Erste umfassende empirische Untersuchung zu Trash-Filmen und ihrem Publikum
Sogenannte Trash-Filme stehen nicht im Widerspruch zu Geschmack und Bildung. Im Gegenteil: Sie werden sogar insbesondere von überdurchschnittlich gebildeten, kulturinteressierten Menschen angesehen. Das fand jetzt der Filmwissenschaftler Keyvan Sarkhosh heraus. In einer Studie des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik in Frankfurt untersuchte er auch, warum sich die Konsumenten die von ihnen selbst als „billig“ bezeichneten Streifen überhaupt antun.
„Fliegende Haie, laute Schreie, Blutgespeie – das sind etwa die Ingredienzien des Überraschungs-Trash-Hits ‚Sharknado‘“, erklärt Sarkhosh. Grundsätzlich sind Trash-Filme (entlehnt von „trash“, dem englischen Wort für Müll) meist amateurhaft produziert, haben ein geringes Budget und entsprechen nicht dem Mainstream-Geschmack. Dennoch gibt es vom Paradebeispiel „Sharknado“ mittlerweile vier Teile und viele Fans – eine Phänomen das Sarkhosh fasziniert: „Auf den ersten Blick erscheint es paradox, warum sich jemand bewusst und gezielt schlecht gemachte, peinliche und oftmals sogar verstörende Filme anschauen und daran Gefallen finden sollte. Ich habe mich deshalb gefragt, warum so etwas erfolgreich sein kann, wer solchen ,Schund‘ guckt und vor allem – warum?“ Um dem Phänomen auf den Grund zu gehen, hat der Wissenschaftler Trash-Film-Zuschauer befragt.
Die Studie, die soeben im Fachblatt „Poetics“ erschienen ist, stellt die erste umfangreiche empirische Untersuchung zu Trash-Filmen und ihrem Publikum dar. Dabei ist es gelungen, nicht nur etablierte Annahmen über den Medienkonsum „schlechter Filme“ mit Daten zu untermauern, sondern auch neue und überraschende Erkenntnisse über Trash-Fans und ihren Blick auf die Filme zutage zu fördern.
„Billig“ – darin sind sich die Studienteilnehmer einig, trifft als Beschreibung für Trash-Filme am ehesten zu. Die Bezeichnung umfasst Filme aus verschiedenen Genres, fast alle Teilnehmer nennen aber Low-Budget-Horrorfilme als typische Beispiele. Die meisten Nennungen fallen dabei auf „Sharknado“, „Plan 9 from Outer Space“ und „The Toxic Avenger“. Wirklich ernst nimmt der typische Trash-Fan diese Filme aber nicht: Seine Haltung ihnen gegenüber ist vor allem eine ironische. Und obwohl sich die Studienteilnehmer darin einig waren, dass die Filme billig gemacht sind und als filmischer „Müll“ gelten, sehen sie diese doch überwiegend als eine Form positiver Unterhaltung. Mit ironischer Distanz betrachtet, sorgen Trash-Filme für „Amüsement“ – sie vermögen zu unterhalten und wirken komisch.
„Was unsere Ergebnisse vor allem bekräftigen: Trash-Fans sind nicht nur überwiegend männlich – fast 90 Prozent unserer Teilnehmer waren Männer –, sondern es sind vor allem enthusiastische Cineasten, für die Trash-Filme eine interessante und willkommene Abwechslung vom Mainstream-Allerlei darstellen“, berichtet Sarkhosh. „Wir haben es hier mit überdurchschnittlich gebildeten Zuschauern zu tun, die man in gewisser Weise als ‚kulturelle Allesfresser‘ bezeichnen könnte. Sie interessieren sich für ein breites Spektrum an Kunst- und Medienformen jenseits traditioneller Grenzen von Hoch- und Populärkultur.“ Dass das typische Publikum von Trash-Filmen diese vor allem aus einem künstlerischen Interesse heraus anschaut, ist eine der zentralen Erkenntnisse der Studie.
So mag es dann wohl auch nicht verwundern, dass die „Lust am Billigen“ einhergeht mit einem aktiven Austausch über das, was man gesehen hat. Sarkhosh verweist darauf, dass sich viele der Studienteilnehmer in Online-Foren und Blogs über ihre Filmerlebnisse austauschen, und betont: „Auch wenn sich manche der typischen Vorstellungen, die man mit einem Kultfilmerlebnis verbindet, mit Blick auf Trash-Filme gerade nicht bestätigt haben, konnten wir doch zeigen, dass der aktive Austausch in ganz erheblichem Maße zum Genuss der Filme beiträgt.“
Originalpublikation:
Keyvan Sarkhosh, Winfried Menninghaus: Enjoying trash films: Underlying features, viewing stances, and experiential response dimensions, Poetics 57 (2016), S. 40-54, http://dx.doi.org/10.1016/j.poetic.2016.04.002
Kontakt:
Dr. Keyvan Sarkhosh
Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, Frankfurt am Main
+49 69 8300 479 120
keyvan.sarkhosh@aesthetics.mpg.de
Dr. Anna Husemann
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, Frankfurt am Main
+49 69 8300 479 650
anna.husemann@aesthetics.mpg.de
Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, Frankfurt am Main
Das im Jahr 2013 gegründete Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik erforscht was wem warum und unter welchen Bedingungen ästhetisch gefällt und welche Funktionen ästhetische Praktiken und Präferenzen für Individuen und Gesellschaften haben. Die Forschungen widmen sich insbesondere den Grundlagen ästhetisch wertenden Wahrnehmens und Erlebens. Ein Gebiet, zu dem es bisher wenig empirische Forschung gibt, ist das Vergnügen an negativen Gefühlen in der Kunstrezeption. Unter der Ägide des renommierten Literaturwissenschaftlers Prof. Dr. Winfried Menninghaus verfolgen diverse Projekte die Grundlagen und Mechanismen der Lust an negativen Gefühlen wie Traurigkeit, Ekel, Ärger oder Furcht. Der Erstautor und Studienleiter Dr. Keyvan Sarkhosh forscht seit 2013 am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik.
https://www.aesthetics.mpg.de/institut/news/news-artikel/article/aus-lust-am-fil...
Haie spielen in Trash-Filmen häufig eine zentrale Rolle. Das gilt für das B-Movie "She Gods of Shark ...
Illustration: MPIEA/James Vaughan CC BY-NY-SA 2.0
None
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
Art / design, Media and communication sciences, Psychology, Social studies
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Research results
German
Haie spielen in Trash-Filmen häufig eine zentrale Rolle. Das gilt für das B-Movie "She Gods of Shark ...
Illustration: MPIEA/James Vaughan CC BY-NY-SA 2.0
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