figuren und die Flöten aus dem Hohle Fels, stammt das Werkzeug somit aus der Zeit vor 40.000 Jahren, als die ersten modernen Menschen in Europa ankamen. Für die vorher am Hohle Fels lebenden Neandertaler sind solche Funde gänzlich unbekannt. Das neue Artefakt unterstreicht, wie wichtig die Herstellung und Nutzung von Seil und Schnur für die darauf folgenden Jäger und Sammler war, um die Herausforderungen der Eiszeit zu bewältigen.

    Professor Conard von der Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie der Universität Tübingen leitet seit 20 Jahren die Ausgrabungen am „Hohle Fels“. Die Ergebnisse des langjährigen Engagements haben die Höhle zu einer der bekanntesten Ausgrabungsstätten für das Paläolithikum weltweit gemacht. Gemeinsam mit den benachbarten Ausgrabungsstätten im Achtal und im Lonetal wurde der „Hohle Fels“ von Deutschland als Unesco-Weltkulturerbe nominiert. Die Ausgrabungen im Hohle Fels bei Schelklingen werden von der HeidelbergCement AG, dem Wissenschafts-ministerium Baden-Württemberg und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften gefördert.

    Das Werkzeug zur Seilherstellung wird auch für die Öffentlichkeit zu sehen sein: Ab Samstag, 23. Juli, wird es im Urgeschichtlichen Museum in Blaubeuren (urmu) als „Fund des Jahres“ ausgestellt. Seit gut 100 Jahren graben Archäologen der Universität Tübingen bereits in Höhlen auf der Schwäbischen Alb, und seit mehr 50 Jahren präsentiert das Museum die Ergebnisse dieser Arbeit in Blaubeuren. „Es zeichnet das Urgeschichtliche Museum aus, dass es ein Forschungsmuseum ist“, sagt Professor Conard, „so sind beispielsweise im Nachbargebäude des Museums unsere Ausgräber untergebracht, und wir können unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse unmittelbar in der Museumsarbeit darbieten. Es ist uns wichtig, die Inhalte der Ausstellung auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand zu halten.“ (www.urmu.de )

    Publikation:
    Nicholas J. Conard, Maria Malina: „Außergewöhnliche neue Funde aus den aurignacienzeitlichen Schichten vom Hohle Fels bei Schelklingen.“ Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, S. 61-66, 22 Juli 2016.

    Kontakt:
    Prof. Nicholas Conard
    Universität Tübingen
    Abteilung für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie
    Wissenschaftlicher Direktor des Urgeschichtlichen Museums Blaubeuren
    Telefon +49 7071 29-72416
    nicholas.conard[at]uni-tuebingen.de

    Dr. Veerle Rots
    TraceoLab / Préhistoire
    Research centre for Wear and Residue studies in Prehistory
    University of Liège
    Telefon +32 484 611488
    veerle.rots@ulg.ac.be

    Kurzvideos, die Verwendung ist gestattet, Copyright: Universität Lüttich
    Demonstration: Seilherstellung in der Altsteinzeit: https://youtu.be/Z5B6ndWjKJg

    Wie in der Altsteinzeit Seile und Schnüre hergestellt wurden: https://youtu.be/N1VSNKvzZEM

    Haltbarkeitstest: https://youtu.be/4WedyatF_zY

    Fotos zur PM unter:
    http://www.pressefotos.uni-tuebingen.de/UT_20160721_PM_Werkzeug_Altsteinzeit.zip


    Images

    Mit diesem Werkzeug aus Elfenbeinmammut stellten die modernen Menschen vor 40.000 Jahren Seile und Schnüre her.
    Mit diesem Werkzeug aus Elfenbeinmammut stellten die modernen Menschen vor 40.000 Jahren Seile und S ...
    Copyright: Universität Tübingen
    None

    So ließen sich in der Altsteinzeit mit dem Werkzeug Seile herstellen
    So ließen sich in der Altsteinzeit mit dem Werkzeug Seile herstellen
    Foto: Copyright Universität Lüttich
    None


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    History / archaeology
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Mit diesem Werkzeug aus Elfenbeinmammut stellten die modernen Menschen vor 40.000 Jahren Seile und Schnüre her.


    For download

    x

    So ließen sich in der Altsteinzeit mit dem Werkzeug Seile herstellen


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).